Architektur als Leinwand
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00, WC, Abort, Klo(sett), Latrine, Lokus, Danziger, Scheißhaus oder stilles Örtchen – die Liste der Bezeichnungen für die Toilette ist endlos und könnte sich demnächst noch um solche wie Museum, Galerie oder auch Kensington erweitern. Denn: All diese althergebrachten Euphemismen meinen keinesfalls im Ursprung die sanitäre Vorrichtung selbst, sondern lassen sich von der Umgebung derselben ableiten. Wer sich nun fragt, was diese neuen Namen noch mit dem stillen Örtchen zu tun haben, der sollte die neu gestaltete Damentoilette des Victoria & Albert Museums im Londoner Stadtteil South Kensington besuchen.
Das Museum hatte vor etwas mehr als einem Jahr zu einem Architekturwettbewerb eingeladen, mit der Absicht, Kunst und Design zu fördern – dies durch die Neugestaltung der Damentoiletten im Bereich der „Grand Entrance Hall“. Die viel benutzte Örtlichkeit sollte instand gesetzt und zu einer repräsentativen Einrichtung umgewandelt werden, so lautete das Briefing. Gewonnen hat das junge Londoner Architekturbüro Glowacka Rennie, das in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Künstler Felice Varini ein Konzept erarbeitete, in dem das gesamte Volumen des Raumes ausgenutzt wird und Kunstfertigkeit und Materialität einen wichtigen Teil des Designs darstellen.
Eine Toilette als Kunstgalerie
Der Ort selbst ist ganz in Weiß gehalten; Kontrapunkt bilden die Balustrade aus schwarzem Stein entlang der Treppe zum eigentlichen Raum, die schwarzen Interieurs der Kabinen und die messingfarbenen Armaturen. Das Hauptmerkmal der Damentoilette ist die neue, zackig gewölbte Decke, die sich auf die Sequenz der Fenster bezieht und die großzügige Deckenhöhe unterstreicht. Sie bietet auch die Fläche für die Wandzeichnung – Kreisfragmente aus ultramarinem Blau – von Felice Varini.
Manipulation des Raumes
Varinis Interesse an der Manipulation des Raumes entstammt verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Der aus dem Schweizer Knaton Tessin stammende Künstler und Fotograf versuchte sich zunächst in der Malerei, dann in der Schauspielerei, um später wieder zur Malerei zurückzukehren. Von dieser fühlte er sich jedoch durch das Format und die flache Oberfläche der Leinwand eingeschränkt, suchte daher ständig nach einem idealen Ort für seine Arbeit. Er fand ihn in dem architektonischen Raum. Die Volumen und Perspektiven, die dieser bietet, ermöglichen ihm, sich mobil zu fühlen und seine fotografischen und gemalten Arbeiten „in Bewegung“ zu setzen und durch diese unsere Wahrnehmung zu ändern.
Rauminszenierung
„Meine Malerei als auch meine Fotografien versetzen den Betrachter immer in eine aktive Position,“ so Varini. „Meine Werke versuchen einen inszenierten Raum zu erstellen – sie laden den Betrachter gewissermaßen ein, die Szene zu betreten und ein Teil von dieser zu werden.“ Und genauso erscheinen auch die ultramarinen Kreisfragmente in der Damentoilette des Victoria & Albert Museums: Sie „enthüllen“ sich je nach Bewegung und Position und lassen den Betrachter in der Illusion, erst vor dem eigenen Auge entstehen – ein architektonischer als auch künstlerischer Eingriff, der sicherlich nicht nur die Damen in dieses „stille Örtchen“ lockt.
FOTOGRAFIE Arch Image
Arch Image
Links
Glowacka Rennie Architects
www.glowacka-rennie.comFelice Varini
www.varini.orgVictoria & Albert Museum
www.vam.ac.ukMehr Projekte
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