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Tür auf, Tür zu: Möbel in Bewegung

Ein Werksbesuch in der Beschlägefabrik Blum am Bodensee.

von Jeanette Kunsmann, 02.05.2017

Wenn Möbel in Bewegung sind: Die Besteckschublade liegt mit durchschnittlich bis zu zehn Mal pro Tag weit vorn, mehr als das Dreifache aber wird der Mülleimer gebraucht: Über 30 Mal täglich öffnen und schließen wir die Tür oder Schublade zum Hausmüll. Dass diese nicht klemmt und knirscht, verantworten die eingesetzten Beschläge – ein auf den ersten Blick einfaches und verstecktes Bauteil. Ein Besuch in der Beschlägefabrik Blum am Bodensee verrät, wie hochkomplex Scharnier-, Klappen- und Auszugsysteme eigentlich sind und wie die heutige Küche so leise wurde.

Tür auf, Tür zu
Wie öffnen und schließen sich grifflose Möbel? In der Beschlägefabrik Blum strebt man dafür optimale Lösungen an: auf der Suche nach der „perfekten Bewegung“. Synchronisierter Schwebelauf, Vollauszug bei Schubkästen, verdeckte Führungssysteme, elektrische oder mechanische Öffnungsunterstützung heißen nur einige Funktionen für Klappen, Türen und Auszüge. Dahinter verbergen sich hoch entwickelte Beschlagelemente aus Zink, Stahl und Kunststoff aus der eigenen Produktion. Über 1.000 Tonnen werden bei Blum davon pro Woche produziert. Damit gehört das Vorarlberger Unternehmen zu den internationalen Marktführern der Möbelbeschlagsbranche: Mehr als 120 Märkte beliefert das Unternehmen weltweit.

1952 von Julius Blum in der Bodenseegemeinde Höchst gegründet, beginnt die eigentliche Geschichte erst sechs Jahre später. Mit der Anuba-Band-Fertigung tritt Blum 1958 in die Beschlagsbranche ein, für Julius Blum ein „Meilenstein in der Firmengeschichte“. Denn was er zuvor als Ein-Mann-Betrieb, auf die Herstellung von Hufstollen mit einem besseren Halt für Pferde spezialisiert, begonnen hatte, sollte von da an zu einem Unternehmen wachsen, das heute mit über 5.300 Mitarbeitern zu den Hauptarbeitgebern der Region zählt

Blum bewegt
Schon Mitte der Fünfzigerjahre war mit dem Einzug der Traktoren in die Vorarlberger Bauernhöfe das Ende der Hufstollen absehbar. Als Julius Blum hörte, dass in der Schweiz neuartige Fenster-, Tür- und Schrankbeschläge hergestellt würden, reiste er kurzerhand nach Zürich. Seine Firma hatte für die Produktion nämlich die richtigen Maschinen, nicht aber die notwendigen Lizenzen. Wie er es geschafft hat, den Patentinhaber persönlich zu überzeugen, ist nicht überliefert, die frohe Nachricht allerdings schon: Julius Blum erhält 1958 das Patent für die Fertigung der Anuba-Bänder. Wie die Geschichte in Zahlen weitergeht, ist schnell erzählt: Heute gehören Blum 2.600 Patente weltweit, darunter 449 Patentfamilien. Insgesamt arbeiten 6.900 Mitarbeiter weltweit in der Unternehmensgruppe, davon drei Viertel in den sieben Vorarlberger Werken. Weitere Produktionsstandorte finden sich in Polen, USA und Brasilien, wo hauptsächlich für den jeweiligen Markt benötigte Produkte hergestellt werden.

Dass Blum Vorarlberg als strategische Basis behalten hat, erklärt Andreas Lubetz (Marketing Kommunikation) damit, dass sich am Hauptstandort „Know-How und Produktion bündeln“. Erst ein Besuch in Werk 2 am Standort Höchst offenbart, was dahintersteckt – und wie bei Blum die Prozesse Produktion, Forschung und Produktentwicklung ineinandergreifen. Wie bei fast jedem anderen Unternehmen finden sich neben Produktionshallen, Versandabteilung und Verwaltungsbüros auch repräsentative Schauflächen – womit man bei einem Beschlägehersteller weniger rechnet, sind Orte wie die Laborküche und die Testräume. Genau an dieser Stelle wird es spannend. Hier geht es nicht nur um das einzelne Element, das sich hinter der Schublade oder der Schranktür versteckt, hier blickt man bei Blum auf das große Ganze: Die Küche als Organismus. Eine Küche muss sich im Alltag bewähren. Genau darum spielt die eigene Abteilung „Bedürfnisforschung“ für das Vorarlberger Unternehmen eine so wichtige Rolle. In der Laborküche werden die Produkte in realem Umfeld getestet, Küchenbeobachtungen per Video in Privathaushalten oder Endkonsumenten-Workshops zu beschlagsspezifischen Themen zählen u.a. zu weiteren Tätigkeiten, welche immer wieder zu neuen Erkenntnissen führen. Diese Forschungen dienen Blum als Basis für jegliche Produktentwicklung: Nur bedürfnisorientiert ausgearbeitete Produkte schaffen es in die Herstellung.

