Textile Reise nach Persien
Hadi Teherani und Camilla Fischbacher über die Kollektion Contemporary Persia
Partner: Fischbacher 1819
Der Schweizer Textilediteur Christian Fischbacher und das Designstudio von Hadi Teherani haben erstmals eine gemeinsame Kollektion entwickelt, die zum Salone 2022 in Mailand vorgestellt wurde. Ein Gespräch mit der Kreativdirektorin Camilla Fischbacher und Hadi Teherani über ihre Zusammenarbeit, die Besonderheiten der Stoffe und eine ganz persönliche Reise zu den kulturellen Wurzeln.
Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Ihnen?
Camilla Fischbacher: Barbara Hickl von der Agentur hicklvesting hatte die schöne Idee, Hadi Teherani und mich zusammenzubringen als ich einen Termin in Hamburg hatte. Wir kannten uns noch nicht. Es war also quasi ein Blind Date.
Hadi Teherani: Man war direkt auf einer Wellenlänge, weil man Ähnliches erlebt hat.
Camilla Fischbacher: Hadi Teherani und ich stammen beide aus dem Iran, sind als Kinder nach Europa gekommen und haben unseren Lebensmittelpunkt hier. Wir hatten aber nicht nur wegen unserer gemeinsamen Herkunft sofort viele Anknüpfungspunkte, auch darüber hinaus war der Austausch sehr inspirierend und sympathisch.
Wie ging es dann weiter?
Camilla Fischbacher: Ziemlich schnell war klar, dass wir eine gemeinsame Textilkollektion initiieren wollen. Der Ansatzpunkt für uns war: Da ist diese tiefe, echte Verbindung zu einem Land, das so viel zu bieten hat, aber wenig bekannt ist.
Hadi Teherani: Wir wollten nicht etwas wiederholen, sondern etwas ganz Neues, Zeitgemäßes kreieren. In einem intensiven, kreativen Dialog haben wir uns also auf die Spuren unserer gemeinsamen Wurzeln begeben.
Was haben Sie bei der Reise zu Ihren Wurzeln entdeckt?
Camilla Fischbacher: Uns wurde die enorme schöpferische Kraft bewusst, die der Iran mit seinem reichen kulturellen Erbe entfacht. Das Land ist von starken Kontrasten geprägt – das macht alles vibrierend lebendig.
Hadi Teherani: So kam die Idee, die Vielfalt des Irans zum Thema zu machen: Die monumentale Baukunst, die eindrucksvolle Natur und Landschaft, die jahrhundertealte Hochkultur, die bis heute von der jungen Kreativszene interpretiert wird – das sind die drei Inspirationen der Kollektion.
Herr Teherani, es war das erste Mal, dass Sie Stoffe entwickelt haben. Wie sind Sie bei der Kreation der Dessins vorgegangen?
Hadi Teherani: Als Architektur- und Designbüro arbeiten wir konzeptionell. Es bereitet uns grundsätzlich große Freude, immer wieder Dinge zu entwickeln, zu erarbeiten, zu erschaffen. So entstehen Geschichten. Deswegen war auch der Entwurf von Textilien eine schöne und neue Herausforderung für uns. Wir haben angefangen, alles Mögliche aus dem Iran zu sammeln. Unser Büro war dekoriert mit all diesen Bildern. Dann starteten wir mit der Designkonzeption. Dazu haben wir alle gesammelten Eindrücke und alle Entdeckungen analysiert und daraus Themen für die neue Kollektion – Architektur, Landschaft, Kultur – definiert.
Das Ergebnis ist die Kollektion Contemporary Persia. Wie transportieren Sie die vielfältige iranische Kultur in das Design der Stoffe?
Hadi Teherani: Es ging uns nicht darum, den Persien-Bezug sofort erkennbar zu machen. Aber man spürt ihn. Denn Stoff kann man fühlen und darauf kommt es an. Wenn man sich mit dem Iran beschäftigt, unsere Story quasi nachläuft, kann man die ganze Entstehungsgeschichte Persiens erkennen. Das hat etwas mit den Farben zu tun. Mit den Strukturen der Wüste. Aber sie sind neu interpretiert. Das macht unsere Arbeitsweise aus. Wir kopieren nicht, sondern wir konstruieren neu. Wir haben so viel aus dieser Projektarbeit gelernt und entdeckt, dass wir viel im Gepäck haben für eine lange Reise mit Christian Fischbacher.
Wie viele Stoffe umfasst Contemporary Persia?
Camilla Fischbacher: Zur Kollektion gehören hochwertige Vorhang- und Bezugsstoffe mit zehn eleganten und raffinierten Dessins in zahlreichen Farbvarianten, aber auch Teppiche. Fließend-weiche bis gröbere Strukturen lassen die bewegend schöne Landschaft in den Stoffen lebendig werden.
Hadi Teherani: Das einzigartige, von den Extremen der Natur geprägte Landschaftsbild wird außerdem in der Farbpalette der Kollektion sichtbar: Sie umfasst zurückhaltende, erdige Töne und setzt kräftige Farbakzente. In grafisch anmutenden Mustern und sanften Farbverläufen sind die Stoffe vor allem eine moderne Auseinandersetzung mit dem pulsierenden Land.
