Treppenhaus am Trampelpfad
Der Weg ist das Ziel: ein Wohnhaus in Thailand als verflochtenes Raum-Zeit-Kontinuum.

Wenn sich das Innere und Äußere eines Hauses verschränken, die Stringenz von Architektur und das Zufallsmoment des Alltags ein Bündnis schließen, kann das einen rein gestalterischen Hintergrund haben. Oder es wird, wie bei einem Wohnhaus im thailändischen Chaing Mai, zu einem stadtbaupolitischen und sozialen Statement.
Das Grundstück stand mehrere Jahre unbebaut und leer. Aufgrund seiner Lage zwischen zwei Straßen hatte es sich zu einer beliebten Abkürzung für die Anwohner entwickelt. Davon zeugte schon nach kurzer Zeit ein Trampelpfad, der sich im ausgetretenen Boden abzeichnet und von wild wachsendem Gestrüpp seine äußere Markierung erfahren hat. Als sich die Besitzer entschließen, das Grundstück zu bebauen, war ihnen dabei bewusst, dass der inoffizielle Weg erhalten bleiben muss.
Diffuses Gebilde
Heute ist es beinahe so, als hätte sich nichts verändert. Immer noch wachsen Gräser und Pflanzen ungeordnet aus dem sandigen Boden und auch der Trampelpfad verläuft weiterhin auf seiner angestammten, leicht gekrümmten Route über das Grundstück. Einzig ein undefinierbares Objekt aus Beton und Mauersteinen legt sich nun quer über das Feld, nicht aber, ohne dem schmalen Weg Durchschlupf zu gewähren. Kaum etwas lässt erahnen, was sich hinter der grauen Wand verbirgt, zu diffus ist das Gebilde. Nur ein schmaler Fensterschlitz deutet an, dass es tatsächlich eine Nutzung beherbergen könnte.
Treffpunkt Treppe
Auch die tunnelartige Umbauung des Pfades gibt nur wenig preis: Auf der einen Seite ein kleiner Garten hinter Gittern, auf der anderen Seite eine sich wegkrümmende Betonwand, die im Nirgendwo verschwindet. Erst wenn man den Durchgang verlässt und der steinernen Kurve folgt, gelangt man an die versteckt liegende Eingangstür. Wer sie durchschreitet, landet zunächst wieder auf einer Fläche Sand mit wildem Grasbewuchs. Allerdings ist da noch mehr: Das steinerne Gebilde nimmt endlich eine Form an und gibt durch große Fensterfronten Einblick in das Innere eines Wohnhauses.
Vom Natur- zum Architekturpfad: Noch im Hof beginnt ein zweiter, diesmal privater Weg, der das gesamte Gebäude durchwandert und in einer Freitreppe mündet, die gleichzeitig Dach, Treff- und Aussichtspunkt ist. Die Passage durch das Haus, das vom thailändischen Architekten Sarong Othavorn entworfen wurde, erschließt sämtliche Wohnebenen, die wiederum über große Glaswände inszenierte Ein- und Ausblicke in weitere Bereiche des Neubaus preisgeben. Es ist eine verflochtene und brutal offene Raumstruktur, die genauso zufällige Begegnungen und Kollisionen erzeugt, wie die über Jahre gewachsene, improvisierte Passage über das Grundstück: ein perfekt geplantes Imitat der städtischen Wahrnehmung.
FOTOGRAFIE Filippo Poli
Filippo Poli
Guzzi House
Neubau / Wohnfläche: 250 Quadratmeter / Grundstücksgröße: 600 Quadratmeter / Projektbeteiligte: Narong Othavorn und Thinnapong Yodhong / Chaing Mai, Thailand
Mehr Projekte
California Cool
Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit
Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort
Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu
Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte
Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Aus dem Schlaf erwacht
Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Archäologie in Beton
Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit
Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil
