Ab in die Wüste
Wüste statt Strand: ein neues Hotel in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Es müssen nicht immer künstlich aufgeschüttete Inseln in Palmenform sein. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wird auch die Wüste zum Reiseziel erkoren. Das Büro Anarchitect hat zwei Sechzigerjahrebauten in die Al Faya Lodge verwandelt: ein puristisches Hotel mit Restaurant, Spa – und einer bedeutsamen Ölpumpe.
Eine metallene Kiste ragt aus dem Boden empor. Ihre Oberfläche ist verrostet und zerbeult. Ein kleines, unscheinbares Objekt, sollte man meinen, würde es nicht auf einem flachen Sockel ruhen. Die Inszenierung ist kein Zufall. Immerhin handelt es sich bei der Kiste um die Steuerungseinheit einer der ersten Ölpumpen, die in den Sechzigerjahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Betrieb gegangen sind – und das Nomadenvolk in kürzester Zeit in die Moderne katapultierten. Die Pumpe – oder besser gesagt das, was nach der Stilllegung vor Jahrzehnten von ihr übrig blieb – hat nun eine neue Rolle gefunden.
Asphaltierter Einschnitt
Das metallene Relikt ist von einem Steingarten umringt und markiert den Eingang eines neuen Boutique-Hotels in der Sharjah-Wüste, der Al Faya Lodge. Die Gestalt der Herberge ist tatsächlich ungewöhnlich. Sie setzt sich aus drei freistehenden Baukörpern zusammen, die von einer Straße durchschnitten werden. Ein breiter Zebrastreifen ist mit rotem Farbauftrag auf den Asphalt gemalt und stellt eine sichere Verbindung zwischen beiden Seiten her. Doch warum diese Teilung? Der Grund liegt auch hier in der Historie des Petrolgeschäfts, das längst aus dieser Wüstenregion verschwunden ist. Die beiden Gebäude, die direkt an die Straße anschließen, dienten einst als Lebensmittelgeschäft sowie als Klinik für die Arbeiter auf den umliegenden Ölfeldern.
Symbiose aus Alt und Neu
Die beiden aus Stein gemauerten Häuser sind nach Plänen des Architekten Jonathan Ashmore umgestaltet worden. Aus dem früheren Geschäft wurde ein Restaurant. Die Klinik nimmt fünf Gästezimmer auf und wurde um einen neuen Baukörper ergänzt, der den Pool- und Spa-Bereich beherbergt und von einer unterirdischen Salzwasserquelle gespeist wird. „In der Wüste sind Gebäude nicht nur dem Sonnenlicht, sondern auch Schlagregen, Sandstürmen und niedrigen Nachttemperaturen ausgesetzt“, sagt Jonathan Ashmore, dessen Londoner Büro Anarchitect eine Dependance in Dubai unterhält.
Für ihn spielt die Materialität eine besondere Rolle. „Vor Ort abgebaute Steine oder lokal hergestellter Beton erzeugen genügend thermische Masse, um mit diesen extremen Temperaturschwankungen umzugehen“, erklärt der in Sheffield geborene Baumeister. Eine zentrale Aufgabe fällt rostigem Corten-Stahl zu, der die neu hinzugefügten Elemente der beiden Bestandsbauten markiert und eine klare Lesbarkeit der Bauhistorie erlaubt. Das Material ist zudem eine Referenz an die Beschaffenheit des Bodens, der einen hohen Eisenanteil aufweist und daher eine markante rotstichige Einfärbung besitzt.
Blick ins Freie
Die fünf Zimmer sind jeweils mit einem Skylight ausgestattet: einem vom Lichtkünstler James Turrell inspirierten Außenbereich, der zu allen vier Seiten von Wänden oder Fenstern eingefasst wird. Nur nach oben öffnet er sich, um die Sterne und die Verfärbungen des Himmels beobachten zu können. Der Luxe Room verfügt zudem über eine private Dachterrasse, die als ungestörter Rückzugsort mit weitem Ausblick dient. Die umliegende Wüstenlandschaft hat auch die Gestaltung des Pools bestimmt, der von zwei massiven Betonwänden sowie einer holzvertäfelten Wand eingefasst wird, die zu den Umkleidekabinen und dem Spa-Bereich führt.
Die nach Südwesten ausgerichtete Pool-Seite wird hingegen von stählernen Toren eingefasst, die mit Lochblechen verkleidet sind und wie die übrigen Metallelemente der Al Faya Lodge über verrostete Oberflächen verfügen. Selbst in geschlossenem Zustand zeichnen sich die Konturen der umliegenden Hügel in den Lochblechen ab. Tagsüber werden die Tore geöffnet, sodass sie einen unverstellten Blick in die Landschaft freigeben. Die Straße, die an der Rückseite des neuen Pool-Gebäudes vorbeiführt, ist dann plötzlich ganz weit weg. Die Aufmerksamkeit gilt allein der Hauptakteurin an diesem vom Strandtrubel abgelegenen Ort: der Wüste.
FOTOGRAFIE Fernando Guerra
Fernando Guerra