Die Raummacherin
Interiordesignerin Maj van der Linden aus Berlin im Porträt
Es geht immer um den Raum: Maj van der Linden gestaltet, kuratiert, vernetzt und verkauft. Mit einer Ausstellung der Faserzement-Klassiker von Willy Guhl hat die Berliner Interiordesignerin jetzt ihren „Space for Design“ neu eröffnet.
Maj van der Linden gehört zu den Menschen, für die das Adjektiv „umtriebig“ erfunden wurde. Wenn sie erzählt, was sie gerade so alles macht, in den vergangenen Jahren gemacht hat und demnächst machen will, mag man sich fragen: Wie behält die 40-Jährige überhaupt den Überblick? Doch es ist eigentlich ganz einfach, denn es geht letztlich immer um den Raum. Egal, ob sie Wohnungen einrichtet, Ausstellungen organisiert, Designmarken unterstützt, Möbel entwirft oder aktuell einen Hinterhof begrünt – alles bezieht sich auf Räume. Räume schaffen, Räume gestalten, Räume bieten. Während des Gesprächs verwendet sie den Begriff immer wieder. Im übertragenen Sinne, aber auch ganz konkret in Bezug auf ihre eigenen Räumlichkeiten in Berlin, ihren Space for Design. Es handelt sich dabei um eine 175 Quadratmeter große Fläche in der Veteranenstraße 15 im Stadtteil Mitte, verteilt über Erdgeschoss und Souterrain. Der Space for Design hat große Schaufenster und einen bislang ungenutzten, wenig einladenden Hinterhof. Am Dienstag, 7. Mai, eröffnet Maj van der Linden die Räume neu – mit einer Ausstellung von Willy Guhls Gartenmöbeln aus Faserzement. Einst für Eternit entwickelt, werden die Entwürfe des Schweizer Designers heute von Swisspearl produziert. Bei dieser Gelegenheit erstmals zu besichtigen ist der frisch bepflanzte Hinterhof, den van der Linden in Zusammenarbeit mit der ebenfalls in Berlin ansässigen Königlichen Gartenakademie gestaltet hat. Natürlich kommen dort Möbel und Pflanzgefäße von Willy Guhl zum Einsatz.
Das Ganze im Blick
So umtriebig die in Frankfurt aufgewachsene Maj van der Linden auch sein mag – sich selbst einen Titel zu geben, fällt ihr schwer. Zwar plant sie schon seit Jahren die Innenarchitektur von Wohnungen und Büros, zuletzt zusammen mit Esther Berkhoff oder nun mit Felix Lühring. Aber „Innenarchitektin“ darf sie sich schon aus rechtlichen Gründen nicht nennen. Sie hat nämlich Sozialpädagogik studiert. Direkt nach der Schule kam sie zum Studium aus Frankfurt nach Berlin, wo sie seitdem lebt. Wenn es unbedingt ein Etikett sein muss, dann „Interiordesignerin“. Doch ein Rundgang durch ihre Räume zeigt, dass es damit nicht getan ist. Im erstaunlich hellen Souterrain gibt es zwar das klassische Planungsbüro mit Schreibtischen und Materialmustern, wo auch Felix Lühring seinen Arbeitsplatz hat. Die beiden arbeiten gerade an zwei neuen Projekten im Stadtteil Weißensee. Einen Raum weiter, mit direktem Zugang zum Hinterhof, richtet aktuell die junge Berlinerin Hannah Vagedes einen Showroom für ihr Teppichlabel Maison Rhizomes ein. Und oben im Erdgeschoss gibt es einen großen White Cube, den van der Linden mit wechselnden Ausstellungen bespielen möchte. „Als Galeristin kann man mich sicher auch bezeichnen“, sagt sie. „Aber eigentlich habe ich das Ganze im Blick.“ Den Auftakt des Ausstellungsprogramms machen die Guhl-Möbel, mit weiteren internationalen Designmarken ist sie gerade in der Abstimmung. Zudem soll der Raum offen sein für junge, aufstrebende Unternehmen und Designer*innen.
Mit Vintage fing es an
Nicht zuletzt ist Maj van der Linden auch Verkäuferin. Das große Aluminiumregal im Erdgeschoss zum Beispiel, in dem Leuchten und Leuchtenteile aufgereiht sind: Das Regal stammt vom Schweizer Hersteller Lehni, die Leuchten von der dänischen Marke Faustlight – Marken, die sie auf dem deutschen Markt vertritt. Ebenfalls im Portfolio: die italienischen Hersteller Arflex, Zanotta und FontanaArte. Architekt*innen kommen zu ihr, um Produkte für ihre Projekte zu bemustern und zu bestellen. „Wenn ich für etwas brenne, dann kann ich das jemand anderem auch gut vermitteln“, sagt sie. Komplettiert werden die Räume des Space for Design mit einer ganz in Tiefrot gehaltenen Küche und einem großen Esstisch. Denn Gastgeberin zu sein, gehört für sie ebenso dazu. Dass es sich bei dem Tisch um ein besonders schönes Mid-Century-Stück handelt, ist kein Zufall: Denn zum Design kam van der Linden durch Vintagemöbel. Schon als Jugendliche zog sie durch die Straßen ihrer Heimatstadt Frankfurt – auf der Suche nach den Perlen im Sperrmüll. „Man konnte die Knoll- und Cassina-Möbel einfach so wegtragen“, erinnert sie sich. „Bei fast jedem Spaziergang hat man was gefunden.“ Einiges verkaufte sie auf der damals noch neuen Plattform Ebay, anderes behielt sie, um ihre eigene Wohnung einzurichten „So fing das an.“ Erste Aufträge von Freund*innen folgten. Während des Studiums handelte sie mit Vintagemöbeln und plante Wohnungseinrichtungen. 2013 dann die Gründung des ersten Unternehmens Vintagency. Parallel arbeitete van der Linden für den Berliner Händler Lars Triesch von Original in Berlin, kuratierte Ausstellungen für seinen Showroom und lernte das Auktionsgeschäft kennen.
Was sich fügt
„Ich habe schon so viel gemacht“, sagt Maj van der Linden. „Irgendwann wollte ich alles, was ich gemacht habe, an einem Ort zusammenführen.“ Nach einem Jahr in Los Angeles, auf den Spuren von Mid-Century-Design und -Architektur, war der Wunsch groß, einen eigenen, besonderen Ort zu finden. Dass der ausgerechnet in der Nachbarschaft ihrer Wohnung lag, war einer dieser Zufälle, die man auch als Aufforderung verstehen darf. „Was sich unkompliziert fügt, wird oft gut.“ Und fügen darf es sich weiterhin, denn sie möchte den Fokus ihres Space for Design nicht zu eng fassen: „Kunst, Kunsthandwerk, Design, Architektur. Mir ist wichtig, offen zu halten, was hier passiert. Aus der Überzeugung heraus, dass Dinge besser werden, wenn man viel zulässt.“