Viel Weiss im Haus Roth
Ein sensibel renoviertes Bauernhaus von Hafner Bau
Viel Raum ist zugleich Fluch und Segen, vor allem wenn es um eine Modernisierung des Bestandes geht. Im Allgäuer Dörfchen Görisried hat Hafner Bau kürzlich ein bäuerliches Hofensemble in ein großzügiges und lichtdurchflutetes Wohnhaus verwandelt, das den Bestand mit seinen knarrenden Balken und verwitterten Ziegelmauern in die neue Zeit mitnimmt.
Das kleine Dörfchen Görisried ist Bilderbuchmaterial für Landliebhaber*innen. Die 1.335 Einwohner*innen wissen das – und blicken mit Stolz auf ihre Heimat. Das ist etwa dann zu spüren, wenn sie die Lage ihres Ortes potenziellen Besucher*innen beschreiben: „Die traumhafte Allgäuer Alpenkulisse vor Augen, eingebettet in eine saubere Wald- und Moorseenlandschaft, nahe den Sehenswürdigkeiten und doch ruhig“, so steht es auf der Webseite der Gemeinde. Mit den „nahegelegenen Attraktionen“ ist in urbaner Hinsicht vielleicht das wenige Kilometer westlich liegende Kempten gemeint, ansonsten gibt es in und um Görisried vor allem die Qualitäten der Natur zu finden – und jede Menge Tradition. Typisch für die Region sind die großen Allgäuer Höfe mit Stall, Scheune und Mehrgenerationenhaus, die heute oft als Ferienhöfe umgenutzt werden. Auch das Haus Roth wird nicht mehr bewirtschaftet und stand lange leer. Nun hat sich der historischen Struktur ein privater Bauherr in Zusammenarbeit mit einem lokalen Architektur- und Bauunternehmen angenommen. Sie haben das alte Gehöft entkernt, modernisiert und den charakteristischen Bauelementen viel Raum gegeben, um jetzt in einer großzügigen Wohnlandschaft als atmosphärisches Skelett zu wirken.
Viel Raum zum Leben
Die größte Gefahr für alte Höfe ist ihr Leerstand. Wenn der Verfall zu weit fortschreitet, bleibt nur noch der Abriss. Aber für viele Interessent*innen ist allein die Größe eines bäuerlichen Ensembles eine kaum bewältigbare Herausforderung. Das Haus Roth besteht aus einer großen Scheune, die an das Wohnhaus angrenzt, sowie einem kleinen und einem großen Lagerhaus. Die Lage aber, südlich des Dorfkerns und über 100 Meter vom nächsten Nachbarn entfernt, ist eine seltene Qualität. „Umbauten und Sanierungen haben ihre eigenen Gesetze. Man muss mit den Gegebenheiten dealen. Wir verstehen dies allerdings nicht als Zwang, sondern vielmehr als Chance“, erläutern die Architekten Gerd Riedmiller und Markus Hafner von Hafner Bau. In Absprache mit dem Bauherrn hat man sich beim Haus Roth entschieden, die Scheune als Wohnfläche einzugliedern. Gemeinschaftsräume wie Küche, Stube, Teeküche und Vorratskammer liegen im Haupthaus. In den alten Schober wurden drei gleich große Schlafräume sowie ein Badezimmer und ein langer Verbindungsflur eingebaut.
Hommage ans Allgäu
Das Besondere am Haus Roth ist der Umgang mit dem Bestand. Ganz bewusst wurden alte Ziegelmauern, die von der Zeit gezeichneten Balken oder die glaslosen Fensterluken erhalten. Sie stehen im Kontrast zu den neu eingezogenen Wänden und verputzten Flächen, die mit hoher handwerklicher Qualität ausgeführt wurden, aber auf maximale Schnörkellosigkeit setzen. Dadurch werden sie zum Rahmen für die Zeugnisse der Geschichte, die sich in Kerben und Rissen, Macken und Flecken zeigen. Sogar ein paar rostige Installationen, wie Haken, Schrauben und Ketten, zieren noch die Wände. „Der Bestand ist eine inspirierende Plattform für Neues, für Kreatives, für Spannendes“, erklären die beiden Architekten. Bei der Umsetzung der Modernisierung haben sie auf die Unterstützung lokaler Handwerker*innen gesetzt, die mit den Bautraditionen des Allgäus vertraut sind. Mit ihrer Hilfe, solider Bauweise und nachhaltigen Materialien schaffte das Team von Hafner Bau im Einklang von Geschichte und Gegenwart ein Modell für die Umnutzung eines Bauernhauses einen ersten Schritt in die Zukunft.
FOTOGRAFIE Célia Uhalde
Célia Uhalde
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