Projekte

Schräges Biest in Pink

In einem Arbeiterviertel von Mulhouse entstand ein neues Kultur- und Gemeinschaftszentrum des Architekten Paul Le Quernec.

von Norman Kietzmann, 29.10.2013

In einem Arbeiterviertel von Mulhouse entstand ein neues Kultur- und Gemeinschaftszentrum nach Plänen des Architekten Paul Le Quernec aus Strasbourg. Seine Mission: Er sollte den Wandel des Quartiers dynamisch greifbar machen und den Eindruck eines verschlossenen, monolithischen Blocks bewusst vermeiden.

Zugegeben: Etwas mitgenommen wirkt der Bau schon – und das, obwohl er gerade erst im September eröffnet wurde. Würde man eine Gruppe Schuhkartons im Schleudergang durch die Waschmaschine jagen, sähe das Ergebnis wohl kaum anders aus. Doch Paul Le Quernec stand vor einer schwierigen Aufgabe: Der Architekt aus Strasbourg sollte einem Viertel Identität verleihen, das bislang noch gar nicht existiert. Wohnungen, ein Park, ein Spielplatz und ein öffentlicher Platz sind in unmittelbarer Umgebung des neuen Kultur- und Gemeinschaftszentrums geplant, deren Gestaltung anfangs noch in weiter Ferne stand.

Pretty in Pink
Ohne auf vorhandene Strukturen reagieren zu können, glich die Planung einem Nachtflug bei dichtem Nebel. Eine Mischung aus Intuition und Spekulation war hierbei nicht nur erlaubt, sondern dringend erforderlich. Und so entstand ein Gebäude, das sich weder in stolzer, siegessicherer Pose erhebt noch hinter banalen, unsichtbaren Mauern versteckt. Mit einer seltsam aus dem Lot geratenen Kubatur, die je nach Perspektive zwischen einem gelandeten Tarnkappenbomber und einem zerknautschten Cocktailkleid changiert, hat Paul Le Quernec durchaus den richtigen Nerv getroffen.

Sein Entwurf ist eine zweigeschossige, multifunktionale Box, die für eine Vielzahl künftiger Aktivitäten gewappnet ist. Zwei getrennte Baukörper können einzeln oder im Ensemble bespielt werden, deren Fassaden und Dächer mit einem schützenden Panzer aus dunkelgrauen Metallplatten verkleidet sind. Dazwischen erfolgt ein diagonaler Einschnitt in leuchtendem Pink. Befindet sich im Erdgeschoss der Eingang als farbig-leuchtendes Ventil zwischen Innen und Außen, thront darüber eine großzügige Terrasse.

Monochrom in Orange
Versammlungen, Konzerte und andere Veranstaltungen können hier bei gutem Wetter stattfinden, während ebenso die geplanten Kochkurse dank einer transportablen Küche ins Freie verlegt werden können. Der warme, holzgetäfelte Boden vollzieht zur Straßenseite einen leichten Höhensprung und ist als Sitzbank, Bühne oder Podest flexibel nutzbar. Ein Gitter aus schwarzen, sich diagonal überschneidenden Stahlplatten umspielt die Fassade als schützende Membran. Während die Besucher von der Terrasse in den geplanten Park schauen können, bleibt sie selbst dank der besonderen Tiefe der Stahlbauteile vor den Blicken der Passanten geschützt. 

Durch den Einsatz von Farbe wird die emotionale Schraube in den Innenräumen deutlich angezogen. Haben die Besucher den pinken Eingangsbereich passiert, empfängt sie ein Foyer in leuchtend monochromem Rotorange. Ein Empfangstresen, ein Kartenschalter sowie ein kleiner Garderobenraum sind bündig in den zentralen Erschließungsparcours integriert, der das Gebäude von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke diagonal durchquert.


Farbiger Dreiklang
Dynamisch wirkt die Anordnung sämtlicher Fenster und Oberlichter, die die Fassaden und Decken stets diagonal durchbrechen. Vor allem bei Sonnenschein entsteht ein sinnliches Licht- und Schattenspiel, das die Architektur zum Tanzen bringt. Farbe dient im Inneren als Mittel der schnellen Orientierung. Sind sämtliche Flure und Treppenaufgänge monochrom in Orangerot oder Dunkelblau gehalten, zeigen sich die Innenräume in neutralem Weiß

Auch die Grundrisse der Schulungs-, Unterrichts- und Veranstaltungsräume ordnen sich dem rechten Winkel unter und sorgen für einen beruhigenden Ausgleich gegenüber den prismatisch fragmentierten Erschließungswegen und der diagonalen Ordnung des Fensterrasters. Bemerkenswert ist auch, dass Paul Le Quernec bei aller „Schrägheit“ seines Entwurfs den gesetzten Kostenrahmen von 2,4 Millionen Euro nicht überschritten hat. Ein Indiz, dass ein wildes Biest in Pink auch bald in anderen Vierteln von Mulhouse Schule machen könnte.

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Links

Projektarchitekten

Paul Le Quernec Architectes

Auftraggeber

Centres socioculturels Mulhouse

www.mulhouse.fr

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