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„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz ist ein gestalterisches Multitalent. Der gelernte Produktdesigner hat lange als Stylist für Wohnmagazine gearbeitet, bevor er begann, die Strecken auch zu fotografieren. Er entwirft Maßanfertigungen für Innenarchitekturprojekte und ganze Kollektionen für das Hamburger Label more. Das Interview führt der gebürtige Bremer von Ibiza aus. Denn Arbeit und Urlaub, Wohnen und Entwerfen gehen für ihn Hand in Hand.

von Judith Jenner, 18.10.2023

Mit dem more-Gründer Bernhard Müller verbindet Dich eine lange Geschäftsbeziehung. Wie habt Ihr zueinander gefunden?
Wir haben uns über meine langjährige Zusammenarbeit mit Schöner Wohnen und anderen Magazinen kennengelernt. Ich habe damals viel im Bereich Setdesign gearbeitet und große, komplexe Studioproduktionen betreut und umgesetzt. Da brauchte man natürlich auch immer tonnenweise Möbel und so kannte ich die Hamburger Firmen. Die Möbel von more habe ich immer gerne bei Shootings eingesetzt. Irgendwann fragte mich Bernhard, ob ich ihn bei der Erstellung von Katalogen und Bildwelten unterstützen möchte. So übernahm ich das Styling und die Fotografie. Die Idee war, die Möbel an echten Orten zu inszenieren: Wir fotografierten die damals ganz neue Lax-Kollektion von Gil Coste in München in einer tollen Location. Sie war dann auch sehr erfolgreich und hat dem Unternehmen einen Push gegeben.

Hast Du dann auch begonnen, Produkte zu entwerfen?
Von meiner Ausbildung her bin ich Produktdesigner mit einem Schwerpunkt auf Metall. Als Interiordesigner habe ich auch immer Einzelstücke für meine Kunden entworfen, aber selten etwas Serielles. Nachdem ich mit Bernhard bereits zwei Jahre zusammengearbeitet hatte, zog ich in eine neue Wohnung und wollte einen Tisch haben, den ich selbst entworfen hatte. Ich fragte Bernhard, ob er ihn in seinem Werk fertigen lassen könnte. Das war eher eine praktische Überlegung. Der Tisch gefiel ihm dann so gut, dass er beschloss, ihn in seine Kollektion zu übernehmen. Diese neue Art der Zusammenarbeit ist ganz zufällig entstanden. Der P68 war also das erste Produkt, das ich für more entworfen habe.

Wie ging es dann weiter?
Im darauffolgenden Jahr wollte ich für die Wohnung einen Barschrank haben. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen, aber der Markt hatte nichts Passendes zu bieten. So fragte ich Bernhard: Hast Du Bock auf einen Barschrank? Er sagte: Klar, warum nicht. Und so war Harri für mich der Durchbruch als Designer bei more. Daraus ist eine sehr starke, sehr komplexe Kollektion geworden, die inzwischen 15 oder 16 Produkte umfasst. Der Barschrank ist heute für more ein sehr wichtiges Möbel und auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Wie entwirfst Du?
Ich bin da tatsächlich total oldschool. 3-D-Programme nutze ich lediglich bei Raumplanungen für die Blaupause, um dann letztlich alles von Hand zu zeichnen. So mache ich das mit Möbeln auch. Ich arbeite außerdem viel mit Modellen, mal im Maßstab oder gleich eins zu eins. Die Erfahrung zeigt, dass die 3-D-Zeichnung das Modell nicht ersetzt.

Hast Du zu Metall heute noch eine besondere Beziehung?
Mein Studium war sehr handwerklich. Ich habe bis heute noch eine kleine Werkstatt, in der ich etwas ändern und schweißen kann. In meiner Goldschmiedewerkstatt kann ich noch feinere Sachen machen. Diese Affinität zum Metall habe ich weiterhin, auch wenn ich für more eher in Holz entwerfe.

Gehst Du durch Deine Erfahrung als Interior- und Setdesigner mit einer eher räumlichen Vorstellung an die Produktentwicklung heran?
Das glaube ich schon. Durch meine lange Arbeit mit Möbeln von ganz unterschiedlichen Labels und Designern habe ich sehr viele in der Hand gehabt. Da kommt automatisch der Gedanke: Ist das ein gutes Design? Was würde ich an diesem Entwurf ändern? Was sind die Schwachstellen? Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken. Das ist der Kernaspekt meiner Arbeit. Wenn ich ein Möbel entwerfe, sehe ich bereits, ob es im Interior funktioniert. Das kann ich gar nicht trennen. Oft hilft es mir, wenn ich es mir in meiner eigenen Wohnung vorstelle.

Du lebst in Hamburg in einem komplett von Dir eingerichteten Altbau-Loft.
Genau wie meine Wohnung in Berlin, die ich von vornherein als Referenzprojekt gestaltet habe, ist meine Hamburger Wohnung für mich zugleich Showroom und Büro. Ich nutze sie auch als Set für Film- und Fotoprojekte. Momentan arbeite ich mich intensiv in den Film und die Regie ein, weil bewegte Bilder immer wichtiger werden für die Firmen.

Also noch eine weitere Disziplin, in der Du tätig bist?
Ja, wobei die Inhalte der Regiearbeit oft dem entsprechen, was ich sowie schon gemacht habe, zum Beispiel den Raum zu konzipieren, in dem gefilmt wird. Aber sich weiter zu überlegen, was das Storytelling im Bewegtbild ist, das ist schon spannend und eine tolle Ergänzung. Das Tolle an den Firmen, mit denen ich so eng zusammenarbeite, ist, dass ich mich in alle Belange reindenken kann. Was ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll? Wie steht eine Firma am Markt da? Mit Bernhard Müller bin ich da in einem engen Austausch. Wir telefonieren fast jede Woche miteinander. Dieses Vertrauensverhältnis entwickelt sich in den Projekten ständig weiter.

Wie behältst Du den Überblick über den Markt, um Deine Kund*innen zu beraten?
Ich bin auf allen wichtigen Messen und im Netz unterwegs. Ich finde aber auch in Nachbarbereichen der Gestaltung Inspirationen – wie in der Kunst. Das kann ein Bild ebenso wie ein tolles Bühnenbild bei einem Theaterstück sein. Für das Möbeldesign sind vor allem gestalterische Aspekte wichtig, die die Zeit überdauern.

Gerade auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit?
Ja, das spielt eine total große Rolle und bedingt auch die Auswahl der Firmen, mit denen ich zusammenarbeite. Diese Werte teile ich mit more. So liegt beispielsweise die Fertigung in Deutschland und Europa.

An welchem Innenarchitekturprojekt hast Du zuletzt gearbeitet?
Aktuell habe ich die Möbel für das Legend Hotel in Köln geliefert und die Betten entworfen. Von more finden sich in allen Zimmern die Schreibtische, Stühle und Beistelltische aus der Harri-Kollektion. Das war ein echtes Traumprojekt.

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