Zimmer mit Anschluss
Das Architektenduo Naruse Inokuma aus Tokio hat ein Gemeinschaftshaus entworfen, in dem einander Unbekannte individuell zusammenleben sollen.

Eine Wohnung zu mieten, ist in Japan ein teures Vergnügen – vor allem in den Großstädten und ihren Speckgürteln. Kein Wunder also, dass sich alternative Wohnformen etablieren. Besonders im Trend: die sogenannten Share Houses, in denen sich vollkommen Unbekannte Badezimmer, Küche und Wohnraum teilen. Mit ihrem Projekt LT Josai haben die Architekten von Naruse Inokuma nun ein Haus entworfen, das ganz auf die speziellen Ansprüche des geteilten Wohnens zugeschnitten ist.
„Was ein Share House von einem großen Einfamilienhaus unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Bewohner keine Familienmitglieder sind, sondern Fremde“, erklären Yun Inokuma und Yuri Naruse. „Deshalb bedarf es einer besonderen räumlichen Organisation, um die gemeinsame Wohnraumnutzung möglichst natürlich und reibungslos funktionieren zu lassen .“
Gemeinschaft und Individuum
Zunächst legten die Architekten die Anzahl und Verteilung der Schlafräume fest, um die gemeinschaftlich genutzte Fläche rundherum zu planen. Auf drei Etagen befinden sich insgesamt 13 Einzelzimmer mit jeweils 12 Quadratmetern, davon fünf im Erdgeschoss, drei im ersten Stock und fünf im Obergeschoss mit zwei angrenzenden Dachterrassen. Der Kernbereich des kubischen 307 Quadratmeter großen Gebäudes ist offen gestaltet, hölzerne Treppen und weiße Galerien verbinden die verschiedenen Zonen. Warme Dielenböden sowie moderne Möbel mit gekonnt gesetzten Farbakzenten sorgen für eine wohnliche Atmosphäre. Die weißen Wände und Decken reflektieren das Tageslicht, das durch die großen Fenster und Lichtbänder einfällt. „Während die atriumgleiche Eingangshalle mit Essbereich und großem Esstisch perfekt geeignet ist für große Versammlungen verschiedener Personen, bieten das Wohnzimmer sowie die Flächen am Fenster Raum, um Zeit alleine zu verbringen“, so die Architekten. „Die Küchentheke ist angemessen für Kommunikation im kleineren Rahmen. Der Teppichbereich im ersten Stock ist der entspannteste Ort von allen.“
Obwohl sämtliche Einzelzimmer in Schnitt und Größe völlig identisch sind, gewinnen sie je nach Lage einen individuellen Charakter. So steht den Bewohnern des Erdgeschosses zwar die größte Fläche direkt zur Verfügung, die Mieter der ersten und zweiten Etage profitieren jedoch von den kleineren und intimeren Gemeinschaftsplätzen. Und das Überraschendste: Dank der durchdachten Planung entsteht trotz der großen Anzahl kleiner Einzelräume kein Gefühl von Enge. Im Gegenteil. Das Haus wirkt ebenso weitläufig wie hell und bietet auch außerhalb der eigenen vier Wände für alle genug Rückzugsorte.
Lösung mit Zukunft?
Ein rundum gelungenes Beispiel also. Aber auch eine echte Alternative zum traditionellen Einzelwohnen? Oder eher eine Notlösung für junge Singles in prekärer Finanzlage? Für Naruse und Inokuma fällt die Antwort angesichts immer knapper werdenden Wohnraums eindeutig positiv aus: „Teilt man in diesem Haus die Grundfläche durch die Anzahl der Bewohner, kommt man auf geräumige 23 Quadratmeter pro Person. Dieses Share House ist demnach so effizient und wertvoll, dass die zahllosen Ein-Raum-Apartments in der Welt im Vergleich wenig Sinn zu machen scheinen.“
FOTOGRAFIE Masao Nishikawa
Masao Nishikawa
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