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Best-of Tableware 2023

Neuheiten für den gedeckten Tisch & Branchentrends

Messen wie Ambiente und Maison & Objet finden zwar wieder statt, doch die Tableware-Branche tut sich schwer. Billigproduzenten weisen den Weg, während etablierte Hersteller in Bedrängnis geraten. Der Tisch ist in diesem Jahr gedeckt mit leuchtenden Centerpieces, Achtzigerjahre-Revivals und Dingen, die zwar handgefertigt aussehen, es aber nicht sind. Unser Ausblick mit 51 Fotos.

von Claudia Simone Hoff, 22.02.2023

Aus der deutschen Porzellanindustrie kommen zurzeit einige Hiobsbotschaften. Manch einem Hersteller droht ein Produktionsstopp, andere lagern ihre Fertigung verstärkt nach Asien aus oder geben gleich ganz auf. Als Gründe für die Misere werden fast immer die gestiegenen Energiepreise genannt, von denen die Porzellanhersteller besonders stark betroffen sind. Doch betrachtet man die Sortimente von einstmals erfolgreichen Unternehmen, muss man feststellen: Innovationen waren in den letzten Jahren eher selten, auch in gestalterischer Hinsicht. Die Konkurrenz ist heute größer als noch vor wenigen Jahren und vor allem ungleich schneller als die oft behäbigen Porzellanmanufakturen mit ihren eigenen, kostenintensiven Produktionsstätten. Lifestyle-Labels wie Serax, Ferm Living und Broste Copenhagen lassen extern produzieren und decken inzwischen das gesamte Themenspektrum des Wohnens ab, wozu selbstverständlich auch Teller, Tassen, Gläser und Küchenutensilien wie Aufbewahrungsbehälter, Käsehobel oder Siebe gehören – Ikea hat es vorgemacht. Umgekehrt haben in den letzten Jahren nicht wenige Tableware-Hersteller versucht, ihr Angebot in den Lifestyle-Bereich auszuweiten. Allerdings meist ohne großen Erfolg, man denke nur an die Porzellan-Manufaktur Meissen.


Made in Portugal
Vor allem die Porzellanhersteller wissen ihr technisches und handwerkliches Know-how nicht (mehr) in marktfähige Produkte umzusetzen, was angesichts ihrer Tradition und Geschichte geradezu eine Tragödie ist. Auf der Frankfurter Konsumgütermesse Ambiente war zu sehen, was einer der Gründe für den voranschreitenden Niedergang ist: Billigproduzenten, die insbesondere aus Portugal kommen, machen ihnen das Leben schwer. Sie können das bei Konsument*innen so beliebte Steinzeug-Geschirr kostengünstig produzieren, weil sie – gefördert mit EU-Geldern – neue technische Verfahren wie Digitaldruck einsetzen und Teller und Schalen mit Dekoren bedrucken. Dass Tassen, Kannen und andere komplexere Formen für dieses Verfahren nicht geeignet sind, scheint dabei wenig zu stören.

Technik schafft Trends
Trends im Tableware-Bereich werden also zunehmend von den technischen Möglichkeiten der Billigproduktion bestimmt. Dies gelingt auch, weil das Wissen um die Dinge und ihre Herstellung bei den meisten Konsument*innen abnimmt und es generell an Wertschätzung für das Handwerk fehlt. Coupe-Teller beispielsweise gibt es fast nur noch mit verformten und unregelmäßigen Rändern, die handgefertigt wirken, es aber nicht sind. Sie gaukeln dem Käufer*innen „handmade“ vor, sind aber zu 100 Prozent maschinell gefertigt, wobei wegen der unpräzisen Form außerdem weit weniger Ausschuss entsteht. Diese Produktionsweise funktioniert deshalb besonders gut, weil ein Trend aus dem Interiordesign seit Jahren ungebrochen ist und durch die Pandemie noch verstärkt wurde: die Sehnsucht nach dem Unvollkommenen, dem (vermeintlich) Authentischen und Handgefertigten – egal ob es sich um Tassen und Teller, Textilien oder Teppiche handelt.

