David Löhr
Der Creative Director des Labels Loehr über Auswirkungen und Chancen der Coronakrise
David Löhr hat das Berliner Designlabel Loehr 2012 mit seinen Brüdern Leon und Julian gegründet. Die Idee: architekturaffine, reduziert gestaltete Möbel, die multifunktional einsetzbar sind – aus Materialien wie Eichenholz und pulverbeschichtetem Stahl. Dass die Hocker, Tische und Regale von Loehr komplett in Deutschland gefertigt werden, ist ein Ansatz, der sich gerade in der Coronakrise bewährt. Das jedenfalls erzählte uns der Creative Director des Labels bei einem Telefonat und sprach auch über das Arbeiten im Homeoffice, die Entschleunigung des Designs und den Wert des Lokalen.
Wo bist Du gerade, und wie geht es Dir? Mir und meinen Brüdern geht es gut. Ich bin im Homeoffice in meiner Wohnung in Charlottenburg und arbeite am Esstisch mit Blick auf den Hinterhof. (lacht) Seitdem ich Kinder habe, trenne ich eigentlich Arbeit und Wohnen. Das ist im Moment natürlich nicht mehr möglich. Wir arbeiten zwar noch immer regelmäßig in unserem Studio in Schöneberg, nur jetzt deutlich weniger und meistens abwechselnd.
Die Möbel von Loehr werden ausschließlich in Deutschland produziert. Ja, wir produzieren unsere Möbel mit einem Netzwerk von Partnern in ganz Deutschland. Die Holzmöbelfamilie Faber beispielsweise wird in einer Tischlerei in Mecklenburg-Vorpommern gefertigt. Produkte aus Stahlblech wie das Regal Newton werden hier in Berlin hergestellt.
Es wird derzeit viel darüber diskutiert, dass wieder verstärkt lokal produziert werden sollte, auch wegen der kürzeren Lieferketten. Meinst Du, dass diese Ideen nach der Krise auch umgesetzt werden? Das kommt darauf an, wie lange die Krise anhalten wird. Es gibt ja Prognosen, die sagen, dass uns das Thema in den nächsten zwei Jahren immer wieder beschäftigen wird – deshalb kann es durchaus sein, dass ein Umdenken stattfinden wird. Auf der anderen Seite stelle ich mir das kompliziert vor, denn je größer der Betrieb, umso schwerer ist es, eine bereits aufgesetzte Produktionsstruktur zu verändern. Es kann aber sein, dass bei neu zu erschließenden Produktionswegen ein Umdenken stattfindet, gerade wenn ein Unternehmen von der jetzigen Situation besonders betroffen ist. Wir sind gut aufgestellt, da uns die Problematik einer langen Lieferkette nicht betrifft. Auch wenn wir unsere Produkte global vertreiben, hatte das Lokale schon immer sehr viel Wert für uns, da wir durch den engen Kontakt mit unseren Partnern sehr flexibel sind und die Produktionsbedingungen genau kennen. Auch das verstehen wir unter Nachhaltigkeit.
Arbeiten Eurer Partnerbetriebe noch oder stockt die Produktion? Eigentlich arbeiten alle, nur in unterschiedlicher Auslastung und Besetzung. Die Lieferzeiten haben sich zwar teilweise verlängert, komplett weggebrochen ist uns aber glücklicherweise noch nichts.
Welche Auswirkungen hat die Coronakrise ganz konkret für Euch? Das variiert stark nach Auftrag oder Projekt. Wir hatten den Auftrag, ein Restaurant auf Korsika mit Barhockern auszustatten, aber die Bestellung wurde zu Beginn der Krise in Frankreich sofort storniert und wird, wenn überhaupt, erst nächstes Jahr umgesetzt. Andere Projekte laufen hingegen einfach weiter. Anfangs waren die Anfragen auch deutlich verhaltener, aber das ändert sich gerade wieder. Es ist für uns schwer einschätzbar, wie stark die Auswirkungen der Coronakrise wirklich sein werden. Wir beobachten und versuchen zu planen, so gut es geht. Alle mittelfristigen Vorhaben sind aber erst einmal verworfen und wir orientieren uns neu.
Für die meisten Möbelhersteller wird das Objektgeschäft immer wichtiger. Auch Loehr verkauft 80 bis 90 Prozent seiner Möbel über Projekte mit Architekten. Hattet Ihr das von Anfang an so geplant? Nein, überhaupt nicht. Doch schon im ersten Jahr nach der Gründung hat sich herausgestellt, dass das Objektgeschäft ein guter Weg für uns sein würde. Wahrscheinlich liegt es auch an der Kollektion an sich, mit der wir von Anfang an einen starken Anklang bei Architekten gefunden haben.
