Architektonische Zeitkapsel
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Wer die Prachtbauten der „Belle Epoque“ an der Côte d’Azur besucht, wird allerlei prunkvolle Repräsentationsräume finden – nicht so in dem von Simone Micheli entworfenen Spa des „Hotel Exedra Nice“. Rein gar nichts lässt in seinen Räumen erahnen, dass es sich um ein Gebäude von 1913 handelt. Schließlich wollte der italienische Architekt, dass das Wellness-Areal für sich alleine steht. Das scheint ihm auch geglückt: Sein Entwurf ist charakterisiert durch plastische und fließende Formen, die nichts mit der Realität der Umgebung Nizzas zu tun haben und die den Ruhe suchenden Hotelgast in den Mittelpunkt stellen.
Das historische Gebäude, das von dem Architekten Charles Dalmas entworfen wurde, liegt im Herzen von Nizza, mitten in Grünflächen und in der Stille des Hauptboulevards. Trotz umfangreicher Umstrukturierungsarbeiten bewahrt das 5-Sterne-Hotel bis heute seine prachtvolle Fassade und die historische Ausstattung seiner Innenräume wie die großen Marmorsäulen und die Überdachung aus vielfarbigem Glas in der Haupthalle. Von dieser aus gelangt der Gast auch in das Souterrain, in dem sich das Hotelspa befindet – und ihn in eine völlig andere architektonische Realität versetzt, fernab von den Prunkbauten der Umgebung.
Verherrlichung der Sinne
Die gemeinsame Basis vieler Projekte des Designbüros von Simone Micheli ist eine natürlichen Prinzipien entlehnte Formengebung – eine Gestaltung, die Wachstumsprozesse simuliert und vermutlich ohne die digitale Helfer unserer Zeit nicht realisierbar zu sein wäre. Seine Arbeiten in der Architektur, dem Interior Design, dem Produktdesign, der Grafik und auch in der Kommunikation befassen sich mit der Verherrlichung der Sinne. So benutzte Micheli auch bei der Gestaltung des Spas des „Hotel Exedra Nice“ Spiegel anstatt Tapeten und verkleidete die Wände mit Gipskarton, den er mit weißem Kunstharz beschichtete. Das Resultat ist ein weißer, gewundener Vorhang, der sich durch alle Räume zieht und der mit dem Licht und Schatten seiner Umgebung spielt. Aus diesen „Vorhängen“ und aus den Fußböden treten baumähnliche Lichtinstallationen und kreisförmige Vitrinen hervor, in denen Kosmetikartikel ausgestellt werden. Die Decken, ebenfalls mit weißem Kunstharz beschichtet, sind mit farbigen, runden Öffnungen versehen, in denen sich auch die Beleuchtung verbirgt. Nur der Fußboden ist aus dem Naturstein „Prun“ und hebt sich gegen die glatten Oberflächen der Wände und Decken ab.
Spiel mit Licht und Schatten
Das Herz des 700 Quadratmeter großen Spas ist der Empfangsbereich mit einem großen weiß lackierten Tresen. Rechts von diesem liegt der Fitnessbereich; direkt dahinter gelangt der Gast in die Umkleidekabinen. Daran schließen sich die Behandlungsräume, die mit weißen Waschbecken aus Corian und verspiegelten Duschen versehen sind, und der Nassbereich an. Dieser, in Form einen langen breiten Ganges, ist ausgestattet mit einem ganz in weiß gehaltenem Dampfbad, zwei aromatisierten Vichy-Duschen und einer finnischen Sauna, die komplett mit Zedernholzleisten verkleidet ist. Hinter letzterer befinden sich der Relaxbereich und das große Unterwassermassage-Schwimmbecken. Dieses ist mit Spiegelglasmosaiken verkleidet und wird von einem großen idealisierten Baum charakterisiert, aus dessen „Ast“ Wasser fließt.
Fernab von jedem Zeitgefühl
Gerade Spas und Thermen erlebten in den vergangenen Jahren eine Blütezeit. Sie sind eine hermetisch gegen die Unbilden des Alltags abgeschottete Welt, die vor allem eines feiert: das eigene Wohlbefinden und die Lust am Luxus. Genauso scheint der Architekt Simone Micheli seinen Entwurf von der klassischen Außenwelt zu isolieren. Die Welt des Spas des „Hotel Exedra Nice“ erscheint fern jedem Zeitgefühls. Denn: „Ich möchte den Menschen und seine Gefühle in den Mittelpunkt stellen und ihn mit Formen, Bildern, Farben, Licht und Materie reizen – und dies alles in Verbindung von Transzendenz und Immanenz, Abstraktion und Konkretheit, Traum und Realität,“ so Simone Micheli.
FOTOGRAFIE Jürgen Eheim
Jürgen Eheim
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Simone Micheli
www.simonemicheli.comMehr Projekte
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