Asketischer Luxus
Hotel im Shaker-Stil von Ambrosi | Etchegaray und La Metropolitana
„Das Círculo Mexicano ist ein Ort, an dem der Luxus von Hotels neu definiert wird“, sagen Gabriela Etchegaray und Jorge Ambrosi über die Gestaltung des Círculo Mexicano. Für das neue Boutiquehotel der Hotelgruppe Grupo Habita in Mexiko-Stadt ließen sich die Architekt*innen vom Shaker-Stil inspirieren und demonstrierten mit minimalen Eingriffen ein subtiles Verständnis von Komfort.
Die im 18. Jahrhundert gegründete Glaubensgemeinschaft der Shaker, die sich an der amerikanischen Ostküste niederließ, ist zwar heute fast ausgestorben, doch ihre Möbel und ihr Einrichtungsstil haben die Jahrhunderte überdauert. Ihre funktionsorientierten, ornamentlosen Holzobjekte beeinflussten nicht nur die internationale Designgeschichte, sondern erscheinen bis heute aktuell.
Wohnstil mit religiösen Wurzeln
Hinter dem Shaker-Stil, der als Vorläufer des modernen Minimalismus gilt, und den Shaker-Möbeln, die auch im 21. Jahrhundert noch sehr gefragt sind, steckten ursprünglich religiöse Überzeugungen. Ordnung, Bescheidenheit und Fleiß gehörten zu den obersten Tugenden der Shaker. Und das spiegelte sich in der Gestaltung ihrer Wohnräume wider. Sie fertigten die schlichten Möbel, Werkzeuge und Haushaltsgegenstände für ihre Häuser selbst – in mühevoller Handarbeit und meist aus unbehandeltem Naturholz. Auf jegliche Schnörkel wurde dabei verzichtet. Einfach, praktisch, robust und langlebig sollten die Objekte des Alltags sein und somit nicht vom Wesentlichen ablenken: der Arbeit, der Andacht, der Zeit mit der Familie.
Boutiquehotel im Shaker-Look
Gabriela Etchegaray und Jorge Ambrosi erkannten die harmonischen Qualitäten, die in der kargen Ästhetik der Shaker-Objekte stecken. Für das Boutiquehotel Círculo Mexicano in Mexiko-Stadt ließen sich die Architekt*innen von dessen klarer Formgebung, dem Verzicht auf Unnötiges und der Wertschätzung traditioneller Handwerkskunst inspirieren.
Neues Leben im alten Gemäuer
Das Planerduo setzte bei der Fünf-Sterne-Architektur für die Hotelgruppe Grupo Habita auf spannende Kontraste, die sich schon im Treppenhaus des traditionellen Stadthauses aus dem 19. Jahrhundert ankündigen. Eine große Treppe führt über den Innenhof zu den 25 Zimmern, die sich über drei Stockwerke und entlang innenliegender Balustraden verteilen. Die Wände in diesem Eingangsbereich sind unverputzt. Sie geben die Sicht frei auf historische Mauerwerke und lassen die einstigen Strukturen des altes Baus erahnen. Eine bewusste Entscheidung, denn man wollte „Materialien, Erinnerungen und Raumbedingungen“ der Vergangenheit bewahren, so die Architekt*innen.
Radikal reduziert
Doch nicht alles sollte als unbedingt erhaltenswertes „Relikt“ betrachtet werden, erklären sie. Und so entschied man sich bei den Gästezimmern für eine radikal andere Gestaltungsweise. Ambrosi | Etchegaray wählten eine auf das Wesentliche reduzierte Farb- und Materialpalette und beschränkten die Ausstattung der Hotelzimmer auf das absolut Nötigste.
Podeste statt Mobiliar
Abgesehen von einigen Sitzgelegenheiten und Stauräumen, trifft man hier auf nur wenige Einrichtungsgegenstände. Formgebend sind innerhalb der Zimmer simple Podeste, freistehende oder an der Wand angelehnte Quader, die die Räume gliedern und als Mobiliar genutzt werden. Je nach Anordnung dienen sie mal als Ablage neben dem Bett, mal als Sockel für den Schrank und mal – mit einem flachen Kissen versehen – als Sitzgelegenheit. Auf einen Tisch verzichteten die Planer gänzlich. Stattdessen wird die Fensterbank, ausgestattet mit einem Stuhl und einer indirekten Lichtquelle unterhalb der Scheibe, zu einem kleinen Schreibpult.
Außerordentlich komfortabel
Die Böden bleiben fast leer. Stattdessen nutzten die Architekt*innen die Wände, um den Zimmern einen einzigartigen Charakter zu verleihen. Bei der Einrichtung kam das ebenfalls mexikanische Studio La Metropolitana ins Spiel, das sich einen Namen mit handwerklich hergestellten, teilweise stark vereinfachten Holzmöbeln gemacht hat. Für das Hotel schauten sich die Designer*innen ein flexibles und modulares Ordnungssystem der Shaker ab: Die Pegrails sind mit Gewinden versehene, hölzerne Haken, die sich in eine beliebig lange Leiste, ebenfalls aus Holz, drehen lassen.
Praktische Hakenleisten
An dieser schlichten, aber funktionalen Erfindung können kleinere Gegenstände, aber auch Stühle oder sogar Regale fixiert werden. In den Hotelzimmern hilft das Aufhängungssystem dabei, die Böden und Ablagen von allen möglichen Dingen zu befreien, die während eines Urlaubs oder einer Geschäftsreise sonst oft chaotisch im Raum herumliegen. Den Designer*innen von La Metropolitan ging es allerdings auch um die ästhetische Wirkung der Shaker-Hakenleiste. In verschiedenen Formationen und Platzierungen wurden jeweils ein runder Spiegel, ein schmaler Kerzenhalter und eine Box mit Ersatzkerzen aufgehängt.
Mit dem bewussten Verzicht auf Farben, Effekte und unnötige Einrichtungselemente schaffen Ambrosi | Etchegaray und La Metropolitana einen Gegenentwurf zur klassischen gehobenen Hotellerie und beweisen, dass wahrer Luxus nicht viel braucht.
FOTOGRAFIE Sergio López
Sergio López