Raus aus dem Möbeldepot
Mobile Einrichtungslösung aus alten Abfalleimern setzt auf Upcycling

Partner: Girsberger
Auf einem kürzlich eröffneten Innovations-Campus in Basel steckt die Innovation auch im Detail: In Zusammenarbeit mit dem auf nachhaltige Strategien spezialisierten Designer Björn Ischi hat Girsberger ein agiles Möbelduo entwickelt, das aus ausgedienten Metallabfalleimern gefertigt wurde.
Für marktwirtschaftlich und damit auf Absatz ausgerichtete Unternehmen sind nachhaltige Strategien, etwa durch den maximal reduzierten Einsatz von Energie und Ressourcen, heute durchaus noch eine Herausforderung. Der 1889 gegründete Möbelhersteller Girsberger scheut sich nicht vor den Revolutionen, die die heutige Zeit fordert. Das Unternehmen nutzt seine über mehr als 130 Jahre gewachsene Expertise im Rahmen des Geschäftsbereichs Remanufacturing, mit dem es sich unter anderem auf die Sanierung von gebrauchtem Mobiliar spezialisiert hat. In die Jahre gekommene Kirchenbänke, abgesessene Kaffeehausstühle oder eine abgewetzte Konzertbestuhlung – Girsberger schleift und ölt die alten Gestelle, polstert auf und lässt am Ende Geschichtsträchtiges wie neu aussehen. Mit dem Schweizer Designer Björn Ischi widmet sich Girsberger im Rahmen dieser Initiative auch dem Upcycling von Möbeln. Für ihren ursprünglichen Einsatzzweck obsolet gewordene Wertstoffe, Bauteile und ganze Produkte werden durch den Designer einer neuen Aufgabe in frischem Gewand zugeführt.
Ressourcen aus dem Lager
Was in der Pandemie mit dem Aufbereiten von alten Schreibtischen aus dem Fundus eines Auftraggebers zu Homeoffice-Möbeln begann, hat jetzt am Stadtrand von Basel eine fulminante Fortsetzung gefunden. Hier, in der kleinen Gemeinde Allschwil, hat das renommierte Architekturbüro Herzog & de Meuron einen 50.000 Quadratmeter großen und 2022 eröffneten Innovationspark geplant. Neben den fest ansässigen Unternehmen, Start-ups und einer Niederlassung der Universität Basel gibt es auch eine Rezeption und einen Co-Working-Bereich. In Bezug auf die Möblierung dieser gemeinschaftlichen Flächen hatten die Betreiber*innen besondere Vorstellungen: Sie sollte mit Konzept und Ästhetik auch für den Innovationsgeist des Areals stehen. Da lagen Strategien wie Recycling und Upcycling nahe – und auch die Zusammenarbeit mit Björn Ischi und Girsberger. Als Basis für den Entwurf wählte der Designer alte Abfalleimer aus Metall, die aus einer zylindrischen Basis mit Halbkugelaufsatz und Schwingdeckel bestehen. In Zeiten der Mülltrennung haben diese Modelle ausgedient und finden sich daher in großen Stückzahlen in Möbeldepots.
Der Eimer als Powerbank
Die Anforderung des SIP Basel (Switzerland Innovation Park Basel) lautete, zwei agile Sitzgelegenheiten fürs mobile Arbeiten zu gestalten, die durch ein markantes Erscheinungsbild Akzente im Interieur setzen. Die typische Silhouette der kleinen Eimer wurde zu einem Teil der Möbelskelette – wobei beim Hockermodell der Deckel mit integriert wurde, beim Loungesessel mit hohem Rücken hingegen nur der Zylinder. In einem ersten Schritt wurden die Eimer auf die benötigten Maße gebracht und für das Hockermodell die Einwurfklappe fixiert. Der Hohlraum im Inneren nimmt einen Akku auf, der die Möbel zur Ladestation für Laptop, Tablet und Smartphone macht. Für die stromführenden Kabel, aber auch die Befestigungen wurden Löcher gebohrt, damit die vorbereiteten Komponenten in der Polsterei weiterverarbeitet werden können.
Smarte Assistenten
Beim Sessel kommt das zylindrische Stromdepot inklusive Tischauflage mit einer Sperrholzkonstruktion zusammen, die – weich aufgepolstert – die Basis des Möbels ist. Die Rückenlehne bildet sich aus einem gebogenen Metallrohr. Straff mit einem flexiblen Textil bespannt, passt es sich dem Körper der Sitzenden ergonomisch an. Der Hocker hingegen ist formal noch nah am Eimer: Er bekommt einen passgenau genähten Bezug inklusive einer dünnen Polsterung, eine kleine Basis aus Eiche und einen seitlich befestigten Tischfuß. Beide Modelle lassen sich rollen. Der Lounger kann durch seitliches Anheben wie eine Schubkarre durch den Raum gefahren werden, während der Hocker sich am Tisch durch den Raum schieben lässt. Dadurch sind die beiden Sitz- und Ladestationen ohne große Anstrengung schnell zu einem neuen Einsatzort transportiert und sofort standfest: Der Sessel landet nach dem Absetzen auf zwei Metallbeinchen, der rollbare Holzsockel des Hockers senkt sich beim Hinsetzen automatisch auf den Boden ab.
Außen pink, innen grün
Die Farbwelt der Möbel wurde bewusst nicht zurückhaltend angelegt, denn sie korrespondiert mit den CI-Farben des Switzerland Innovation Parks. Durch ein Polster, beziehungsweise die Lackierung in leuchtendem Magenta wird der umgenutzte Metallabfalleimer bei beiden Möbeln als zentrales Element hervorgehoben. Dazu wird ein dunkles Marineblau kombiniert, das sich beim Sessel als Textilbespannung der schirmartigen Rückenlehne findet und beim Hocker zur Farbe des Tischfußes wird. Der Sitzbezug des Sessels basiert auf einem hellen Mintgrün, das durch eingewebte blaue Pixelwolken die Brücke zum Rücken schlägt.Björn Ischi und Girsberger ist es mit der Möbellösung gelungen, ungenutzte Objekte als Halbzeug in die Möbelproduktion einzubinden. Damit beweisen Designer und Hersteller, dass es durchaus möglich ist, ökologisch nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die ästhetisch der rein ressourcenbasierten Produktion in nichts nachstehen. Anerkennung erhielt Girsberger kürzlich auch von offizieller Seite: Der Geschäftsbereich Remanufacturing wurde im Dezember bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2023 in der Kategorie Design als Sieger gekürt.
FOTOGRAFIE © Girsberger
© Girsberger
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