Schroffes Meisterstück
Brutalismus auf der Landzunge: Ein Meisterwerk des jungen isländischen Büros Krads.
Raue Kante, rauer Wind: Im Süden Islands entstand ein brutalistisches Sommerhaus aus Sichtbeton, das nicht nur stimmig mit seiner Umgebung sitzt. Der Entwurf des Architekturbüros Krads aus Reykjavik trotzt selbstbewusst der Witterung.
Island ist mehr als nur die Heimat von Elfen, Trollen, Popstars und gefühlten Europameistern. Das Land der Geysire hat ebenso aus gestalterischer Perspektive einige Entdeckungen zu bieten. Ein Architekturbüro, das daran nicht ganz unschuldig ist, wurde 2006 in Reykjavik gegründet und unterhält noch ein zweites Standbein im dänischen Aarhus. „Unsere länderübergreifende Aufstellung schafft eine dynamische Umgebung, in der wir die skandinavische Kultur mobilisieren und neu erfinden können“, erklären die Gründer des Büros Krads selbstbewusst.
Gin und Beton
Einen Namen haben sich Kristján Eggertsson, Kristján Örn Kjartansson, Kristoffer Juhl Beilman und Mads Bay Møller 2012 mit dem Stödin Roadside Stop im isländischen Borgarnes gemacht. Das Restaurant-Café aus Sichtbeton lässt mit seiner rund geschwungenen Front an die Diner der Route 66 denken – eine Referenz auf den kulturellen Einfluss, den die USA nach einer 65-jährigen Militärpräsenz auf der Insel hinterließen. Dass Krads ebenso atmosphärische Innenräume beherrschen, zeigt der Nordic Gin Club. Die Pop-Up Bar entstand 2015 im Auftrag der dänischen Ginmarke Spirit of Njord für das NorthSide Festival in Aarhus. Als „Behausung“ dienten drei Seecontainer, in denen betont warme, wohnliche Räume mit Sitznischen und zahlreichen Pflanzen geschaffen wurden.
Der neueste Coup ist das noch immer im Bau befindliche Sommerhaus Langitangi im Südwesten von Island: ein brutalistisches Meisterwerk, das seinen Namen dem isländischen Wort für Landzuge verdankt. Auf genau jener Formation haben die Architekten einen eingeschossigen Baukörper in die karge, von Gräsern bewachsene Landschaft eingefügt. Ihr Ziel lag im Finden eines Gleichgewichts: „Wir haben die Position des Gebäudes auf der Halbinsel ausgesucht, um einen Dialog zwischen der Struktur und ihrem Kontext herzustellen“, beschreiben die Architekten ihren Ansatz.
Lineare Raumflucht
Der raue Sichtbeton und das tiefsitzende, auskragende Dach stellen sich selbstbewusst der windpeitschenden Witterung entgegen. Der lange, schmale Baukörper ist parallel zum Gefälle des Grundstücks ausgerichtet – womit sich sogleich die Aufteilung des Grundrisses ergab. Die Innenräume reihen sich im linearen Baukörper direkt aneinander – erschlossen durch einen zur Hangseite ausgerichteten Korridor.
Den Mittelpunkt des Hauses bildet das große Wohnzimmer mit freistehender Küche, das sich an zwei Seiten zu einer weitläufigen Terrasse öffnet und einen unverstellten Ausblick auf den dahinter liegenden Flusslauf bietet. In derselben Raumflucht zum Wohnzimmer schließen sich Badezimmer, Dusche und zwei Kinderzimmer an. Das Schlafzimmer der Eltern ist in einem Gebäudeflügel auf der anderen Seite des Korridors untergebracht und verfügt ebenso über direkten Zugang zur Terrasse. Für Gäste steht ein separates Schlafzimmer mit eigenem Bad zur Verfügung, das sich halb in den Berg eingräbt.
Zwischen Haupthaus und Gästezimmer haben die Architekten einen markanten Schnitt eingefügt, der die horizontale Ausrichtung des Bauwerks unterbricht und den Blick auf die dahinter liegende Landschaft freigibt. Als visueller Verstärker dient eine ins Tal hinausragende Mauer, die die Flucht des Einschnitts betont und zugleich als Windfänger für die Terrasse dient. Indem das Bergmassiv an dieser Stelle direkt in das Gebäude vorrückt, greifen Natur und Architektur wie ein Getriebe ineinander.
Ein weiteres, überzeugendes Detail haben Krads mit dem steinbedeckten Flachdach erzielt, das beide Gebäudeteile als Kontinuum überspannt. Nähert man sich dem Gebäude von der Hangseite, wirken Dach und Fassade in ihrer hellgrauen Farbigkeit wie eine optische Weiterführung des dahinter liegenden Binnengewässers. Das Gebäude ist somit eins mit seiner Umgebung, ohne gleich in Demut zu verfallen. Ein schroffes Meisterstück, das genau am richtigen Platz erscheint.
Mehr aus dem Designlines-Themenspecial Ísland lesen Sie hier.
FOTOGRAFIE Kristinn Magnusson
Kristinn Magnusson
Mehr Projekte
Auf alles vorbereitet
Wohnanlage mit flexiblen Grundrissen von STAR strategies + architecture
Bauhaus-Comeback in Budapest
Umbau einer Dreißigerjahre-Wohnung von Sarolta Hüttl
Zwischen Himmel und Holz
Dachbodenausbau von studio franz und coco in den Schweizer Bergen
Mit Hang zur Höhe
Wohnhaus auf kleiner Fläche in Unterfranken von ToB.Studio
Pleats please!
Das W House in London von Bureau de Change
Bio-Bau am Seeufer
Haus A/Z am Ammersee von Arnold / Werner Architekten
Naturpanorama in Costa Rica
Wohnhaus von Formafatal mitten im Dschungel
Minimalismus am Waldrand
Der Bungalow U7A von KANANI verbindet Architektur und Natur
Ein-Euro-Haus
Modernisierung eines baufälligen Stadthauses in Sizilien von Studio Didea
Ein Haus für perfekte Gastgeber
Küchenanbau von Studio McW in London
Beton, Farbe und Licht
Wohnsiedlung Rötiboden von Buchner Bründler Architekten am Zürichsee
Goldener Schnitt
Einfamilienhaus von Raúl Sánchez Architects bei Barcelona
Der Flur als Bühne
Wohnungsumbau in Mailand von Kick.Office
Höhenflug in Madrid
Burr Studio verwandelt Gewerbefläche in eine loftartige Wohnung
Camouflage im Eichkamp
Berliner Familienresidenz von Atelier ST
Mid-Century im Stadthaus
Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona
Lautner, but make it Cape Town
In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas
Ein Zuhause aus Licht und Pflanzen
Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM
Wohnen in Blockfarben
Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects
Olympisches Raumspiel
Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects
Ganz der Kunst gewidmet
Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova
Heiter bis holzig
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS
Kreative Transformationen
Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG
Von der Enge zur Offenheit
Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects
Leben im Schweinestall
Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim
Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur
Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog
Faltbarer Transformer
Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger
Funktionale Fassaden
Verschattung im Bestand und Neubau
Wohnhaus in Kurvenlage
Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok