Projekte

Wüsten-Moderne

The Landing House im Joshua Tree Nationalpark

In der zerklüfteten Naturlandschaft der Mojave-Wüste haben die Gründer des Modelabels Industry of All Nations ein Refugium aus Holz errichtet. „The Landing House“, so der Name der Ferienunterkunft, geht auf Tuchfühlung mit der Natur. Ein Hauch James Bond wird mit griechischer Antike verbunden.

von Norman Kietzmann, 02.05.2024

In Kalifornien hat die Moderne die Wüste erreicht. Architekten wie Richard Neutra, John Lautner, Donald Wexler oder William F. Cody schufen in Palm Springs ikonische Wohnhäuser, die Innen- und Außenbereiche nahtlos überblenden lassen. Wie eine Hommage daran aus heutiger Perspektive gelingen kann, ist nur wenige Kilometer weiter östlich am Rande des Joshua Tree Nationalparks zu sehen. The Landing House ist eine Liebeserklärung an die Fünfzigerjahre-Moderne, mit der sich drei Brüder einen lang gehegten Wunsch erfüllt haben.

Liaison mit der Natur
Der Holzbau steht allein in der Mojave-Wüste mit ihren zerklüfteten Gesteinsformationen und ihrer kargen Vegetation, die wie die Szenerie eines fremden Planeten anmuten. „Die Landschaft ist rau und einzigartig. Darum konzentrierten wir uns bei unserem Entwurf darauf, die umliegende Vegetation und die natürliche Beschaffenheit des Geländes so wenig wie möglich zu stören“, erklärt Fernando Gerscovich. Zusammen mit seinen Brüdern Juan Diego und Patricio hat er das Ferienhaus in der Wüste entworfen: eine Premiere für alle drei. Denn eigentlich beschäftigen sie sich beruflich mit etwas ganz anderem.

Von der Mode zum Bauen
Fernando und Juan Diego haben in ihrer Geburtsstadt Buenos Aires Architektur studiert. Patricio Gerscovich hat dort ein Wirtschaftsstudium absolviert. 2010 sind die drei in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten, die in der argentinischen Hauptstadt in der Mode tätig waren. Zusammen gründeten die Brüder schließlich die Modemarke Industry of All Nations (IOAN) in Los Angeles, die handgestrickte Alpaka-Pullover aus Bolivien, Espadrilles aus Argentinien und natürlich gefärbte Basics aus Indien vertreibt. Nach dem Fair-Trade-Prinzip werden Bäuer*innen, Handwerker*innen und Händler*innen für ihre Rolle in der Lieferkette angemessen entlohnt. Nun wollen Fernando, Juan Diego und Patricio Gerscovich die Idee des bewussten Konsums von der Mode in den Tourismus übersetzen – und haben dafür kollektiv ein Haus entworfen.

Entree der Bäume
Den Anstoß gab 2019 ein Ausflug in den Joshua Tree Nationalpark. Die Brüder waren von der Landschaft und ihren wandelnden Lichtstimmungen sehr beeindruckt. Also fassten sie den Entschluss, ein fünf Hektar großes Grundstück zu erwerben, um dort ihre Vorstellung eines Rückzugsorts inmitten unberührter Wüstenlandschaft zu verwirklichen. Eine 400 Meter lange Privatstraße schlängelt sich nun durch das von Joshua-Bäumen gesäumte Gelände. Am The Landing House der drei Brüder werden die Gäste von einer neu gepflanzten Yucca-Palme willkommen geheißen.

Versteckspiel an der Pforte
Das Haus präsentiert sich zu seiner Rückseite wie ein Monolith, der ganz mit vertikal platzierten Brettern aus Zedernholz verkleidet ist. Mit einer relativ niedrigen Höhe von 2,74 Metern soll die Präsenz in der Landschaft möglichst gering gehalten werden. Die Yucca-Palme wird teils von einem Sockel aus Beton umschlossen, der die versteckte Haustür markiert, die sich allein durch eine sichtbare Klinke von der übrigen Holzwand abhebt. Nach dem Durchschreiten der Pforte finden sich die Gäste in einem kleinen Hof wieder, der den zweigeteilten Baukörper als Windfang miteinander verbindet. Die Rückseite ist offen, sodass die Blicke hinaus in die Mojave-Wüste wandern können und die Wege nahtlos in die Terrasse übergehen.