Schönheit kommt von innen
Bei einer guten Küche zählen die inneren Werte: Ebenso, wie man ein Gebäude von innen nach außen entwirft, funktioniert auch die Küchenplanung. Eine Küche soll schließlich nicht nur schön, sondern sie muss vor allem praktisch sein: „Das ist ihre wahre Schönheit“, so Lubetz. So kommt es, dass die Experten in der Beschlägefabrik Blum nicht nur Architekten, Innenarchitekten und Tischlern ihre Produkte vorstellen, sondern diese gleich von vornherein mit in den Entwicklungsprozess integrieren. Spezialisiert auf Klappen-, Scharnier- und Auszugsysteme testet Blum alle seine Beschlaglösungen immer wieder aufs Neue auf ihre jeweilige Praktikabilität, ihren Nutzen und ihren Komfort.  Die Grundfunktion eines Produkts allein ist oft nicht ausreichend, um sich im Alltag zu bewähren. Deshalb braucht es die eine oder andere Zusatzfunktion: Wenn eine grifflose Schublade sich durch ein sanftes Antippen wie von Zauberhand öffnet und schließt, braucht man zudem auch einen Anlehnschutz. Welchen Mechanismus gibt es, dass der Hund nicht mit Pfote oder Schnauze die Tür zu seinen Futtervorräten, oder gar die Tür zum Mülleimer, öffnen kann? Für Küchen mit der elektrischen Öffnungsunterstützung Servo-Drive braucht es in erdbebengefährdeten Ländern wie beispielsweise Japan einen extra Erdbebenschutz, den Blum über das Grundprodukt hinaus als ergänzende Zusatzfunktion speziell für diesen Markt entwickelt hat. Als wirklich zauberhaft und faszinierend erweist sich eine weitere Lösung, die Blum speziell für Einbaukühlschränke in grifflosen Küchen entwickelt hat: Wer hier an die Front tippt, hinter der sich der Kühlschrank befindet, kann nicht nur beobachten, wie sich die Tür einen Spalt öffnet, sondern zwei Sekunden später auch von selbst wieder schließt. Adieu offener Kühlschrank – ein Abschied, der nicht nur die Dame des Hauses freuen dürfte.

Vor der Auswahl der Beschläge steht bei Blum stets die Frage nach den individuellen Bedürfnissen des Küchennutzers: Wieviel Platz benötigt die Aufbewahrung von Geschirr, Töpfen oder Lebensmitteln? Wo sollen die Staugüter entsprechend der Nutzerbedürfnisse untergebracht werden und mit welchen Beschlaglösungen ist dies am besten möglich? Dabei helfen die Erkenntnisse aus der hauseigenen Bedürfnisforschung und ein eigens für den Küchenkäufer entwickeltes Tool, der Zonenplaner: Insgesamt werden die Schubkästen, Auszüge, Türen und Klappen einer Küche mehr als 80 Mal pro Tag geöffnet und wieder geschlossen, 250 Kilogramm Staugüter sind in einer durchschnittlichen Küche untergebracht. Um die dafür nötige  Qualität gewährleisten zu können, öffnen und schließen die Roboter in den Blum Testlaboren Türen beispielsweise 200.000 mal – das liegt weit über dem Standard, darauf legt man am Bodensee großen Wert. Des Weiteren legt jeder Küchennutzer in einem Zeitraum von 20 Jahren durchschnittlich mehr als 1.500 Kilometer zurück, in einer unpraktischen Küche können es sogar doppelt so viele sein. Solche Erkenntnisse, gepaart mit den Ergebnissen aus der Marktforschung und dem Feedback verschiedener Fokusgruppen, haben zu vielen Entwicklungen geführt, die den Nutzer in seiner täglichen Arbeit in der Küche unterstützen sollen. So auch die neueste Bewegungstechnologie Tip-On-Blumotion. Hierbei wird angenehm einfaches Öffnen durch Antippen mit sanft leisem Schließen bei grifflosen Möbeln kombiniert. Diese beiden gegensätzlichen Bewegungen funktionieren dabei komplett mechanisch, was allein schon genug Herausforderung für die Ingenieure war. Hinzu kam nämlich noch die Sicherstellung, dass auch eine falsche Handhabung dem Beschlag nicht schadet. Sollte zum Öffnen einmal am Auszug gezogen werden oder das Schließen durch manuelles Zudrücken erfolgen, bleibt der Beschlag Tip-On-Blumotion dennoch jederzeit voll funktionsfähig – „ein Möbelleben lang“, wie es bei Blum heißt.

