Spiel, Spass und Stauraum
Vom Boden verschluckt: In diesem Einfamilienhaus übernimmt die Gravitation das Aufräumen.

Es ist der Traum aller Eltern: ein Haus, das sich von selbst aufräumt! Nie mehr abendliche Putzpartien, Rückenschmerzen und Nervenzusammenbrüche. Bei diesem Umbau in Melbourne ist der Wunsch nun fast Realität geworden, ganz ohne tanzende Besen. Die Architekten vom Büro Austin Maynard machten sich die Gravitation zum Verbündeten und deuteten den Boden zum überdimensionalen Schrank um.
Die Bauherrin arbeitet in einer gehobenen Position und hat gleichzeitig eine kleine Familie samt Neugeborenem zu managen. Ihr Auftrag an die Architekten: Das zukünftige Zuhause sollte ihr den Alltag so angenehm wie möglich machen. Als Grundlage für das neue Eigenheim diente ein für Melbourne typisches eingeschossiges Terrassenhaus.
Schöner Strahlenschutz
Das alte Haus ist immer noch da, nur versteckt es sich nun hinter einer perforierten, weißen Metallhaut. Die Rückfassade ist die nach außen hin sichtbarste Maßnahme von Austin Maynard Architects, die den Bewohnern das Leben erleichtern soll. Sie filtert das Sonnenlicht und schafft einen vor der starken Strahlung geschützten Außenbereich. Gleichzeitig müssen die Räume dank der Verschattung weniger künstlich gekühlt werden, die weiße Oberfläche der metallenen Hülle funktioniert wie ein Hitzeschild. Die Planer nutzten die Umbaumaßnahmen, um dem Gebäude ein weiteres Geschoss hinzuzufügen, in dem sich die Schlaf- und ein Badezimmer befinden. Im alten Teil, dem Erdgeschoss, gehen Küche, Ess- und Wohnraum sowie ein Arbeitszimmer fast nahtlos ineinander über: Auf Flure verzichteten die Architekten aus Platzgründen vollständig.
Alt- und Anbau gruppieren sich um einen kleinen Innenhof, an den sämtliche Räume des Erdgeschosses anschließen: das Arbeitszimmer, die Küche und der Wohnbereich. Durch den Verzicht auf Trennwände und den geschickten Einsatz von Materialien scheint alles im Fluss zu sein – und das ist es auch. So werden Licht und Luft durch bodentiefe Fenster gezielt in und durch das Gebäude geleitet. Gleiches gilt für Wärme: Die Architekten zogen einen Belag aus Ziegelsteinen von der Terrasse hinein in das Haus. Das Material gilt als hervorragender Wärmespeicher und funktioniert in dieser Konstellation wie eine natürliche Bodenheizung.
Mit doppeltem Boden
Doch das eigentliche Wunder, zumindest aus Eltern-Perspektive, vollzieht sich im Wohnraum des Mills House, genauer gesagt auf dessen Boden. Austin Maynard fügten eine zweite, 45 Zentimeter hohe Ebene aus aufklappbaren Holzboxen ein, die sich als intelligente Stau- und Spiellandschaft entpuppt. „Im Mills House haben wir die Gravitation zum Verbündeten der Mutter gemacht, indem wir den Boden die gesamte Unordnung einfach schlucken lassen“, erklären die Planer. „Statt Spielsachen aufheben zu müssen, haben wir den Untergrund zu einem riesigen Behälter für Lego, Puppen und Klötzchen gemacht.“
Eine magische Zahl
Die durchschnittliche Sitzhöhe beträgt 45 Zentimeter, und genauso hoch ist auch der doppelte Boden, der nicht nur Spielfläche und Stauraum ist, sondern auch als komfortable Sitzlandschaft funktioniert. Verdoppelt man die Zahl, kommt man auf 90 Zentimeter: die ungefähre Höhe einer Küchenarbeitsplatte. Im Mills House wird aus dem Tresen, der sich am Rand und 45 Zentimeter über dem aufgedoppelten Boden befindet, eine weitere Sitzfläche, die die Architekten unter einer Klappe versteckten: der ideale Platz zum Töpfe gucken für die Kinder des Hauses. Doch das Spiel mit der Zahl geht weiter: Der innenliegende Garten liegt ebenfalls 45 Zentimeter unterhalb der Küchenoberfläche. Damit bleiben die Kräuter, die von der Familie in ihrem kleinen Hof und Lichtschacht anpflanzt werden, in greifbarer Nähe und können direkt aus dem Erdreich auf das Schneidebrett gehoben werden. Mit dem Mills House hat das Architekturbüro Austin Maynard den Bauherren-Auftrag nicht nur sehr ernst, sondern vor allem mit einer großen Menge Leichtigkeit und Spaß genommen. Ein Glücksfall für die Bewohner!
FOTOGRAFIE Peter Bennetts
Peter Bennetts
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