„Inzwischen freue ich mich geradezu, wenn ich irgendwo noch präzise Formen sehe“, sagt Wiebke Lehmann. Die Berliner Keramikmeisterin und Spezialistin für Tableware entdeckte auf der Ambiente aber auch Hersteller, die mit technischen Innovationen auf sich aufmerksam machen. Grestel aus Portugal mit seinen Marken Costa Nova und Casa Fina präsentierte eine Tableware-Kollektion aus Recyclingmaterialien. Der Produzent ist mit seinen modernen technischen Anlagen außerdem in der Lage, hochgebranntes Steinzeug CO2-frei zu produzieren – mithilfe von Solar- und Wasserstoffenergie sowie Abwärmenutzung. Neben den portugiesischen Unternehmen, die qualitativ eher das untere Segment abdecken, gibt es natürlich auch solche, die präzise Formen produzieren. Dazu gehört beispielsweise Molde Ceramics mit den Teekannen der Kollektion Atlas Mate Natural.

Centerpieces für den Tisch
Neben dem „Handmade“-Trend, dem Labels wie Blomus mit dem japanisch inspirierten Geschirr Kumi und Revol mit der von Ferréol Babin entworfenen Serie Yli entsprechen, entdeckten wir die charaktervollen Keramiken der Japanerin Ricca Okana. Ebenso wie die Terrakotta-Kanne von Raawii, die als Souvenir aus Anlass der großen Vermeer-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum entstanden ist, eignen sie sich als dekorative und zugleich funktionale Centerpieces auf dem gedeckten Tisch. Auch die kabellosen Tischleuchten, die es mittlerweile bei vielen Herstellern gibt, machen dort eine gute Figur und bedienen zudem einen lukrativen Absatzmarkt, das Objektgeschäft mit Hotels und Restaurants. Der italienische Hersteller Driade überrascht mit einem multifunktionalen Objekt, das Art­di­rec­tor Fabio Novembre entworfen hat: Welcome schafft eine atmosphärische Beleuchtung und dient zugleich als Etagere für Leckereien. Auf eine klassische Tischleuchte setzt der Porzellanhersteller Dibbern und hat sich für den Entwurf Lumen mit Tobias Grau Design einen ausgewiesenen Lichtexperten ins Boot geholt. Die Leuchten in vier verschiedenen Formen kombinieren einen Körper aus hauchdünnem Fine Bone China mit einem Lampenschirm aus farbigem Glas.

Memphis-Revival & Geburtstagssause
Wie im Möbeldesign sehen wir nun auch im Tableware-Bereich Entwürfe, die an die Achtzigerjahre erinnern – zumindest was den Einsatz von exaltierten Farben und Mustern betrifft. So hat Zwiesel Glas mit Ink eine Serie von mundgeblasenen Wein- und Sektgläsern lanciert, die durch einen überraschenden Farbfaden im Stiel und eine andersfarbige Bodenplatte auffallen. Und während die Trinkglasserie Torino von Lyngby farbige Glashenkel mit einem transparenten Glaskörper kombiniert, führt Repa Reverter mit dem Vasenentwurf Sisters für Bosa Ceramiche die Memphis-Tradition mit wilden Farbkombinationen und Dekoren weiter. Gefeiert wird in diesem Jahr übrigens auch abseits von Farb- und Musterexplosionen: KPM wird 260 Jahre alt und ließ die Künstlerin Rona Kobel einen Klassiker neu interpretieren, die Vase Halle von Marguerite Friedlaender aus den frühen Dreißigern. Der Mettlacher Porzellanhersteller Villeroy & Boch ist sogar noch 15 Jahre älter als KPM und schwebt aus diesem Anlass ins Paradies. Er hat die legendäre Geschirrkugel La Boule von Helen von Boch aus den knalligen Siebzigern nämlich kurzerhand in den historischen Dekor Paradiso getaucht und als limitierte Edition herausgegeben.

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