Lehmanns lässiges Leben
Wir haben den Foodfotografen in seinem Atelier besucht, neugierig in seinen gesammelten Dingen gestöbert und mit ihm über Arbeit gesprochen.

In Jörg Lehmanns Studio türmen sich Teller, Platten, Schalen. Darauf angerichtet: kunstvolle Speisen. Lehmann ist Fotograf und liefert Bilder für Kochbücher. Wir haben den Weltenbummler in Berlin besucht, sind über Tatami-Matten gewandelt, haben neugierig in seinen gesammelten Dingen gestöbert und mit ihm über Arbeit gesprochen.
Eine ehemalige Fabrik in Friedrichshain, 3. Stock: Jörg Lehmann öffnet die Tür. Er ist in Eile, denn am nächsten Tag geht es zu einem Fotoshooting nach Graz. Sein Reich: ein großer Raum mit Holzfußboden, riesigen Fenstern und einer Kappendecke – ein Berliner Loft wie es im Buche steht.
Dinge sammeln
Das Atelier ist 170 Quadratmeter groß. Neben der technischen Ausrüstung des Fotografen ist hier auch eine komplett eingerichtete Küche untergebracht, die er selbst entworfen und ein Tischler gebaut hat: mit Schrankzeile und einer dekorativen Holzwand, an die Lehmann Souvenirs wie eine Kaviardose und Fotos gepinnt hat, während auf den Regalbrettern ein charmantes Sammelsurium von Zuckerdosen, Teekannen und Heiligenfiguren arrangiert ist. Am Küchenblock gegenüber hat schon manch illustrer Küchenchef gewerkelt, geschnitten und gebrutzelt. Zwei große Holztische – einer davon mit einer selbst entworfenen Leuchte aus Kochtöpfen – dienen dem Beisammensein. Besonders schön: Ein japanisches Zimmer mit stilechten Tatami-Matten, Futon und Holzschiebetür mit Washi-Papier (Shōji genannt) sorgt für Kontemplation nach der großen Sause und ist ein gern genutztes Gästezimmer.
„Ich bin Foodfotograf, weil ich gern esse“, gibt Lehmann schmunzelnd zu. Angefangen hat alles mit der Modefotografie. Als Lehmann dann vor über zwanzig Jahren nach Paris zog und immer tiefer in die französische Food- und Gastronomiebranche eintauchte, war er plötzlich der Mann in Paris und belieferte regelmäßig deutsche Magazine wie Der Feinschmecker, Essen und Trinken und Maxx mit seinen Fotoreportagen. Dabei hat er wohl fast jedem berühmten Koch über die Schulter geschaut, lauter köstliche und unmögliche Dinge probiert, fotografiert, ein immenses Wissen von den Dingen rund ums Essen angehäuft und Freundschaften geknüpft.
Jörg Lehmann ist immer in Bewegung. Und neugierig ist er auch. Deshalb hat er Paris vor vier Jahren verlassen, ist mit seiner japanischen Frau Lisa nach Berlin gezogen, hat das Atelier gefunden und gleich darüber eine Wohnung bezogen. „Wenn die Party am besten ist, dann soll man gehen“ sagt er und lacht. Der Ortswechsel hat ihm gut getan und auch beruflich neue Perspektiven eröffnet. Nun ist Lehmann als Foodfotograf vor allem für Kochbücher gut im Geschäft. Mehr als 56 Kochbücher hat er bereits fotografiert – über vegane Küche, Suppen und Eintöpfe, Messer, die Berlinale, für Sterneköche wie Tim Raue, Cornelia Poletto und Christian Lohse. Die schätzen ihn nicht nur für sein fotografisches Talent, seine Professionalität und Freude am guten Essen. Sondern auch für eine Requisite, die einmalig ist in Berlin, wenn nicht gar in Deutschland.
Geschichten erzählen
Jörg Lehmann ist ein passionierter Sammler. Bei seinen Reisen rund um die Welt hat er 3000 Teller, Schalen, Töpfe, Körbe, Brettchen, 2000 Bestecke und einen Medizinschrank voll mit Gläsern zusammengetragen – aufgestöbert auf Flohmärkten, in Vintage-Läden und auf Messen. In Japan, Korea, Frankreich und Deutschland. Aus Keramik, Porzellan, Kunststoff, Alu und Silber. Aus verschiedenen Epochen. Handgemacht und industriell produziert. All diese wunderbaren und teils frappanten Stücke stapeln sich in vier Meter hohen Regalen – geordnet nach Farben, Formen, Materialien und Funktionen. Sie dienen als Staffage für die Fotoproduktionen. An ihnen entlang hangeln sich die Geschichten, die später die Seiten der Kochbücher füllen. „Ich kaufe ständig neue Sachen, damit sich die Kochbücher nicht zu sehr gleichen“, erklärt er seine Sammelleidenschaft. Wenn Jörg Lehmann arbeitet, dann meistens zu zweit: der Foodstylist kocht und arrangiert, er fotografiert. Die Bildsprache eines Kochbuchs wird übrigens meist direkt vom Kunden festgelegt, für die Ausführung ist dann Lehmann zuständig. „Alles, was Bild und Ambiente angeht, das mache ich“, sagt er und fährt fort: „Der Küchenchef redet da meistens nicht mit, ihm geht es ums Essen, er ist zuständig für die Gerichte.“
Arbeiten gehen
Wie umfangreich solche Aufträge sein können, zeigt eine seiner letzten Arbeiten. „Ich habe ein Kochbuch über vegane Küche für die Verlagsgruppe teNeues gemacht: 500 Seiten, 800 Rezepte, 120 davon haben wir fotografiert – alles hier vor Ort.“ Wie sich das Arbeiten in Frankreich vom Arbeiten in Deutschland unterscheide, möchte ich wissen. „Paris ist ziemlich lässig und verspielt, nicht so ernst wie Deutschland, dabei aber ziemlich busy und seriös“, sagt Lehmann. „Dafür kann man sich in Deutschland auf jeden verlassen, und das alltägliche Prozedere ist viel einfacher. Und: Hier bekommt man immer sofort sein Geld. In Paris muss man reich sein, um überleben zu können.“ Man merkt: Er brennt für die Dinge, die er tut – sei es nun die Fotografie, sein kleines Hotel in Burma oder die VW-Käfer- und Fotosammlung, die er gerade zusammenträgt.
Es kann übrigens durchaus sein, dass Jörg Lehmann in ein paar Jahren weiterzieht, nach Tokio beispielsweise, der Heimat seiner Frau. „Heimat findet bei mir im Kopf statt – das kann Essen sein, Musik und besonders die Natur“, sagt er zum Abschied.
Mehr aus dem Designlines-Themenspecial Kunst der Arbeit lesen Sie hier.
FOTOGRAFIE Jörg Lehmann
Jörg Lehmann
Jörg Lehmann
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