Vom Seil gelassen
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Das Projekt Verbier Mountain Climbers verwandelt ein Stück Schweizer Alltagskultur in Kunst und Design. Sieben namhafte Schweizer Designer haben alte Liftgondeln ein neues Leben geschenkt. Die verfremdeten Ikonen des Eidgenössischen Industriedesigns waren erstmals auf der Messe Design/Miami Basel 2013 zu sehen und werden nach einer Wanderausstellung bei Christie‘s versteigert – zugunsten karitativer Zwecke.
Ein Beispiel für zweckmäßiges Schweizer Industriedesign in Perfektion ist die Liftgondel. Stahl-, Aluminium- und Acrylglas-Elemente fügen sich zu einer formschönen Kapsel, die als kurzzeitiges Zuhause für Freizeitsportler dient. Während sie am Kabel hängend sanft und sicher emporschwebt, verschafft sie ihnen einen Moment der Kontemplation und nicht zuletzt eine tolle Aussicht auf die Berge und ihre Gipfel. Die Gondel ist für genau diesen einen Zweck geschaffen. Ihre Dimension, ihre Statik, ihre Form. Als Stück Schweizer Alltagskultur gleitet sie ikonenhaft ruhig durch Täler und Höhen – ein Sinnbild der alpinen Urlaubsfreude. Die Gondel ist eine Kapsel der Freiheit.
Wertvoll und wertlos zugleich
Aus dem Linienverkehr gezogen, verliert die Kabine jedoch schlagartig jeden praktischen Nutzen. Mit dem Projekt Verbier Mountain Climbers: Revisiting a Swiss Icon nahmen sich drei junge Kreative aus Genf diesen Umstand zum Anlass und machten das Objekt Gondel zum Medium eines karitativen Kunstprojektes. Die Initiatoren Inés Flammarion, Albert Schrurs und Nicolas Bernheim ließen sieben namhafte Künstler, Designer und Architekten je einer ausrangierten Gondel aus der Region Verbier neues Leben verleihen. Auf unterschiedlichen Wegen – dekonstruktiv, empathisch, pragmatisch und humorvoll – näherten sie sich dem vom Seil gelassen Objekt.
„Die Herangehensweise an dieses Projekt war bei allen Designern unterschiedlich. Manche haben die Kabinen einfach als Volumen wahrgenommen, andere als Rohstoffquelle, die nächsten als emotionales Moment“, fasst Albert Schrurs, selbst Designer, die Ergebnisse zusammen. Dabei heraus gekommen sind sensible Interpretationen, die mit neuen Betrachtungsweisen überraschen.
Reduce, Reuse, Recycle
Angefangen bei den eher praktisch denkenden Gestaltern Baker Wardlaw, Adrien Rovero, Jörg Boner und Nicolas Le Moigne, die in klassischer Upcycling-Manier die Gondel für neue Nutzungen adaptierten, über Anoush Abrar und das Designbüro Atelier Oï, die den Gondeln künstlerisches Potenzial abrangen, bis hin zu Philipp Cramer, dem es mit seiner Installation gelang, ein Nichtobjekt zu schaffen: Aus den einzigen nicht recycelbaren Bestandteilen der Kabine, den Acrylglasscheiben der Fenster, die in der Region Verbier typischerweise gebogenen sind, hat er eine Inszenierung geschaffen, die eine vermeintliche Nebensache aufwertet und damit gleichzeitig eine klare ästhetische Geste erzeugt.
Zu sehen waren die Gondelobjekte erstmals als Auftakt einer Wanderausstellung zur Messe Design Miami/ Basel 2013 in den neuen Messehallen von Herzog & de Meuron. Ende des Jahres werden die Objekte zu Gunsten der Make A Wish Fundation vom Auktionshaus Christie‘s versteigert.
Verbier Mountain Climbers ist in seinem Wesen als Experiment zu verstehen und deshalb frei von Erwartungshaltungen der Designindustrie. Als Beitrag zur diesjährigen Design Miami/Basel zeigt das Projekt wunderbar auf, wie unterhaltsam es sein kann, sich bewusst auf der Grenze von Kunst und Design zu bewegen. Gleichzeitig gibt es eine Antwort auf die allgegenwärtige Frage, was eigentlich mit den Dingen geschieht, wenn man sie nicht mehr braucht: Reduce, Reuse, Recycle.
FOTOGRAFIE Annik Wetter
Annik Wetter
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