Innovationen für die Zukunft
Für den heutigen Geschäftsführer Gerhard E. Blum stellen Innovationen die Garantie für die Zukunft dar. Nach dem ersten Möbelbeschlag Anuba führte Blum 1966 Rollschubführungen für Schubladen in das Produktionsprogramm ein. 1977 folgte das erste verdeckte Führungssystem für Schubladen aus Holz, 1985 entwickelte Blum das erste Scharnier, das werkzeuglos montiert werden kann. Lautes Klappen und knallende Türen sind ebenfalls längst in der Schublade verschwunden: So wie die Küche unserer Eltern klingt heute keine neue Küche mehr, dafür sorgen speziell von Blum entwickelte Dämpfsysteme, die mittlerweile für alle Produktfamilien verfügbar sind – für den Oberschrankbereich gibt es seit 2005 verschiedene Klappenbeschläge. Die neueste Scharniergeneration mit integrierter Dämpfung im Scharniertopf ist seit 2009 verfügbar. Seit 2011 steht das Schubladensystem Legrabox zur Verfügung, welches sich durch sein schlichtes Design mit geraden Seitenwänden und höchstem Bewegungskomfort auszeichnet.

So viele Innovationen wirken sich auch auf die Küchengestaltung aus. Seit 2005 bietet Blum mittlerweile ein breites Spektrum an Lösungen an, mit welchem dem Gestaltungsspielraum für grifflose Möbel nahezu keine Grenzen gesetzt sind. Elektrisch angetriebene Klappensysteme ermöglichen besonders breite Schränke mit bis zu zwei Metern – und das ohne Einschränkungen in der Funktion: Einfach antippen und die Front öffnet komplett selbstständig. Ein geringer Frontspalt von 2,5 Millimetern sorgt für ein einheitliches Gesamtbild der Küchenelemente. Keine Überraschung also, dass Blum 2013 mit dem European Inventor Award des Europäischen Patentamtes ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus wurden viele Produkte des Beschlägeherstellers mit dem Red Dot Design Award, dem German Design Award und dem iF Product Design Award geadelt.

„Seit mehr als zwölf Jahren forschen wir in der Laborküche und beschäftigen uns intensiv mit den Bedürfnissen und Anforderungen der Möbelnutzer“, sagt Markus Blaser, Blum-Verkaufsleiter für Deutschland. Nicht vergessen werden bei Blum aber auch die Standards, die sich in der Durchschnittsküche etabliert haben, hinzukommen die jeweiligen kulturellen Besonderheiten. In russischen Haushalten befindet sich über der Spüle der Abtropfschrank, in Frankreich haben viele Küchen einen eigenen Baguette-Auszug und in der asiatischen Küche ergibt sich auf Grund der Körpergröße eine deutlich niedrigere Höhe der Arbeitsplatte „und somit auch weniger Stauraum für die Schubladen in den darunter platzierten Elementen“, erklärt Andreas Lubetz.

Apropos Höhe: Auch in Europa haben die Küchennutzer unterschiedliche Körpergrößen und Bewegungsmöglichkeiten, dabei blickt man bei Blum unter anderem vermehrt auf die Kunden im höheren Alter. Mit dem Age Explorer, einem Anzug, der die unterschiedlichen Bewegungseinschränkungen simuliert, werden bei Blum nach allen anderen Tests die Produkte noch einmal geprüft und optimiert. So entstand zum Beispiel die Hochfaltklappe Aventos mit einem integrierten Mechanismus, der verhindert, dass die Klappe des Oberschranks zu weit nach oben öffnet und der Nutzer diese nicht mehr ohne Hilfe schließen kann. Denkbar ist immer auch eine Kombination verschiedener Systeme, die sich nach dem täglichen Gebrauch sowie der Last in den Schubkästen und ihrer jeweiligen Auslastung im Gebrauch richten.

Möbelhersteller, Beschlagfachhändler und Möbelverkäufer, aber auch der Möbelkäufer, wissen als Partner von Blum all diese Qualitäten zu schätzen – Architekten und Innenarchitekten, Tischler und Schreiner aus aller Welt stehen stets im Austausch mit den Experten der Beschlägefabrik am Bodensee. Am Ende zählt nämlich nicht nur die „perfekte Bewegung“, sondern der unvoreingenommene Dialog mit den Menschen.

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Links

Zonenplaner von Blum

www.blum.com/zonenplaner

Blum auf der Interzum

Mehr über die Produkte von Blum erfahren Sie auf der nächsten Interzum in Köln vom 16. bis 19. Mai 2017

www.interzum.de

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