Berg, Burg, Bad
Das Stuttgarter Architekturbüro Schweizer Architekten hat eine verfallene Villa aus der Jahrhundertwende in eine Designtrouvaille verwandelt.

Wie eine Trutzburg steht sie am Hang. Mit einer Fassade aus Sandstein und kunstvollen Elementen aus Holz und Schmiedeeisen. Das Stuttgarter Architekturbüro Schweizer Architekten hat eine verfallene Villa aus der Jahrhundertwende in eine Designtrouvaille verwandelt. Im Fokus der Gestaltung: Ganz in Weiß gehaltene Badezimmer, die mit den minimalistischen Armaturen und Accessoires des dänischen Herstellers Vola ausgestattet sind.
Im rheinlandpfälzischen Neustadt an der Weinstraße – eines der Zentren des deutschen Weinanbaus – haben Schweizer Architekten ein ungewöhnliches Projekt realisiert, das planerisch und gestalterisch eine echte Herausforderung war: die denkmalgerechte Kernsanierung einer Villa aus der Jahrhundertwende und der Umbau in ein zeitgemäßes Wohnhaus für ein Ehepaar – inklusive Licht- und Möbelplanung.
Geschichte(n) erzählen
Die denkmalgeschützte, dreigeschossige Villa wurde in den Jahren 1898 bis 1903 im Neorenaissance-Stil mit eingestreuten Jugendstilelementen erbaut. Sie steht am Viehberg in steiler Hanglange und ist so auf dem Grundstück platziert, dass den ganzen Tag über Licht in die Räume fällt. Von hier oben reicht der Blick über die Stadt und die Rheinebene. Nicht nur die privilegierte Lage der Villa ist bemerkenswert, auch die Geschichte des Bauwerks, die eng verknüpft ist mit der Stadt. Conrad Freytag – gebürtiger Neustadter, Ehrenbürger der Stadt, Bauunternehmer und Pionier des Eisenbetonbaus in Deutschland – hatte die Villa für seine älteste Tochter Emilie bauen lassen. Sie zog hier 1903 ein und wohnte dort acht Jahre lang bis zu ihrem frühen Tod 1911.
Das Bauherren-Paar hatte die Villa vor über zehn Jahren gekauft und damit ziemlichen Mut bewiesen, denn das Gebäude war nach jahrelangem Leerstand und unterschiedlichen Nutzungen unbewohnbar geworden. Es mussten umfassende Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden, darunter die grundlegende Erneuerung der Fassaden, Fenster und des Dachstuhls, die Neugestaltung der Wände, Decken und des Fußbodens sowie die Erneuerung der Elektro-, Sanitär- und Heizungstechnik. Großen Wert haben die Architekten auf den Erhalt der originalen Bauelemente gelegt: Tür- und Fensterrahmen aus Holz, Erkerturm, blau-weiße Fliesen, Wintergarten, üppige Stuckelemente und Lamperien wurden handwerklich detailgetreu überarbeitet und tragen viel zur authentischen Atmosphäre des Hauses bei.
Eingestreute Highlights
Der Grundriss des Hauses mit einer Wohnfläche von 297 Quadratmetern wurde komplett überarbeitet: Alte Wände wurden abgerissen, neue eingezogen. Das Interior ist zurückhaltend gestaltet: Weiße Wände und Decken treffen auf einen Boden aus Eichenholzparkett im Fischgrätmuster, der ein warmes Highlight setzt. Je nach Funktion der Räume wurden auch Fliesen- und Natursteinböden verlegt, die zuweilen historischen Dekoren nachempfunden sind. Dieser neutrale Hintergrund bereitet die Bühne für wenige, gezielt eingesetzte gestalterische Effekte: sei es nun eine auffällige, schwarz-weiß gestreifte Tapete (im Schlafzimmer), eine tiefrote oder eine graue Fläche (Gästetoilette bzw. Empfang). Die Möbel sind ebenfalls zurückhaltend in ihrer Form und Farbgebung, so dass alle Wirkung von der historischen Architekturkulisse ausgeht.
Schöne Sachlichkeit: die Bäder
Kontrastierend zum Neorenaissance-Stil der Villa wirken die Badezimmer schlicht, beinahe sachlich. Zwei davon sind im Dachgeschoss untergebracht. Das Hauptbad wird vom Master Bedroom aus über den großzügigen Flur erschlossen. Es verfügt über WC und Bidet, die zum Sichtschutz in einer Nische untergebracht sind, eine bodenebene Dusche und einen Waschtisch. Optisches Zentrum ist die vor dem Kniestock der Dachschräge eingebaute Badewanne, die von einem Dachflächenfenster überfangen ist. Der ganz in Weiß gehaltene, großzügige Raum mit einem Boden aus weißen Thassos-Marmor-Platten wird durch schwarze Kontraste – Einbaumöbel und die Vorwand der Wanne – belebt. Das En-Suite-Gästebad ähnelt in seiner Gestaltung dem Hauptbadezimmer, nur die raumgreifende Wanne fehlt.
Im Hier und Jetzt
Zur einheitlichen Gestaltung des Interiors gesellt sich der neu angelegte, parkähnliche Garten. Während der Zugang zum Haus von Nordwesten her über eine geschwungene Treppe erfolgt, liegt er im Süden des 1000 Quadratmeter großen Hanggrundstücks. Der Gartenentwurf spielt mit Geometrien. Eine neuangelegte große Terrasse, Wege, Grünflächen und Skulpturen sind linear gestaltet, ebenso wie der Neubau mit Doppelgarage – ein schöner Kontrast zur verschnörkelten Architektur. Dem Architekturbüro Schweizer Architekten ist in vierjähriger Bauzeit und mit aufwändigen Maßnahmen ein Umbau gelungen, der die historische Bausubstanz bewahrt und gleichzeitig die Anforderungen an zeitgemäßes Wohnen in den Fokus rückt.
FOTOGRAFIE Wolfgang Pulfer
Wolfgang Pulfer
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