Architektur des Teilens
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The Hub Madrid scheint zunächst nur ein weiterer Coworking-Space zu sein, diesmal in der spanischen Hauptstadt. Ein Ableger der Raumbewegung The Hub, die mittlerweile fast 30 solcher Orte weltweit betreibt. Hier sollen Jungunternehmer und Selbständige sich temporär räumlich und inhaltlich zusammentun, Ressourcen teilen und dadurch neue Ideen und Projekte entwickeln können: eine Gesellschaft des Teilens. Doch mit der Gestaltung des spanischen Architekturbüros ch+qs (Madrid) ist hier ein Ort entstanden, der versucht, diesen Gedanken in ein angemessenes Design zu übertragen – oder, besser ausgedrückt, in ein No-Design.
Das neue Hub ist mitten in der Innenstadt in einer alten Autowerkstatt aus den 1940er Jahren untergekommen. Ein Gebäude „wie eine Zeitkapsel“, fanden die Architekten, denn es war gut erhalten und wirkte regelrecht konserviert, als sie es das erste Mal betraten. Warum sollte man hier viel ändern, ist doch die Idee hinter dem sozialen Netzwerk, vorhandene Potenziale zu kombinieren und dadurch Neues zu generieren. Nicht „wegnehmen", sondern „die alte Substanz nutzen" und vorsichtig ergänzen, war die Leitlinie der Gestaltung – und auch, den Mut zu haben, Defekte zu belassen und sichtbar zu machen.
Also beschränkten sie sich darauf, die Hülle nach aktuellen Energiespar-Kriterien funktional zu erneuern: Wie bei einer archäologischen Ausgrabungsstätte wurde vorsichtig Altes frei- und im Anschluss darauf eine neue über die alte Ebene gelegt. Zuerst eine Fußbodenheizung und -kühlung, darüber eine Schicht breiter und heller Kiefernholzdielen von Dinesen. Der Holzboden endet umlaufend kurz vor der Außenwand. In der Fuge dazwischen kann man teilweise den alten Industrieboden sehen, teilweise ist sie mit Kies aufgefüllt. Geplant wurde die Lücke, um die Wände durch eine stetige Luftzufuhr vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen. Die Aussparung wird mittlerweile von den Hub-Benutzern als Stauraum genutzt – das nennt man wohl kreative Ausschöpfung der Möglichkeiten.
Höhlenmalereien aus der Werkstatt
Das Dach über dem großen Arbeitsbereich statteten die Architekten mit einer Wärmedämmung und einer weiteren Schicht aus Holzlatten aus, die Gewölbe-Decke im vorderen Administrations- und Gemeinschaftsbereich legte man einfach nur frei. Die Wände wurden größtenteils in ihrem Ursprungszustand belassen, wodurch die alten Wandbeschriftungen der Autowerkstatt wie moderne Höhlenmalereien wirken. Nur in den unter der Galerie liegenden kleinen Meetingräumen kam aus akustischen Gründen eine Wollfilz-Bespannung an den Wänden zum Einsatz; und in dem großen Besprechungsraum brachte man eine Whiteboardfolie auf die Wand auf, die beschriftet und mit einem Schwamm wieder abgewischt werden kann. Die Folie findet man auch an den WC-Wänden – wer weiß schließlich, wo einem eine gute Idee kommt, die fix notiert werden muss?
Als Raumtrenner wurden – teilweise in Holz gerahmte – Glaswände eingesetzt, die aber nie den ganzen Raum verschließen. Denn Türen gibt es aus Prinzip keine – wieder eine sensible Ergänzung des Vorhandenen. Nichts wird hier versteckt. Im Gegenteil, wie in einem Museum werden die Fundstücke gerahmt, geschützt und stolz präsentiert. So wurde selbstverständlich auch die alte Feuerrutsche, die von der Galerie hinab auf den Hallenboden führt, erhalten. Sie dient den auf der Empore Arbeitenden als Abkürzung auf dem Weg nach unten.
Arbeiten mit Tageslicht
The Hub gliedert sich in zwei Bereiche: die gemeinschaftlichen Funktionsbereiche im vorderen Teil mit Küche, einen Toiletten- und Duschraum, eine Bibliothek und einen Aufbewahrungsraum – und dahinter liegend im alten Werkstattbereich die Arbeitsplätze und Meetingräume. Zur Straße hin wurden zwei große Fenster eingesetzt, die den Raum nach außen hin öffnen und den vorderen Teil mit Tageslicht versorgen. Grundsätzlich versuchten die Architekten, die benötigte Beleuchtung möglichst durch natürliches Licht zu erreichen – so ist die Decke in der großen Halle weitgehend verglast. Da die Arbeitsbereiche um 19 Uhr schließen, kann man fast vollständig auf künstliches Licht verzichten.
Immer frisches Obst am Arbeitsplatz
Bei der Einrichtung sollten die Prinzipien der Nachhaltigkeit und des Recyclings ebenfalls eine große Rolle spielen. Die Möbel wurden in Vintage-Shops erstanden oder von Mülldeponien geholt, und die Nutzer spendeten ebenfalls einige Stücke. Als einzige eigene Ergänzung entwarfen die Architekten drei große Gruppentische aus Birkenholz – die natürlich mit gebrauchten Tischbeinen versehen wurden –, sowie ein Obstkistenmodul, das etwas stabiler und dadurch schwerer ist als sein reales Vorbild. Hauptsache, es sieht nachhaltig aus. Gebaut wurde das Modul tatsächlich von einem Weinkistenhersteller im berühmten Weinanbaugebiet La Rioja. Die „Obstkisten“ können als Sitzmöbel genutzt und per Schraube zu Tisch, Treppe und Schrank zusammengefügt werden. So bauten die Hub-Nutzer aus den Boxen auch eine Gemeinschaftsbibliothek, in der alle Mitglieder ihre Literatur dem Kollektiv zur Verfügung stellen, sowie ein Spindsystem und den Empfangstresen. Als „Krone“ des grünen Gedankens wurde in die vorhandene, eineinhalb Meter tiefe und kontaminierte Grube inmitten der großen Halle – früher für die Unterboden-Arbeiten an den Fahrzeugen genutzt – ein Orangenbaum gepflanzt. Dieser trug tatsächlich noch im ersten Sommer Früchte – wenn das kein Zeichen ist!
FOTOGRAFIE Daniel Torrelló
Daniel Torrelló
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