Macht Ihr eigentlich noch Akquise? Ja, wir kontaktieren aktiv Architekten, von denen wir glauben, dass wir gestalterisch die gleiche Sprache sprechen. Wenn wir ein Projekt sehen, das uns begeistert, dann interessiert uns, wer es geplant hat. Damit konnten wir bisher gute Erfahrungen machen, und auch in der Krise hören wir nicht damit auf.
Woran arbeitet Ihr zurzeit? Wir schließen gerade die zweite Phase des No Office für die Agentur of Unicorns & Lions im Lobe-Block in Berlin-Wedding ab. Zusätzlich zum bereits fertigen Raum haben wir das Interior für zwei weitere Besprechungs- und Arbeitsräume gestaltet. Für das Projekt Pirol – eine Gemeinschaftsetage, in der sich auch unser neues Studio befindet – planen wir einen flexiblen Konferenzraum. Das Thema „New Work“ steht bei unseren Projekten derzeit stark im Fokus. Wir überarbeiten außerdem unsere Produktinformationen und möchten kommunizieren, wo wir unsere Möbel herstellen und auch die Transportwege offenlegen. Es geht dabei um Nachhaltigkeits- und Transparenzaspekte, die uns wichtig sind. Außerdem führen wir neue Farben ein, und es gibt ein Produkt-Update für den Beistelltisch Tangram.
In diesem Jahr finden fast keine Veranstaltungen und Messen mehr statt. Wie geht Ihr damit um? Messen wie der Salone del Mobile in Mailand sind zwar als Inspiration wichtig, aber geschäftlich spielt es für uns keine Rolle, ob sie stattfinden oder nicht. Im Gegenteil: Es kommt uns vielleicht sogar gelegen, weil wir unsere Produktneuheiten in den letzten Jahren ohnehin bewusst antizyklisch kommuniziert und uns nicht nach den Messeterminen gerichtet haben. Wir sind bisher gut damit gefahren, unsere Neuheiten in einem anderen Kontext vorzustellen. Ich denke, dass sich mit der Krise der Blick auf Messen, Veranstaltungen und Produktzyklen generell verändern wird und man vielleicht beginnt zu hinterfragen, inwiefern das bislang etablierte Prozedere Sinn macht und, ob es in dieser Form der Branche überhaupt gut tut.
Ein Vorteil in dieser Situation ist, dass Ihr unabhängig seid. Habt Ihr schon einmal daran gedacht, mit einem anderen Label zusammenzuarbeiten oder mit externen Designern? Auf jeden Fall könnten wir uns Kooperationen mit anderen Designern vorstellen, aber es muss passen. Momentan ist es so, dass alle Produkte von Julian und mir stammen, aber langfristig planen wir, dass auch die Entwürfe externer Designer ihren Weg in die Kollektion finden. Freie Autoren können ein Label, das im Laufe der Zeit eine eigene Formsprache entwickelt hat, durch ihren Beitrag noch einmal neu interpretieren und so auf ein ganz neues Niveau bringen.
Spielen dabei bekannte Namen eine Rolle? Wichtiger als Namen sind Identitäten. Es könnte beispielsweise ein Designer sein, der sich intensiv mit einem Material beschäftigt hat, das sich bisher nicht in den Loehr-Produkten findet oder jemand, der eine ganz eigene Haltung und Ästhetik ins Spiel bringt. Ich denke, dass von solch einer Zusammenarbeit beide Seiten profitieren und ein gutes und vielleicht auch unerwartetes Produkt entstehen kann. Ein paar Dinge sind übrigens schon in Vorbereitung, aber ich darf noch nichts verraten. (lacht)
Glaubst Du, dass sich mit der Coronakrise auch das Design verändern wird? Es wäre schön, wenn die Krise auch eine positive Auswirkung haben könnte. Vielleicht führt dieser Stopp ja dazu, dass Designer mehr nachdenken – darüber, was und wie man entwirft und auch für wen. Vor allem hoffe ich, dass die Relevanz von Dingen hinterfragt wird und dabei Qualität und Umweltbewusstsein auch einen höheren Stellenwert bekommen. Ich finde es irre, wie stark die Luftverschmutzung in China und Indien abgenommen hat. Selbst in Berlin merkt man, wie die Luft durch weniger Verkehr besser geworden ist. Man sieht daran, wie alles miteinander verwoben ist, wie viel Abhängigkeit zwischen den Dingen, Menschen und Ländern ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die sonst nur abstrakt greifbar war, jetzt aber global spürbar wird.