Best-of Tableware 2024
Neuheiten für die Küche und den gedeckten Tisch
Gestalterisch ambitionierte Neuheiten im Bereich Tabletop muss man inzwischen fast mit der Lupe suchen – der Mainstream beherrscht die Szene, gerade auf den großen Messen. Stattdessen setzen fast immer Manufakturen und Nischenhersteller die Trends. Wir haben einige schöne Dinge für die Küche und den gedeckten Tisch aufgetan: Keramikteller, für die Sam Baron Gute-Laune-Dekore entworfen hat, ein Porzellanservice von Christian Haas mit haptischen Qualitäten und eine Vase von Luca Nichetto, die das venezianische Glashandwerk feiert.
Die Wirtschaft schwächelt und macht auch vor der Tabletop-Branche keinen Halt: Restaurants kämpfen ums Überleben und private Konsument*innen halten das Geld zusammen. Dazu passt, dass auch das Messegeschäft seit einigen Jahren vor größeren Veränderungen steht, für die die passenden Antworten noch nicht gefunden wurden. Doch nach wie vor sind Veranstaltungen wie Maison & Objet und Ambiente ein gutes Barometer dafür, wohin die Reise geht in der Küche und auf dem gedeckten Tisch. Die Zeiten aber, in denen große Unternehmen Experimente wagten und gestalterische Maßstäbe setzten, scheinen endgültig vorbei. Inzwischen sind Manufakturen und Nischenhersteller die wahren Trendsetter im Tabletop-Markt. Ihre Gestaltungsideen für Formen, Farben und Dekore erreichen zeitverzögert den Massenmarkt – aufgrund des steigenden Kostendrucks und der ursprünglich handwerklichen Herstellungstechniken meist mit erheblichen qualitativen Abstrichen.
Klassik mit Aha-Effekt
Pastelltöne sind nach wie vor beliebt in den Bereichen Glas und Keramik, wie im Januar auf der Ambiente in Frankfurt bei Rosenthal zu sehen war. Der Porzellanhersteller aus Selb hat seine erfolgreiche, handwerklich anspruchsvolle und dementsprechend hochpreisige Vasenkollektion Sixty & Twelve um neue Pastelltöne ergänzt, darunter den Entwurf Hop von Sebastian Herkner um ein Atlantic Blue. Die Berliner Tableware-Spezialistin Wiebke Lehmann, die mit ihrem Unternehmen Tawl vor allem High-End-Hospitality-Projekte ausstattet, beobachtet schon länger eine Hinwendung zu klassischen Designs. Dazu gehören neben der Farbe Weiß in verschiedenen Abstufungen auch Oberflächen mit Reliefs. Wie beides zusammengeht, zeigen Manufakturen wie J.L Coquet und Bernardaud, die gestalterisch und handwerklich die Messlatte für das vorgeben, was später im Massenmarkt folgt.
Skulpturale Anmutung
Villeroy & Boch stellte in Frankfurt mit Afina ein Porzellanservice im Sixties-Look vor, das beides vereint: die Farbe Weiß und eine Oberfläche mit feinem Relief. Der deutsche Designer Christian Haas, von dem der Entwurf stammt, sorgt für einen gewissen Aha-Moment, denn der erhöhte Rand schafft eine spannende Silhouette. Zusätzlich lässt ein geschickt positionierter Sockel die Porzellanstücke schwebend und gleichzeitig plastisch erscheinen. Wegweisend für den klassischen Trend ist aber sicherlich Hering Berlin. Die High-End-Marke hat mit Domain Ende letzten Jahres nicht nur eine formschöne Glasserie mit filigranen Stilen lanciert, sondern auch die Tafelgeschirr-Kollektion Evolution um fünf neue Objekte ergänzt. Gefertigt aus weißem Biskuitporzellan, laden die reliefartigen Strukturen der Coupeteller, Schalen und Vorlegeteller dazu ein, Speisen kunstvoll zu arrangieren und die Porzellanoberflächen berühren zu wollen. „Mir ging es darum, Objekte mit skulpturaler Anmutung zu entwerfen“, sagt die Designerin und Firmengründerin Stefanie Hering.
Das Handwerk feiern
Keramische Entwürfe, die rau und natürlich wirken und denen man die handwerkliche Fertigung und Auseinandersetzung mit dem Material ansieht, haben nach wie vor ihren großen Auftritt. Genau wie im Porzellanbereich sind es auch hier kleinere Manufakturen und Handwerksbetriebe, die wortwörtlich den Ton angeben, beispielsweise Studio Mattes aus Belgien oder Johanne Issa Ceramics aus Beirut. In ihren Entwürfen, die oft in Beige-, Braun- und Pastelltönen gehalten sind, spiegelt sich die Hinwendung zur Natur und natürlichen Materialien wider, die durch die Pandemie befeuert wurde. Auf höchstem handwerklichen Niveau gefertigt ist auch eine Vasenkollektion, die Luca Nichetto für den kanadischen Designshop Mjölk mit einer Glasmanufaktur in Murano umgesetzt hat. Der italienische Designer hat mit Nassa ein Objekt in limitierter Auflage entworfen, das die venezianische Glaskunst feiert und mit einem kontemporären Twist versieht. Traditionelle Glasschneide- und Poliertechniken schaffen ein extravagantes Muster, das an runde Fenster erinnert. Dazu gesellt sich eine irisierende Oberfläche, die die unterschiedlichen Glasstärken und die skulpturale Anmutung betont.
Weltfluchten
Ein bestimmter Look bringt oft auch einen Gegen-Look hervor, den man in diesem Fall als durchaus exaltiert beschreiben könnte. Kurzweilige Dekore in knalligen Farben und aufregenden Mustern sprechen eine jüngere Zielgruppe an, sind manchmal nur für eine Saison gedacht und eignen sich als Einzelstücke gut zum Kombinieren mit schlichteren Objekten. Entworfen vom britischen Designer Sam Baron, ist beispielsweise Un Buon Ricordo von Bitossi Home eine Tellerserie, die gute Laune macht. Sie spielt mit Gegensätzen und kombiniert altmodische Formen und Motive wie den klassischen Goldrand mit italienischen Sujets wie dem Kolosseum, dem schiefen Turm von Pisa und italienischen Kurzsätzen, die an Postkartenmotive aus den Fünfzigern erinnern. Bella Italia, eine Reise über den Brenner, gutes Essen und Anklänge an die Zeit des Wirtschaftswunders – was könnte besser geeignet sein, um für einen kurzen Augenblick der Welt zu entfliehen?