Bad mit Autobahncharme
Minimalistischer Umbau eines Apartments von DIALECT in Antwerpen

Alles begann damit, dass der zuerst gebuchte Architekt seine Aufgabe nicht zur Zufriedenheit der Bauherrschaft lösen konnte. Also bekamen Pierric De Coster and Jonas Blondeel von dem Atelier DIALECT den Auftrag, ein Apartment in Antwerpen zu gestalten und dabei vor allem das Schlafzimmer mit En-Suite-Bad grundlegend zu überarbeiten. Das Resultat ist eine durchaus anspruchsvolle Mischung aus Kühle und Komfort.
Antwerpen ist ohne Frage ein Epizentrum auf der Landkarte des europäischen Designs. Das heißt, wer hier gestaltet, sieht sich mit besonders hohen Erwartungen konfrontiert. Und um hier das Außergewöhnliche zu schaffen, braucht es auch außergewöhnlichen Mut. Noch höher wird diese Messlatte gehängt, wenn der Auftraggeber mit einem anderen Designer bereits so unglücklich war, dass er ihm den Laufpass gab. In diese Situation kamen Pierric De Coster and Jonas Blondeel, als man ihnen den Umbau einer vor Kurzem gekauften Wohnung im zweiten Geschoss eines Antwerpener Apartmenthauses anvertraute. Vor allem mit dem Schlafzimmer mit En-Suite-Bad war die Bauherrschaft unzufrieden.
Autobahnromantik im Schlafzimmer
Die neue Gestaltung von DIALECT beeindruckt und verstört gleichermaßen mit Brüchen und Inversionen. So ist im gesamten Schlafzimmer Teppichboden verlegt – auch im Bereich des Waschtisches und der Badewanne. Letztere ist mit poliertem Edelstahl mit einer Super-Mirror-8-Oberfläche verkleidet, die äußere Form ist scharfkantig. Der Unterschrank des Waschtisches wurde in der gleichen Formensprache aber mit einer mattierten Oberfläche gearbeitet. Insgesamt erinnert das Badmobiliar eher an ein Autobahn-WC oder gar ein Schlachthaus als an eine Wellnessoase. Dazu tragen auch die weißen Wandfliesen bei, die bis zur Decke reichen. Die kühle Atmosphäre wird noch verstärkt durch die hochglänzende, mintgrüne Deckenfarbe. In der großzügig bemessenen Dusche, die rechts vom Waschtisch in einer Art Séparée liegt, wurden die Wände mit Epoxidharz in einem mintgrünen Farbton beschichtet. Hinter dem Waschtisch befindet sich ein begehbarer Kleiderschrank. Vom Wohnbereich kommend, durchquert man zuerst dieses Ankleidezimmer, bevor man durch das Bad ins Schlafzimmer gelangt. Den herben Kontrast zwischen Schlaf- und Badbereich mildern bei Bedarf weiße Vorhänge.
Zitate mit Hintersinn
Den Rest der offen gehaltenen Wohnung möblierten die Architekten hauptsächlich neu, mussten sie doch mit den Rohbauarbeiten ihres Vorgängers umgehen. So ergänzten sie eine bereits mit grünen und schwarzen Fliesen gestaltete Wand mit einer langen Terrazzoplatte, in die Spülbecken und Herd eingelassen wurden und die jetzt als sehr minimalistische Version einer Küche dient. Der nötige Stauraum versteckt sich in drei fensterlosen Abstellkammern, die hinter der Arbeitsplatte liegen. Die eigentliche Arbeitsküche, rechts von der Schau-Koch-Fläche in einer Nische untergebracht, ist in schwarzem MDF ausgeführt. Überhaupt zeigen sich De Coster und Blondeel hier als Meister des Versteckens der Funktionen: Alles, was nicht zum minimalistischen Konzept gehört, wird schlicht und einfach hinter Türen und Wänden untergebracht. So kommen die sorgfältig ausgewählten Möbelstücke fast schon wie in einem Katalog zur Geltung. Bestes Beispiel dafür ist das runde Daybed des jungen Antwerpener Designers Jonas Van Put, das als bequeme Sitzgelegenheit für den Mediabereich dient und hier auf einem samtigen weißen Teppichboden in Szene gesetzt wird. Die so als besonderer Bereich kenntlich gemachte Fernsehecke wird durch einen Vorhang der belgischen Textildesignerin Nathalie Van der Massen vom Rest des Wohnzimmers getrennt. Die Decke ist hier mit schwarzem Spiegelglas belegt. Im zentralen Raum fand ein Kamin Platz, seine Einfassung – ein abgetrepptes Profil – zitiert den Charme von Altbauwohnungen und bricht dieses Zitat jäh mit einer vertikalen Linie und einer minimalistisch ornamentlos gehaltenen rechten Seite.
Zur Wohnung gehört auch ein Kinderzimmer, das über eine halbrunde hölzerne Trennwand verfügt, ein Zitat aus dem Haus Van Wassenhove von Juliaan Lampens – einer belgischen Ikone der architecture brut. Auch diese Referenz darf als Fingerzeig verstanden werden – erhielten doch De Coster und Blondeel hier ebenso freie Hand wie damals der Architekt Juliaan Lampens von seinem Bauherrn. Vor allem vor dem Hintergrund der gescheiterten Zusammenarbeit mit dem ersten Architekten darf man das wirklich als große Geste verstehen.
FOTOGRAFIE Piet-Albert Goethals
Piet-Albert Goethals
Entwurf | DIALECT |
Bauherr | Privat |
Standort | Antwerpen |
Fertigstellung | 2019 |
Art | Umbau |
Fläche | 350 qm |
Innenausbau und Möbel | |
Schlafzimmer | |
Böden | Teppich |
Wände/Decke | Epoxidharz, mintgrün beschichtet |
Badewanne | polierter Edelstahl |
Wachtisch | mattierter Edelstahl |
Armaturen | Vola |
Wohnraum | |
Möbel | Daybed von Jonas Van Put |
Vorhang TV-Ecke | Nathalie Van der Massen |
Esstisch und Stühle | Marten Van Severen |
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