Aus der Erde geformt
Wohnhaus im brasilianischen Cunha von Arquipélago

Ruhe, Abgeschiedenheit und pure Materialien: Eine dreiköpfige Familie zelebriert in ihrem Haus in Cunha das Leben mit der Natur. In der Wildnis zwischen São Paulo und Rio de Janeiro schufen Arquipélago Arquitetos aus Stampflehm und Holz eine fast poetische Wohnatmosphäre.
„Die Bewohner*innen mochten die Idee des ländlichen Lebens, sie wünschten sich die Nähe zur Natur, da sie ihr Leben grundlegend änderten: Von São Paulo zogen sie nach Cunha – für einen neuen Lowtech-Lifestyle und um dort eine Plantage nach den Prinzipien der Agroforstwirtschaft zu gründen“, erklärt Luís Tavares, Mitbegründer des Architekturbüros Arquipélago. Die bergige Region ist bekannt für ihre traditionelle keramische Handwerkskultur. In der unberührten Landschaft bestand die erste Aufgabe für die Planer*innen darin, die ideale Position für das Haus zu finden. „Wir entschieden uns für die beste Aussicht und setzten das Haus auf einen Hügel, was jedoch bedeutete, dass es vor kalten Winden ungeschützt sein würde. Also gruben wir das Haus zum Teil in den Boden ein und aus dem Aushub ging das Material für den Bau hervor: die Erde“, sagt Luís Tavares.
Rotbraun wie die Erde
Der Wunsch der Familie nach mehr Nähe zur Natur inspirierte die Architekt*innen dazu, die alte Technik des Stampflehms neu aufleben und die Ziegel für die Fassade des Gebäudes vor Ort herstellen zu lassen. „Dieses konstruktive Vorgehen erweiterte unser Verständnis für die Landschaft, in der wir das Haus planten. Alle Eigenschaften des Materials wie Härte, Farbe, Helligkeit, Wärmespeicherung und seine taktile Qualität sind Faktoren, die auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Bodens zurückzuführen sind“, erklärt Luís Tavares. Für die Architekt*innen war es zudem wichtig, die traditionelle Stampflehmtechnik zeitgemäß zu interpretieren. „Das hat auch eine kulturelle Dimension, die berücksichtigt und wertgeschätzt werden muss“, so Tavares. Und praktisch ist es obendrein: Dank der thermischen Eigenschaften der Fassade behalten die Räume im heißen Sommer ebenso wie im kalten Winter eine angenehme Temperatur.
Rohe Materialien mit Seele
Im Innern sind die Wände und Decken mit Holz verkleidet, das in den sparsam möblierten Räumen seine natürliche Wirkung entfaltet. „Wir haben an den Decken ein helles, gelbliches Kiefernholz verwendet, um das natürliche Licht in den Räumen zu verstärken und um das dunklere Holz der Türen und Paneele horizontal zu betonen“, sagt Luís Tavares. Belebt werden die reduzierten Räume von den puren Materialien. Viele Details – wie die schlichte Kupferrohrkonstruktion der Dusche – sind von Hand gefertigt. „Es hat uns Spaß gemacht, die Waschbecken und Leuchten aus lokalem Ton sowie die Türgriffe aus Holz selbst zu entwerfen“, erzählt der Architekt. „Diese Designobjekte sollen sich materiell, räumlich und haptisch in ihren Kontext einfügen.“
Verbunden mit der Natur
Die großen Fenster richteten die Planer*innen nach Norden aus, um tagsüber eine zu starke Lichteinstrahlung zu vermeiden. Auch das überkragende Dach und die verlängerte Fassadenmauer dienen dem Schutz vor der Sonne. Hölzerne Jalousien lassen sich variabel öffnen. Durch die leicht nach innen versetzten Fenster und Oberlichter fällt indirektes Tageslicht in die Wohnräume, das im feinen Schattenspiel eine ruhige Atmosphäre erzeugt. Im Winter verströmt der Kamin aus Lehm oder die aus Ziegeln gemauerte Feuerstelle nahe der Terrasse Wärme in der idyllischen Szenerie. Die Familie, die dem lauten São Paulo entflohen ist, macht – laut Luís Tavares – neue, bereichernde Erfahrungen in ihrem neuen Zuhause: „Sie genießen es, endlich mit der Natur und der realen Welt verbunden zu sein, die Vibrationen und Veränderungen der puren Materialien zu spüren. Und sie finden es wunderbar, auf einem Holzofen mitten im Wohnzimmer kochen zu können.“
FOTOGRAFIE Federico Cairoli
Federico Cairoli
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