Projekte

Architektur im Förmchen

Ein Headquarter für Traditionsgebäck von Neri+Hu

Mürbekekse, ein altes Lagergebäude und ein Unterkleid aus Beton: So lauten die Zutaten für das Headquarter-Rezept eines chinesischen Traditionsunternehmens, das in Pekings Peripherie von Neri+Hu realisiert wurde. Ein altes Backsteingebäude für Baumwolle verwandelte das Architekturbüro in einen asketischen Tempel, der die Gebäckerzeugnisse des Auftraggebers auf ein Podest stellt.

von Tanja Pabelick, 07.12.2022

Die vielleicht poetischste Geschichte zu ihrem jüngsten Projekt erzählen Lyndon Neri und Rossana Hu selbst: „Die Architektur wurde von traditionellem chinesischen Gebäck inspiriert, das dekorativ in einer Form modelliert wird: Eine Schalung nimmt den Inhalt auf und bringt ihn in Form.“ Die kleine Story der Architekt*innen ist aber weitaus mehr als eine Analogie. Denn Bauherr ist das Keks-Unternehmen Lao Ding Feng, das seit 1911 traditionelle chinesische Mürbekekse herstellt. Es beauftragte Neri&Hu mit der Gestaltung eines neuen Headquarters, das das Büro und einen Concept-Store beherbergen sollte. Und Lao Ding Feng präsentierte auch gleich das historische Förmchen für die neue Architektur: ein verfallenes Lagergebäude nordöstlich des Pekinger Stadtzentrums.

Strukturwandel am Güterbahnhof
Mit rastloser Rasanz verändern sich die Viertel der chinesischen Hauptstadt. Der Projektstandort des Keks-Unternehmens war einmal ein florierendes Industriegebiet, das aus der damaligen Infrastruktur entstanden ist. Der Bahnhof Langyuang galt als einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte für den Transport von Waren in und aus der Stadt. Das prägte den Bezirk. Um die ein- und ausgehenden Güter lagern zu können, wurden Warenhäuser erbaut – hohe und weite Hallen, Backsteinhaus an Backsteinhaus. Heute ist der Bahnhof ein Kulturzentrum und die Gegend vor allem für ihren Strukturwandel und als hippes Shoppingviertel bekannt. Viele der alten Hallen wurden bereits neuen Nutzungen zugeführt, zu Läden umfunktioniert oder zu Restaurants umgebaut. Eine ehemalige Lager- und Produktionsstätte für Baumwolltextilien sollte mit ihren 1.580 Quadratmetern zur neuen Heimat von Lao Ding Feng werden.

Kathedrale für Kekse
Für den Auftraggeber und die Planer*innen Lyndon Neri und Rossana Hu stand fest, dass der Bestand in die neue Architektur übernommen werden sollte. Eine Entscheidung, die der Nachhaltigkeit verpflichtet ist und der beste Weg, beim Bauen Ressourcen zu sparen. „Bei Neri&Hu beginnt die strategische Entwicklung immer mit einer gründlichen Untersuchung. Welche Teile des existierenden Gebäudes können erhalten und restauriert werden?“, erläutern die Architekt*innen. Strukturelle Ergänzungen hingegen wollen sie bewusst deutlich in Kontrast setzen, sodass Historisches sich von neu installierten Strukturen abhebt. Dadurch ergibt sich schon auf der Fassade ein Flickwerk. Neue Fensteröffnungen durchbrechen das alte, rote Ziegelmauerwerk, weite Glastüren schaffen neue Zugänge und ehemalige Tore werden mit Beton „gestopft“. Auch im Innern ergänzt Zement die vorhandene Bausubstanz, formt eine zweite Etage, schafft Räume und bildet teils eine zweite, innere Fassade – eine Architektur in der Architektur.

Patina mit dem Buschhammer
Damit der neue Kern zur historischen Hülle passt, wurde der Beton nach dem Trockenprozess mit einem Buschhammer bearbeitet. Mit dem gezackten Profil des Maurerwerkzeugs lässt sich eine raue Textur erzeugen, die an natürlich verwittertes Gestein erinnert. Die dadurch weicher wirkende Oberfläche wird zum ästhetischen Bindeglied zwischen den alten Ziegeln und der modernen Architektur. Denn Lyndon Neri und Rossana Hu  haben die Räume asketisch, ja kathedralisch gestaltet. Sie inszenieren den leeren Raum und zähmen das Licht, indem sie es durch Luken und Spalten als Strahlenbündel einfallen lassen. Auch die Nutzungen nehmen sich zurück. Die Vitrinen und Podeste stellen die Produkte des Keksherstellers wie wertvolle Museumsexponate unter punktuellen Spotlights und das wenige Holzmobiliar erinnert in seiner bescheidenen Nüchternheit an den Shaker-Stil. Die für die Gäste zugänglichen Bereiche, wie Café, Shop und eine Veranstaltungshalle sind im Erdgeschoss gebündelt, in der eingezogenen Etage sind die Büros untergebracht. Neri&Hu schafft so den Zusammenschluss von privaten Arbeitszonen und öffentlichem Besucherbereich,  Vergangenheit und Gegenwart – und beugt sich dabei nicht der Zeit sondern verbeugt sich vor ihr.

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Links

Entwurf

Neri&Hu

neriandhu.com

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