Berliner Luftraum
Das Berliner Stadthaus des Architektenduos Heide & von Beckerath beeindruckt mit offenen Innenräumen.

Wohnungsbau ist das Thema der Gegenwart: Doch wie ein zeitgemäßer Umgang mit unserem privatem Lebensraum aussieht, spielt bei der Diskussion leider nur eine Nebenrolle. Ein Neubau des Architekturbüros Heide & von Beckerath im Zentrum Berlins zeigt die Möglichkeiten guter Architektur auf und beeindruckt als moderne Stadthaus-Interpretation mit starken Innenräumen. Designlines hat sich eine Wohnung angeschaut.
Ein Haus mitten in einem der größten Entwicklungsgebiete Berlins: dem Gleisdreieck-Park, der seit kurzem nicht nur eine wichtige Naherholungszone der Hauptstädter ist, sondern auch Flächen für tausende neuer Wohnungen im Zentrum der Hauptstadt zur Verfügung stellt. Das Baugruppen-Projekt der Architekten Tim Heide und Verena von Beckerath war das erste fertiggestellte Projekt an diesem Ort und wird auch nach Fertigstellung des ganzen Viertels seine Sonderstellung als kleines Baukunstwerk behalten.
Offene Türen
„Normalerweise gibt es immer Räume, die vorübergehend nicht zugänglich sind: Das Schlafzimmer ist tagsüber zu und damit auch aus dem Bewusstsein“, beschreibt Architektin Verena von Beckerath ihre Entwurfsgedanken für die Innenräume. „Hier soll es offen sein – alles soll zum Raum beitragen!” Und tatsächlich: Beim Besuch einer der Wohnungen erschließt sie sich einem sofort und wirkt dazu auch wesentlich größer, als die Flächenangabe von 88 Quadratmeter vermuten lässt. Das liegt vor allem an den wenigen Trennwänden und offen stehenden Türen: Der Raum fließt, weitet und verengt sich und springt von einer Ebene zur nächsten. Dazu ermöglichen die Schiebetüren eine gute Belichtung und Belüftung des innenliegenden Teils.
Kompakt bis ins Detail
Der Eingang mündet direkt in den zentralen Raum, der sich über zwei Ebenen erstreckt und dem die Küche und zwei Bäder zugeordnet sind. Von hier aus geht es zu beiden Seiten in jeweils zwei Zimmer, die bei Bedarf zusammengelegt werden können. „Für uns ist das Haus und die Gestaltung der Wohnungen ein Beitrag zu der ganz aktuellen Frage, wie man in Zukunft aus wenig Fläche viel Raum schafft,“ erklärt die Architektin. Hier ist alles benutzbarer Raum, kein Quadratmeter geht verloren.
Während die Wohnungsenden zur Straße und zum Hof hin komplett verglast sind, wurden die geschlossenen Längswände mit taschenartigen Rücksprüngen ausgebildet, in die ein Möbelsystem integriert wurde, das die Architekten für den Neubau entwickelten. Die Regale sind wichtiger Bestandteil der allgegenwärtigen Kompaktheit und ermöglichen erst den offenen Raum. Für die Gestalter ist das System daher der konsequente Abschluss ihrer gestalterischen Haltung zum Thema Wohnen.
Jeder Zentimeter einer zuviel
Auch bei der Ausstattung von Bad und Küche ist alles ein bisschen kleiner: Die Architekten wählten konsequent die kleinsten WC-Elemente und Waschbecken aus, da jeder Zentimeter einer zu viel hätte sein können. Und es funktioniert: Die Balance aus kompakten, offenen Räumen vermittelt Großzügigkeit – von Enge und Beklemmung keine Spur. Die Küche steht mitten im Raum, wirkt aber trotzdem nicht prätentiös. Das Schranksystem findet auch hier – im Unterbau des Blocks – seinen Einsatz.
Auch das Farbkonzept, das bereits an der Fassade seinen Anfang findet, spielte für Heide & von Beckerath eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Innenräume. Einbaumöbel, Deckenstrahler sowie die Schalterabdeckungen und –rahmen von Jung (LS 990) sind im Weißton auf die Wände abgestimmt. Der in zwei verschiedenen Grautönen gehaltene Kautschuk-Boden und das matt-grüne Schrankinnere erzeugen dagegen Tiefe und setzen das Farbspiel und die Ausdifferenzierung der Fassade im Inneren fort. Kein Eingriff der Architekten wirkt zu viel, im Gegenteil: Die Wohnung zeigt, in all ihrer Kompaktheit und klugen Detaillierung, wahre Größe.
FOTOGRAFIE Andrew Alberts
Andrew Alberts
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