Mein wunderbarer Friseursalon
In Kobe hat das Designbüro Sides Core aus einer simplen Etage ein luftiges Loft gemacht.

Eine enge geschäftige Gasse. Mitten im quirligen Shopping-Viertel der japanischen Stadt Kobe befindet sich im ersten Stock eines normalen Hauses ein Friseursalon. Von außen eher unscheinbar, öffnet sich das Innere überraschend luftig-weit. Das spartanisch eingerichtete Interior stammt vom Architekturbüro Sides Core.
Eine Treppe windet sich an der Außenseite des Hauses hinauf bis in den ersten Stock, der über einem Tante-Emma-Laden liegt. Betritt man den Friseursalon Vine über die Schmalseite des Hauses, befindet man sich sogleich im Zentrum der Etage. Die frei gelegte Decke, der raue Betonfußboden, die weißen Wände und hohen Fenster – alles erinnert an ein Loft. Auch weil die Architekten wenig Wert auf eine luxuriöse Ausstattung oder eine perfekte handwerkliche Ausführung gelegt haben. Was hier zählt, ist der Raum.
Open Space
Die Etage ist unterteilt in eine weite Fläche, die dem Haareschneiden dient und flankiert wird von kleineren Zonen wie dem Empfangs- und Wartebereich, einem Mitarbeiterraum und einem kleinen Raum zum Shampoonieren. Sohei Arao vom Architekturstudio Sides Core verstand es, die große Fläche geschickt zu zonieren und den großzügigen Raumeindruck zu erhalten – mittels weißer, halbhoher Trennwände, Bücherregalen und wenigen Möbeln wie Tischen und Stühlen. Die Idee hinter den gezielt platzierten Sitzgelegenheiten samt Tischen: Der Kunde soll nicht nur zum Haareschneiden im Vine verweilen, sondern darf zwischendurch durchaus auch ein Buch lesen, am Computer spielen oder das an den großen Fenstern vorbeiziehende Straßenleben beobachten.
Unterm Dach
Auffällig ist die Gestaltung der Decke. Die Stahlträger und ihr roher Überzug aus Spritzbeton sind offen sichtbar, was unkonventionell anmutet und eine Prise Zufall ins Interior bringt. Sohei Arao spielt auch mit der Metapher der Kletterpflanze, indem er Rohre offenlegt und Kabel lose herumwickelt. So erscheint es fast so, als säße man unter einem gebogenen Baldachin aus (künstlichen) Weinreben. Beleuchtet wird der Raum von nackten Glühlampen, die in verschiedenen Höhen von der Decke baumeln.
Der Unvollkommene
Auch wenn der Friseursalon überaus spartanisch wirkt: Kalt ist er dennoch nicht. Dafür sorgen gestalterische Unvollkommenheiten wie die roh belassene Decke, aber auch wenige Farbklekse wie blaue oder grüne Sitzpolster, Möbelelemente in warmen Holztönen oder einfach nur eine rote Schnur, an der ein kreisrunder Spiegel befestigt ist. Auch verschiedene Oberflächen – Hölzer, Metalle, Stoffe, Beton – sorgen für haptische und visuelle Kontraste. Nur wenige Einrichtungselemente erinnern an einen Friseursalon – so beispielsweise zwei wuchtige bequeme Sessel mit Standwaschbecken, die am hinteren Ende in einem Separee untergebracht sind.
Sides Core gelingt es, mit wenigen gestalterischen und zudem günstigen Mitteln einen Friseursalon in ein spannungsreiches Interior zu verwandeln. So wie die Elektroinstallationen sich über die Decke verteilen und miteinander verbunden ein großes Ganzes bilden, soll auch der Kunde des Friseursalons nicht einfach nur einen simplen Haarschnitt verpasst bekommen. Das Gesamterlebnis steht im Mittelpunkt, Entertainment inklusive.
Alle Beiträge aus unserem großen Japan-Themenspecial lesen Sie hier.
FOTOGRAFIE Yoshiro Masuda
Yoshiro Masuda
Mehr Projekte
Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Der Fjord als Bühne
Sauna Trosten in Oslo von Estudio Herreros

Mehr als heiße Luft
Saunen inmitten der Natur

Monolith in der Schwebe
Ein abgelegenes Waldbad von Vector Architects in China

Vision und Tradition
Hotel Badeschloss in Bad Gastein von BWM Design

Wohnen im Wasserwerk
Loftwohnung in ehemaligem Pumpwerk von Giorgio Gullotta Architekten

Moderner Barock
Kunst- und Designhotel in Berching von Atelier Dimanche

Sportliche Erfrischung
Neuer DFB-Campus in Frankfurt am Main von kadawittfeldarchitektur

Moderne Badkultur
Das Royal in Bad Füssing wird von Zeilberger + Hartl Architekten umgebaut

Trigonale Interventionen
Altbausanierung in Porto mit modernen Ecken von Paulo Moreira

Unikate aus Titan-Stahl
Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Radikales Raffinement
Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Schutzraum wird zum Wohnraum
Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Ganzheitliche Genesung
Krankenhausneubau von tsj-architekten in Niedersachsen

Maritime Farbwelten
Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Besondere Böden
Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Moderne Behaglichkeit
Ausgestaltung einer Villa im Großraum Frankfurt von Andrea Busch Inneneinrichtung

Heilende Räume
Umbau einer Reha-Einrichtung in Polen

Fenster zum Bad
Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona

Baden in Beton
Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse

Ausweitung der Komfortzone
Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten

Mit Scarpa baden
Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Gestaffeltes Wohnhaus
Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Mediterrane Moderne
Zweizimmerwohnung in Barcelona von Szymon Keller

Durchbruch zur Natur
Hotel Sou von Suppose Design Office auf der japanischen Insel Fukue

Reflektierte Flusslandschaft
Neugestaltung der Sanitärräume auf der Münchner Praterinsel

Buntes Versteck
Ein Hausumbau von i29 in Amsterdam

Schwereloses Schwimmbecken
HAL Architects bringen einen Londoner Pool zum Schweben

Rein in Stein
Die schönsten Natursteinbäder

Showroom-Szenarien
Der neue Laufen Space in Berlin von Konstantin Grcic