Ungehinderte Aussicht
Der kleinere Gebäudeteil nimmt ein Schlaf- und ein Badezimmer auf. Im größeren Hausteil sind Wohn- und Essbereich, Homeoffice-Ecke, Badezimmer sowie eine weitere Schlafsuite platziert. Vom Boden bis zur Decke reichende Glasschiebetüren ermöglichen eine ungehinderte Aussicht auf die unberührte Natur. Ein rundes Fenster im Schlafzimmer des größeren Gebäudeteils durchbricht die rechtwinklige Abfolge aus transparentem Glas und Holzwänden. „Die Unterteilung des Bauvolumens ist eine subtile Methode, die Menschen zu ermutigen, nach draußen in die Natur zu gehen, während sie sich eigentlich durch das Haus bewegen“, sagt Fernando Gerscovich.

Materieller Dreiklang
Auch die Innenwände sind mit Zedernholz verkleidet: Sie besitzen eine warme Materialität, die sich von den hellgrauen, leicht polierten Betonböden abhebt. Die eigens für diesen Ort entworfenen Möbel sind aus Weißeiche gefertigt, deren helle Tonalität ein skandinavisches Feeling einbringt. „Wir haben sehr einfache, wartungsarme Materialien gewählt. Das Haus sieht noch neu aus, aber wir gehen davon aus, dass es im Laufe der Zeit auf natürliche Weise verwittert und vergraut“, ist Juan Diego Gerscovich überzeugt.

Fels und Beton
Von allen Bereichen des Hauses blickt man hinaus auf die Terrasse. Diese dockt als schmale Betonplattform senkrecht an den länglichen Baukörper an. Dabei wirkt sie wie eine Verlängerung des kleinen Hofs, den die Gäste beim Passieren der Haustür betreten. In die Betonfläche sind mehrere große Gesteinsbrocken eingearbeitet, womit Reminiszenzen an die Kulissen früher James-Bond-Filme eingeflochten wurden. Der äußere Abschluss der Terrasse ist als Halbkreis ausgeführt. Genau dort haben die drei Brüder ein kreisrundes Wasserbecken platziert. Etwas abseits wurde eine runde Plattform angelegt, die wie die Bühne eines griechischen Amphitheaters wirkt.

Bühne aus Sand
Das Rondell ist mit oxidiertem, massivem Stahl umrahmt und mit verdichtetem Wüstenboden gefüllt, um es in die natürliche Landschaft zu integrieren. Dieser Ort ist vom Hof nicht einsehbar und kann für Yogaübungen oder Zen-Momente vor dem Hintergrund natürlicher Felsformationen genutzt werden. Ein weiteres, mit Zedernholz verkleidetes Gebäudevolumen dient als Carport mit Solarzellendach. Direkt daneben wurde eine Feuerstelle von Hand in einen an Ort und Stelle belassenen Felsblock gehauen. Die Botschaft ist klar: Es geht den drei Brüdern um eine Koexistenz mit der Natur. Die Großmeister der Fünfzigerjahre-Moderne wären sicher stolz darauf.

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Projektinfos
Projektname The Landing House
Entwurf Industry of All Nations
Projektteam Fernando Gerscovich & Juan Diego Gerscovich
Bauunternehmer Mano a Mano
Ort Joshua Tree National Park, Kalifornien, USA
Größe: 79 Quadratmeter
Fertigstellung:  2023
Hersteller Louis Poulsen, Fleetwood, Real Cedar, Trizo 21
Links

Entwurf

Industry of All Nations

industryofallnations.com

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