Alpines Kräftemessen
Ein sozialer Wohnungsbau in Bozen stemmt sich selbstbewusst der alpinen Kulisse entgegen.
Alles andere als banal und austauschbar: In Bozen hat das Südtiroler Architekturbüro CDM Architetti einen sozialen Wohnungsbau errichtet, der sich nicht nur der alpinen Kulisse selbstbewusst entgegenstemmt. Das Ensemble aus vier Wohnhäusern und einem begrünten Innenhof im Stadtteil CasaNova ist ein Ort von Qualität und Identität.
An der Weinstraße tut sich was: Als im Südwesten von Bozen die Planung eines neuen Wohnviertels begann, entschied man sich für den Weg der goldenen Mitte: Weder Solitäre noch geschlossene Blöcke sollten das Bild bestimmen, sondern ein Zusammenspiel aus neun verschiedenen Ensembles. Jedes Ensemble besteht aus drei bis vier Gebäuden, die einen begrünten Innenhof umschließen. Um den Ort in eine Adresse zu verwandeln, wurde nicht nur die Gestaltung eines jeden Ensembles einem anderen Architekturbüro übertragen. Durch eine verbindende, gestalterische Sprache und übergreifende Materialität sollen die Cluster eine eigene Identität erlangen.
Aug in Aug mit der Burg
Dass Architektur nicht nur Ecken und Kanten braucht, sondern ebenso ein Stück weit anecken muss, sind Edoardo Cappuccio, Giuseppe Donato und Tomaso Mecchi überzeugt. Seit 1994 unterhalten sie ihr Büro CDM Architetti in Bozen und haben sich bislang vor allem mit öffentlichen Bauten in Südtirol einen Namen gemacht. „Wir betrachten jedes Projekt als einen Akt der Veränderung“, sagt das Architekten-Trio, das eines der neun Ensembles im Stadtteil CasaNova im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus realisiert hat.
Von dem Umstand, dass ihr Entwurf zu Füßen von Reinhold Messners Gebirgsmuseum auf der Burg Sigmundskron errichtet wurde, ließen sich die Architekten nicht aus der Fassung bringen. Im Gegenteil: Bei der Planung hielten sie sich ganz ans britische Sprichwort „my home is my castle“ und gingen zum gestalterischen Gegenangriff über. Je nach Blickpunkt variiert die Anmutung ihres Gebäudeensembles zwischen einer steinernen Festung und einem aufragenden Fels.
Glasfaserverstärkte Rüstung
Den Grund dafür liefert nicht nur das kontinuierliche Gefälle, das sich über alle vier Häuser erstreckt und von der südwestlichen zur nordöstlichen Ecke einen Höhensprung um vier Etagen vollzieht. Auch die Beschaffenheit der Fassaden spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Zum Einsatz kam eine Verkleidung mit dunkelgrauen, glasfaserverstärkten Betonpaneelen, deren dreidimensionale Oberfläche tatsächlich Assoziationen an die steinernen Mauern einer mittelalterlichen Festung erzeugt.
Warmer Kontrast
Ein wenig schroff wirkt das natürlich schon. Doch Edoardo Cappuccio, Giuseppe Donato und Tomaso Mecchi haben zugleich das passende Gegenmittel mit eingeplant: Massive, hölzerne Blenden begrenzen die breiten Balkone, mit denen die Wohnungen auf ihrer gesamten Breite zum grünen Innenhof geöffnet wurden. Auch die zurückgesetzten Wände, die die Balkone und Wohnräume voneinander trennen, sind zur Hofseite mit hölzernen Paneelen verkleidet und setzen einen warmen wie wohnlichen Kontrapunkt zur übrigen Fassade.
Die Stärke des Entwurfs liegt genau an dieser Stelle: Er zeigt ein waches Gespür für den Kontext, ohne in tradierte oder gar belanglose Gesten zu verfallen. Sowohl von außen als auch von der Hofseite sind die Baukörper stimmig proportioniert und eröffnen wechselvolle Ein- und Ausblicke auf die alpine Bergwelt. Dass es sich dabei auch noch um ein Projekt im sozialen Wohnungsbau handelt, überrascht umso mehr. Zumal das schroff-weiche Ensemble nicht nur zu Füßen der Burg Sigmundskron liegt. Nach Norden wird es von einem kaum weniger bekannten Signum der Region umgeben: seinen Weinbergen.
FOTOGRAFIE Andrea Martiradonna
Andrea Martiradonna
Projektarchitekten
CDM Architetti Associati
Mehr Projekte
Camouflage im Eichkamp
Berliner Familienresidenz von Atelier ST
Mid-Century im Stadthaus
Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona
Lautner, but make it Cape Town
In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas
Ein Zuhause aus Licht und Pflanzen
Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM
Wohnen in Blockfarben
Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects
Olympisches Raumspiel
Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects
Ganz der Kunst gewidmet
Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova
Heiter bis holzig
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS
Kreative Transformationen
Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG
Von der Enge zur Offenheit
Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects
Leben im Schweinestall
Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim
Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur
Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog
Faltbarer Transformer
Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger
Funktionale Fassaden
Verschattung im Bestand und Neubau
Wohnhaus in Kurvenlage
Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok
Palazzo mit Patina
Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari
Alte Scheune, neues Leben
Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum
Gebaut für Wind und Wetter
Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger
Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal
Ein offenes Haus
Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona
Harte Schale, weicher Kern
Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura
Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel
Offen für Neues
Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur
Baden unter Palmen
Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen
Maßgeschneidertes Refugium
Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design
Rückzugsort im Biosphärenreservat
MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald
Im Dialog mit Le Corbusier
Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL
Warschauer Retrofuturimus
Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio
Trennung ohne Verluste
Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten