Architektonische Landpartie
Henrique Barros-Gomes' Umbau eines Backhauses in der portugiesischen Provinz
Es war ein kleiner Auftrag, der abertausende Kilometer im Auto und viele Jahre Arbeit mit sich brachte. Acht Jahre nach seinem initialen Ja zum Projekt wundert sich Architekt Henrique Barros-Gomes selbst über das Ergebnis: Er steht auf der Shortlist für einen internationalen Architekturpreis, Handwerker aus einer der strukturschwächsten Regionen Portugals kooperieren jetzt mit Architekten aus der Hauptstadt und die Designwelt schaut auf eine verlassene Bergregion im Süden Europas.
Drei Stunden Autofahrt sind es von der jungen, quirligen Metropole Lissabon ins Bergdorf Aldeia de João Pires – ein Weg in eine komplett andere Welt. Im Dorf leben inzwischen weniger als 200 Menschen, zumeist sind es alte. Hier passiert, was das Schicksal vieler strukturschwacher Regionen Europas bestimmt: Junge Menschen ziehen weg, zum Studium oder wegen der Arbeit, und kommen nicht zurück. Und doch hängt ihr Herz an der Region, in der sie aufwuchsen oder als Kind zumindest unbeschwerte Sommer verbrachten. So ging es auch einer jungen Ärztin. Kurz nachdem ihr Patient, der Lissabonner Architekt Henrique Barros-Gomes, sein eigenes Architekturbüro eröffnet hatte, fragte sie an, ob er Interesse hätte, im Sommerdorf ihrer Kindheit ein ehemaliges Backhaus zum Feriendomizil umzubauen.
Verwahrlostes Backhaus
So bot sich dem Architekten in den Bergen, nahe der Grenze zu Spanien, eine wirklich spannende Aufgabe mit einer wohlwollenden Bauherrin. Der Granitbau liegt im Dorfzentrum und befand sich seit Jahrzehnten im Familienbesitz. Zwischenzeitlich war das Gebäude allerdings verfallen und das Dach eingestürzt. Rund 50 Jahre Fortschritt mit Elektroherd und Supermarktbrot hatten ihre Spuren hinterlassen. Von stiller Würde und trauriger Schönheit sei das ehemalige Backhaus gewesen, resümiert der Architekt.
Außen intakt, innen individuell
Heute, rund acht Jahre später, zeichnet sich ein ganz anderes Bild. Das ehemalige Backhaus wird von der Eigentümerin als Wochenenddomizil und für große Familienzusammenkünfte genutzt. Henrique Barros-Gomes hat die Kubatur des Gebäudes fast vollständig erhalten; es wurde lediglich um einige Zentimeter erhöht. Die dadurch entstandene, dünn verputzte Mauerschicht gibt – zusammen mit neuen, tiefroten Fensterrahmen – den einzigen Hinweis für Passanten auf die Veränderungen im Inneren. Die Fassade aus Zwickelmauerwerk blieb in ihrer Ansicht vollständig erhalten, es entstanden keine neuen Öffnungen. Licht kommt vor allem durch die Dachfenster ins Haus.
Maßgefertigtes Mobiliar
Im Inneren wurde eine Mezzanin-Ebene eingezogen, die eine Schlafkoje mit Doppelbett und Bad beherbergt. Sämtliche Einbauten wie auch einige Möbel sind individuelle Entwürfe. Als neue Materialien wurden hauptsächlich Sperrholz und Mikrozement verwendet. Ein statisch notwendiger Stahlträger wurde nicht versteckt, sondern durch einen satten Rotton explizit betont. Die Treppe ist das bestimmende Element für alle Maße im Inneren. Ihre Stufen, als Sitzbänke oder Küchenarbeitsplatte weitergeführt, minimieren die Notwendigkeit einer weiteren Möblierung. Neben der Küche gibt es ein Gästebad – unverzichtbar für größere Familienzusammenkünfte. Im umfriedeten Hofbereich entstand eine überdachte Fläche zum Essen und Feiern sowie ein kleines Steinbassin zur Abkühlung im Sommer. Im Haus gibt es für die in den Bergen recht kühlen Wintermonate einen Kamin, auf eine Zentralheizung wurde verzichtet.
Ein wahrer Kraftakt
Doch das ehemalige Backhaus des Dorfes hat noch mehr verändert als nur sein Inneres. Die Effekte dieses Umbaus reichen über die Grenzen seiner Umfriedung hinaus. Ein Projekt dieser Art, an einem solchen Ort, hat Modellcharakter. Für den Architekten bedeutete es einen Kraftakt, vor Ort zuverlässige Handwerker zu finden und für jede Baustellenkontrolle jeweils drei Stunden Hin- und Rückweg im Auto auf sich zu nehmen. Auch war der Genehmigungsprozess selbst für portugiesische Verhältnisse mit rund 18 Monaten vergleichsweise langwierig. Wegen der Widrigkeiten, die die Arbeit in einer so abgelegenen Region mit sich bringt, vergingen bis zur Fertigstellung schließlich acht Jahre.
Neue Baukultur für die Provinz
In dieser Zeit entstand auch ein Austausch zwischen Stadt und Land: So verbinden die beauftragten Tischler ihr Wissen um traditionelle Handwerkstechniken heute mit aktuellen Anforderungen der Planungsbranche und bearbeiten jetzt auch Aufträge in der Metropolregion Lissabon. Und in der entlegenen Region selbst macht das Projekt deutlich, was mit überschaubaren Mitteln aus einem verfallenen, ehemals dunklen Funktionsgebäude werden kann, ohne dass seine Ausstrahlung zerstört wird oder es einen Fremdkörper im Ort bildet. Eine Tendenz zu solchen Fremdkörpern gibt es auch hier: Zum Kampf gegen das Aussterben der Region gehört oft die wohlwollende Duldung beliebiger Katalogarchitektur. Anders beim ehemaligen Backhaus: Dass der Umbau mittlerweile auf der Shortlist für einen internationalen Architekturpreis steht, hilft den Einheimischen auch dabei, eine Baukultur wertschätzen zu lernen, die bauliche Traditionen respektvoll weiterdenkt.
FOTOGRAFIE Ricardo Oliveira Alves
Ricardo Oliveira Alves
Auftraggeber | Privat |
Ort | Penamacor, Portugal |
Fertigstellung | Februar 2020 |
Fläche | 95 m² |