Skulpturen im Raum
Künstlerapartment in Prag von Neuhäusl Hunal

Beinahe wie Seifenblasen scheinen die skulpturalen Elemente im Raum zu schweben: Mit frei stehenden, transluzenten Glasbausteinen und U-förmigen Glaskurven hat das Prager Architekturbüro Neuhäusl Hunal die Wohnräume des Bildhauers und Glasmachers Vladimír Bachorík gestaltet.
Einen gläsernen Arbeitsraum, aber bitte ohne Tür – das war die Vorgabe des Bildhauers und Glasmachers Vladimír Bachorík beim Umbau seiner Wohnung. Eine ungewöhnliche Aufgabe, die die Architekt*innen als Experiment verstanden. Und als ein Projekt mit wertvollem Potenzial, das ganz neue Lösungen zum Vorschein bringen und die Möglichkeiten einer Fertighauswohnung maximal ausschöpfen könnte. Der Versuch ist geglückt.
Gläserner Arbeitsraum
Bachorík arbeitet seit jeher in seiner Wohnung in einer Prager Wohnsiedlung und wollte nun alles anders haben – anders, aber passend zum Namen der Räume: Sculptor’s Apartment. Das Ziel war die Schaffung eines „gläsernen Arbeitsraums“. Für die Architekt*innen wiederum hieß das, mit einem offenen Grundriss zu arbeiten, in dem Grenzen und Funktionen verschwimmen. Der Raum sollte eine größtmögliche Freiheit und Großzügigkeit ausstrahlen – bei maximalem Lichteinfall. Die von den Architekt*innen verwendeten Glassteine und die gewölbten Halbschalen aus U-förmigem Profilglas schaffen die gewünschte Atmosphäre, lassen den Raum offen und fließend wirken und verweisen durch ihre Materialität gleichzeitig auf das Werk des Künstlers.
Modulierbarer Grundriss
Bestimmend für die Komposition des Grundrisses war die der Wohnung zugrunde liegende Infrastruktur. Die Lage des Wasser- und Abwasseranschlusses bestimmte letztendlich die Position eines fast geschlossenen, aber nur durch Glasbausteine abgetrennten Raums mit Dusche und Toilette. Aufgrund der Abwasserentsorgung ist dieser Raumteil auch etwas höher gesetzt. Die räumliche Relevanz des zentralen Bereichs wird dadurch zusätzlich unterstrichen. Drei weitere offene Glasbögen trennen die Garderobe, den Stauraum und den Arbeitsraum respektive die Küche ab. Die dazwischen liegende Fläche wird durch die Glaslinien bestimmt und bleibt dabei frei modulier- und interpretierbar.
Fließende Raumgestaltung
Bei der Gestaltung der Räume verfolgten die Architekt*innen zwei Prinzipien: die Schaffung eines Raums, der den Bedürfnissen seines Bewohners entspricht (in diesem Fall stand die künstlerische Arbeit im Vordergrund), und das Weglassen aller nicht notwendigen, nicht tragenden Elemente. Die einzige tragende Stahlbetonwand ist roh geblieben und wurde mit zwei Öffnungen versehen. Alle anderen Wände und auch die Decken sind weiß verputzt, um nicht in Konkurrenz mit den feinen Glasflächen zu stehen. Einzig die Wände in den Nassbereichen sind mit kleinformatigem, weißem Mosaik bedeckt. Das gilt auch für die funktional ausgestattete Küche, die Bachorík insbesondere für seine künstlerische Arbeit nutzt. Der durchlaufende Betonboden verbindet den Raum als zusammenhängende Fläche und wird nur durch die Mosaikelemente im Bad unterbrochen. Zur Zonierung setzten die Architekt*innen Leuchtkörper in unterschiedlichen Formen ein: Leuchtstäbe oder runde Strahler. So entstehen bei aller Offenheit Räume im Raum, die wie Seifenblasen getrennt voneinander schweben – und an manchen Stellen doch ineinanderfließen, um zusammen ein Ganzes zu formen.
FOTOGRAFIE Radek Úlehla Radek Úlehla
Projektname | Sculptor’s Apartment |
Typologie | Wohnatelier |
Entwurf | Neuhäusl Hunal |
Team | David Neuhäusl & Matěj Hunal |
Ort | Prag, Tschechien |
Fertigstellung | 2023 |
Bruttogeschossfläche | 74 Quadratmeter |
Nutzbare Fläche | 71 Quadratmeter |
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