Best-of Tableware 2022
Service, Gläser, Küchenutensilien, Vasen & Accessoires
Wir bleiben zu Hause. Wenig überraschend also, dass die Küche boomt. Und mit ihr das Kochen und Werkeln mit praktischen Utensilien und einem schön gedeckten Tisch. Provokante Teetassen, vergoldete Champagnerbecher und Hygge-Seligkeit – wir stellen die spannendsten Neuheiten vor. Plus: eine Bilderstrecke mit 47 Fotos.
Normalerweise würden wir in dieser Woche auf der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt sein. Durch die Hallen wandernd, vorbei an gut gefüllten Regalen, im Gespräch mit Designer*innen und Branchenkenner*innen, die aufwendigen Präsentationen betrachtend und auf der Suche nach Neuheiten aus dem Bereich Tableware. Normalerweise. Doch seit März 2020 ist nichts mehr normal und das Messegeschehen schon gar nicht.
Ambiente im Jammertal
Zum zweiten Mal wurde die Ambiente, immerhin eine der weltweit wichtigsten Konsumgütermessen, abgesagt. „Da die trendorientierten Orderzyklen der internationalen Konsumgüterbranche eine jährliche Veranstaltung zu Anfang des Jahres erfordern, würde eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte den Bedürfnissen der ausstellenden Unternehmen und Besucher nicht gerecht werden“, so Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Und ob die von Januar in den März verschobene Maison & Objet, die mit einem ähnlichen Sortiment aufwartet, wirklich stattfindet – wer weiß das schon? Das sollte allerdings nicht davon ablenken, dass die Branche und ihre bisherigen Messe- und Verkaufsmodelle schon seit einigen Jahren im Umbruch sind. Villeroy & Boch und auch Rosenthal hatten beispielsweise gar nicht erst geplant, an der nun abgesagten Ambiente teilzunehmen. Ein herber Verlust, wenn man bedenkt, dass beide Unternehmen in den vergangenen Jahren große Hallenflächen auf dem Frankfurter Messegelände belegten – mit aufwendigen Standpräsentationen und besonders vielen Produktneuheiten.
Keine Messen, aber gute Umsätze
Dabei geht es der Branche weitgehend gut, die Pandemie hat einigen Herstellern sogar einen Aufschwung beschert – natürlich nicht durch Verkäufe im stationären Handel, sondern durch eigene E-Shops und externe Online-Anbieter. Gerade hat Villeroy & Boch seine vorläufigen Geschäftszahlen für 2021 bekanntgegeben. Der Konzern-Nettoumsatz inklusive Lizenzerlöse – wozu neben Dining & Lifestyle auch die Bereiche Bad und Wellness, Fliesen, Küche und Living gehören –, konnte um 18 Prozent auf 948 Millionen Euro gesteigert werden. „Diese außerordentlich positive Geschäftsentwicklung zeigt sich nicht nur gegenüber dem Vorjahr, sondern auch im Vergleich mit dem von der Pandemie unbeeinflussten Geschäftsjahr 2019“, so der Konzern. Die Stimmung in der Branche ist größtenteils positiv, denn die Pandemie hat die Themen Küche und Kochen beflügelt. Und dazu gehören nun mal ein schön gedeckter Tisch mit Porzellan- und Glasstücken sowie praktische Utensilien wie Messer, Pfeffermühlen und Kochtöpfe.
Massenkompatibler Schweden-Look
Nicht wegzudenken – auch nach Jahren nicht – ist der Scandi-Look, der im Tableware-Bereich einhergeht mit Natur- und Pastelltönen, aber vor allem mit einem Material: Steinzeug. Broste Copenhagen hat mit Nordic Bistro eine neue Form auf den Markt gebracht, die zeigt, warum der Hygge-Steinzeug-Style so erfolgreich ist: Eine unkomplizierte Form, die im wahrsten Sinne des Wortes nicht aneckt, trifft auf eine Farbgebung (Beige-Braun), die überall passt. Die Reduktion auf wenige Stücke und eine externe Massenproduktion halten den Preis niedrig – Voraussetzung, um sich gut zu verkaufen. Essteller, Schalen, Espressotassen und Henkelbecher, die vom französischen Designer Aurélien Barbry entworfen wurden, kosten zwischen 10,50 und 32 Euro pro Stück. Auch die Steinzeug-Serie Clay von Thomas setzt auf den rauen Handmade-Touch – mittels kleiner Eiseneinschlüsse, die beim Brennen aufschmelzen. Die Rückkehr des Steinzeugs auf den gedeckten Tisch hat allerdings auch dazu geführt, dass immer mehr Porzellanhersteller, die eigentlich in eigenen Fabriken in Deutschland produzieren, Produkte aus Asien zukaufen – um mithalten zu können mit den Brostes und Ferm Livings.
Im Muster- und Farbrausch
Während auch Thomas mit Cliff von Emma Bernal eine neue Form zeigt, scheuen viele Unternehmen solch technisch und finanziell aufwendige Produktentwicklungen. Sie setzen stattdessen auf Varianten bereits bestehender und möglichst erfolgreicher Produkte, beispielsweise in Form von Dekoren. Hier zeigt sich eine Gegenströmung zum Braun-Beige-Passt-Überall-Allerlei: das Schwelgen in opulenten Mustern und Farben. Sieger by Fürstenberg geht sogar noch einen Schritt weiter und verknüpft mit dem Dekor Beautiful Creatures seiner Champagnerbecherserie Sip of Gold Tiermotive wie Elefanten, Eisbären und Tiger mit abstrakten Mustern, während das Innere der Becher in 24-karätigem Gold gehalten ist.
Man möchte fast aufatmen, dass es noch Manufakturen wie Fürstenberg und Designer*innen wie Michael Sieger gibt, die sich nicht ablenken lassen von oft sehr kurzweiligen Trends, den immer gleichen Entwürfen und stattdessen der Opulenz frönen. Was zugegebenermaßen einfacher ist, wenn man ausschließlich für Hersteller aus dem Luxussegment arbeitet, die generell nicht so trendgetrieben sind. Für einen echten Aufreger jedoch dürfte Seletti sorgen und hat vielleicht genau deshalb eine provokante Neuheit im Gepäck: ein Teeservice aus Porzellan, das sich passenderweise Guiltless nennt und in Zusammenarbeit mit der italienischen Fotografin Tarin entstanden ist. Das Motiv auf dem Boden der Tasse kommt erst zum Vorschein, wenn man den Tee ausgetrunken hat: mehr oder weniger verdeckte Pobacken, üppige Dekolletés und verführerische Spitzenunterwäsche. Aufgeregte Me-too-Instagram-Aufschreie sind einkalkuliert.