Können Sie dies anhand des Beispiels Roya erklären – der Stoff erinnert an Camouflage-Muster.
Hadi Teherani: Roya ist eines der Hauptmotive der gesamten Kollektion. Es ist ein weich fließender Vorhangstoff, dessen Muster inspiriert wurde vom iranischen Aladagh-Gebirge und dessen faszinierender und einzigartiger Farbigkeit, die sich durch mineralische Ablagerungen entwickelt hat. Die eindrucksvollen Kontraste erinnern an Traumsequenzen und liefern den Namen Roya, das persische Wort für „schöner Traum“.
Camilla Fischbacher: Darüber hinaus unterstützt die Textilqualität den besonderen Look von Roya: Das Jacquardgewebe besteht aus einer Mischung feiner Baumwoll-, Viskose- und Polyestergarne, welche die feinen Farbverläufe des Designs ermöglichen. Wir bieten den Stoff in fünf Farbvarianten an, um außergewöhnliche Momente im Interior schaffen zu können.
Auch beim Stoff Dasht wird die taktile Qualität der Kollektion deutlich. Wie entsteht die besondere Haptik?
Camilla Fischbacher: Dasht bedeutet „Wüste“. Es ist ein weicher, voluminöser Uni-Stoff in Leinenqualität, der als schwerer Bezugsstoff oder als weich fließender Vorhangstoff eingesetzt werden kann. Das im Schuss verwendete Leinen-Baumwoll-Chenillegarn verleiht ihm eine edle Veloursoptik – und seinen charakteristischen körnig-trockenen Griff. Dasht ist einer meiner Lieblingsstoffe der Kollektion – beim Anfassen assoziiere ich sofort Wüste!
Die Stoffe Mitra und Tara erinnern mit ihren Mustern an persische Ziegelarchitekturen.
Hadi Teherani: Traditionelles Ziegelmauerwerk prägt bis heute die Architektur des Irans, insbesondere im Süden. Seine außergewöhnlichen Muster und Strukturen lieferten die Inspiration für Mitra und Tara. Prinzipiell denken wir für den architektonischen Raum immer in Texturen, Materialität und Struktur und diese Haltung wurde in die Textilien, die Kollektion übertragen.
Camilla Fischbacher: Bei beiden Stoffen lässt das voluminöse, mehrfach locker verzwirnte Schussgarn in Verbindung mit der Leinenkette eine belebte Oberfläche entstehen. Die Wollgarne erheben sich leicht, sodass das Muster optisch hervortritt.
Das Designkonzept der Textilkollektion reicht bis hin zur Namensgebung. Es sind weibliche iranische Vornamen. Was hat es damit auf sich?
Camilla Fischbacher: In Persien haben weibliche Vornamen immer eine Bedeutung. Sie sind sehr beschreibend und schön. Ihr Rhythmus klingt besonders. Man sieht also den Stoff, hört den Namen und erfährt, dass er „Traum“ oder „Wüste“ bedeutet. Jeder Entwurf hat den Namen, der genau zu ihm passt. Es war unsere Absicht, eine weitere, charmante Konzeptionsebene zu schaffen.
Wie war es für Sie, mit einem Architekten zusammenzuarbeiten, Frau Fischbacher?
Camilla Fischbacher: Die Kooperation war ein sehr interessanter Lernprozess! Die Herangehensweise an Materialien ist sehr unterschiedlich. Überhaupt starten Architekten mit einer umfangreichen, analytischen Recherche. Bei uns Textildesignern hingegen wird die Liebe zu den Stoffen, Mustern und Materialien in jedem Dessin, das in unserem hauseigenen Atelier entsteht, bis ins Detail sichtbar. Wir haben mit Contemporary Persia also eine sehr interessante Balance aus den zwei unterschiedlichen Expertisen geschaffen.
Welche Eindrücke bringen Sie beide aus dem Projekt mit?
Hadi Teherani: Textilien komplettieren architektonische Räume erst und sprechen erlebbar unsere Sinne an. Mit ihrem Gespür für Materialien, dem über Generationen angeeigneten Textil- und Fertigungswissen ist die Marke Christian Fischbacher für uns der ideale Entwicklungspartner für Stoffe, die im Raum nachhaltig wirken.
Camilla Fischbacher: Uns war es ein besonderes Anliegen, das kreative Potenzial der Schnittmenge unserer Arbeitsbereiche – Architektur und Raumgestaltung – zu nutzen. Von Hadi Teherani und seinem Designteam haben wir viel über die Wirkungsweise, über Raumstrukturen, funktionale Aspekte und das Einsatzspektrum der Stoffe innerhalb seiner Projekte gelernt. Darüber hinaus hat die Kooperation den Diskurs über Textilien als Stilmittel in privaten und öffentlichen Bereichen besonders angeregt.
FOTOGRAFIE © Christian Fischbacher
© Christian Fischbacher