Alles beim Alten
Ein konsequent zirkuläres Interieur von Lucas Muñoz Muñoz

Bei diesem Restaurant in der spanischen Hauptstadt galt die Devise, dass ein Haus nichts verliert: Der mit dem Interieur beauftragte Gestalter Lucas Muñoz Muñoz nutzte für die Neugestaltung alle aus dem Bestand rückgebauten Ressourcen – vom Bauschutt bis zum Holzbalken. Aus den vermeintlichen Altwaren sind von Enzo Mari inspirierte Stühle und Tische entstanden, Terrazzo-Bänke und Kronleuchter aus Leuchtstoffröhren. Damit hat Muñoz nicht nur ein zirkuläres Pionierprojekt realisiert, sondern es auch zu seiner persönlichen Werkschau gemacht.
Früher residierte im Erdgeschoss des Wohnhauses im Madrider Viertel Rio Rosas das Teatro Espronceda, heute empfängt hinter den bodentiefen Industrieglasfenstern das Restaurant Mo de Movimiento seine Gäste. Ganze 1.000 Quadratmeter Innenraum galt es auszustatten, darüber hinaus schließt sich im Hof ein weitläufiger Garten an. Der Aufgabe stellte sich der Designer Lucas Muñoz Muñoz, seines Zeichens ein Meister des Recyclings. So viel verrät auch schon seine Webseite über ihn: Als Hintergrund-Grafik nutzt er die Top-Ergebnisse einer Google-Anfrage zu seinem Namen. Seine gestalterische Praxis ist vor allem von Readymades aus Baumarkt-Halbzeugen, Low-Tech-Lösungen und Recycling zwischen Bad Taste und Avantgarde geprägt – eine geniale und hochgradig individuelle Mischung, die ihm internationale Anerkennung eingebracht hat.
Zirkuläre Baukultur
Für den Absolventen der Design Academy Eindhoven waren die 1.000 Quadratmeter nicht nur eine Herausforderung, sondern auch die Chance, die ganze Bandbreite seines bisherigen Werkes als eine Art nutzbares Kompendium unter einem Dach zusammenzubringen. Seine Auftraggeber hingegen konnten damit rechnen, dass die Kosten für den Umbau sich in einem überschaubaren Rahmen halten würden: Muñoz machte sich mit dem Anspruch an die Planung, möglichst viel aus dem Bestand in die neue Nutzung zu überführen. Dabei konzentrierte er sich nicht nur auf das Mobiliar, sondern auch auf das Gebäude selbst. Während das Theater sich auf zwei Etagen aufgeteilt hatte, wurde die Zwischendecke für das Restaurant entfernt. Den dabei angefallenen Bauschutt ließ Muñoz nicht etwa entsorgen – er goss ihn mit Zement zu neuen Platten und baute daraus auf roten Ziegelsteinen ruhende Terrazzo-Sitzbänke für den Außenbereich.
Von traditionellen Baulösungen lernen
Die Leidenschaft des Designers für die stille Schönheit funktionaler Produkte und Werkstoffe ist im Restaurant überall präsent. So wurden beispielsweise einige Wandleuchten aus Kupferrohren gebaut, die sonst bei Gas- und Wasserinstallationen eingesetzt werden. Andere bestehen aus grauen PVC-Schutzkästen und -Leitungen aus der Elektroabteilung. Gleichzeitig wurde das Interieur mit Blick auf Kontext und Kultur geplant. Besonders auffällig ist die von Muñoz fürs Mo de Movimiendo entworfene Klimaanlage, die mit sehr wenig Strom auskommt. Unter der Decke hängen neun an Bienenkörbe erinnernde Gefäße aus Ton, die permanent mit Wassernebel befüllt werden und mit einem Ventilator abgedeckt sind. Sie transportieren kühle, feuchte Luft in den Raum und können ihn im Sommer um 15 Grad herunterkühlen. Produziert wurden die Vernebler vom Handwerksmeister Antonio Moreno Arias, der seine Werkstatt in der spanischen Region Badajoz führt und seine Keramik mit einem über 500 Jahre alten, unterirdischen Ofen brennt.
Inspiriert von Mari
Ein Großteil des Innenraumes ist mit Selbstbau-Mobiliar ausgestattet. Dazu haben die Schreiner alte Kiefernholzbalken verwendet, die im Theater früher den abgetreppten Zuschauersaal abdeckelten und zu einem ebenerdigen Raum machten. Sie wurden sorgfältig demontiert und in eine temporäre Werkstatt überführt, wo Muñoz ein Team aus ehemaligen Eindhoven-Kommilitonen versammelte. Vier Wochen entwarfen sie gemeinsam eine ganze Möbelkollektion, die von Enzo Maris DIY-Projekt Autoprogettazione inspiriert ist. 1974 veröffentlichte der italienische Gestalter 19 demokratisch entstandene Möbelentwürfe aus einfachen Holzbalken, die jeder selbst in der Heimwerkstatt zusammenzimmern kann. Muñoz realisierte zwei Stuhlmodelle, einen Barhocker und vier Tischgestelle. Um einen Teil der Möbel auch gartentauglich zu machen, wurden sie mit einem wasserbasierten, durch Tinte schwarz gefärbten Lack beschichtet.
Unter der Sonne Spaniens
Der Außenraum wird bei gutem Wetter – das im Sommer in Madrid an der Tagesordnung ist – zum zweiten Speisesaal. Um sich aber optional vor Sonne und Regen schützen zu können, wurden drei Metallbalken eingezogen. Auch sie sind eine Zweitverwertung. Früher hielten sie die Decke des Theatersaals, die beim Umbau entfernt wurde. Unter den Balken baumeln grafische „Kronleuchter“ aus zusammengebundenen Leuchtstoffröhren, zwischen ihnen kann sowohl ein Beschattungstextil als auch ein Regenschutz ausgezogen werden. Lebendig wird der Bereich durch die neun über drei Meter großen Orangenbäume, die außerdem die Funktion eines grünen Denkmals übernehmen. „Sie sollen an das massive Abholzen von Orangenbäumen erinnern, das in Spanien aufgrund der Einfuhr der Früchte aus billigeren, aber weit entfernten Gebieten erinnert“, erklärt Muñoz. Mit dem Mo de Movimiento hat er ein Restaurant geschaffen, das ganz auf hyperlokale Materialien, Recycling und zirkuläre Strategien setzt, um den Fußabdruck des Umbaus so gering wie möglich zu halten. Diese Identität lebt das Restaurant konsequent bis zum Menü – denn auch hier werden alle Produkte regional, saisonal und sozial verantwortlich eingekauft.
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