Viel Loos in Sundsvall
Klinker im Kreuzverband: Das Wohnhaus aus dunklen, dänischen Ziegeln folgt einer hundert Jahre alten Grundrisslehre.
Dass die Form der Funktion folgt, hört sich gut an – gehört jedoch einer vergangenen Epoche an. Der Wertekanon der zeitgenössischen Architektur hat sich geändert: Längst folgt die Form einem Effizienz- oder Marketinggedanken. Ein Wohnhaus im schwedischen Sundsvall probt nun die stille Revolution und greift dabei auf dänischen Klinker und eine hundert Jahre alte Planungsidee von Adolf Loos zurück.
1888 löschte ein Brand die vor allem aus Holzhäusern bestehende schwedische Kleinstadt Sundsvall nahezu vollständig aus: Seitdem werden in dem Ort fast ausschließlich Steinhäuser gebaut – ein weiteres fügte das Stockholmer Architekturbüro Hermansson Hiller Lundberg jetzt dem Stadtbild hinzu.
Unscheinbar von außen
Die an der Straßenseite gelegene Front wirkt auf den ersten Blick unspektakulär: Ein dunkles Garagentor drängt sich in den Vordergrund, von einer Eingangstür ist nichts zu sehen. Erst ein Blick um die Ecke des vollständig in dunkle Ziegel gehüllten Hauses macht neugierig auf mehr: Von hier aus fällt das Gelände leicht ab und das Gebäude weitet sich zur Seite und nach unten in Richtung eines Gartens auf. An dieser Stelle finden sich auch das Entree und der einzige Fassadenbereich, der in Holz gekleidet ist. Betritt man das Haus, eröffnet sich unmittelbar die komplexe innere Struktur des Neubaus. Von einer Diele aus führen Treppen auf zwei unterschiedliche Ebenen, die jeweils ein Halbgeschoss unter-, beziehungsweise oberhalb des Eingangsniveaus liegen.
Komplex von innen
Das Gebäude teilten die Architekten Andreas Hermansson, Andreas Hiller und Samuel Lundberg in zwei Volumen mit unterschiedlichen Proportionen, die sich im Inneren über die Raumorganisation miteinander verschränken. Das Spiel mit höhenversetzten Ebenen, die wie ein Schneckenhaus horizontale und vertikale Ebenen miteinander verschmelzen lassen, folgt dem leichten Anstieg des Geländes und der Nutzungsstrategie der Planer, die den Wohnbereich auf Gartenniveau und das Schlafzimmer der Bauherren als oberstes Geschoss platzierten. Jeder Raum hat seine eigenen Abmessungen und wurde in einem individuell zugeordneten Farbton gestrichen. Eine weiße Wandverkleidung rahmt die kolorierten Flächen und betont die unterschiedliche Proportionierung der Zimmer.
Die Organisation des Hauses ist eine Referenz der schwedischen Planer an die Raumplan-Lehre des österreichischen Architekten Adolf Loos, der mit seinen komplexen, dreidimensionalen Raumstrukturen vor hundert Jahren die Grundrissplanung nachhaltig veränderte. Seine Bauten entwickelte er von innen nach außen – die Form folgte tatsächlich der Funktion und damit dem Nutzerverhalten. Hermansson Hiller Lundberg haben in Sundsvall eine spannende Hommage an die Loos’sche Idee geschaffen, die deren Aktualität unter Beweis stellt. Auch die zurückhaltende, im Detail perfekt geplante Fassade aus dänischen Ziegeln mit ihrer reduziert-klassischen Wirkung unterstreicht die außergewöhnliche Herangehensweise der Architekten, die Form nicht über die Funktion stellen zu wollen.
FOTOGRAFIE Mikael Olsson
Mikael Olsson
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