Beton-Bollwerk der Stille
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In Japan baut man Häuser, die hätten wir in Deutschland auch sehr gern. Sie vereinen konsequente Gestaltung mit außergewöhnlichen haptischen Qualitäten. Auch im japanischen Shiga steht solch ein Haus. Entworfen vom Architekturbüro Kouichi Kimura Architects, ist hier ein überraschend sinnlicher Betonblock entstanden.
Von außen monolithisch geschlossen, innen mit offenem Grundriss – so kontrastvoll und doch harmonisch präsentiert sich das Einfamilienhaus. Im House of Silence in der Präfektur Shiga, umgeben von Bahngleisen und Straßen, ist man mittendrin im quirligen Stadtleben. Wohl auch deshalb wünschte sich der Bauherr ein komplett von der Nachbarschaft abgeschottetes Haus, ein Haus der Stille eben.
Klein als Herausforderung
394 Quadratmeter misst das Grundstück – das ist nur wenig mehr als die gesamte Wohnfläche des zweistöckigen Hauses. Nichts Ungewöhnliches in japanischen Städten, in denen Bauland rar und teuer ist. Doch Kouichi Kimura, der sich 1991 in Shiga mit einem eigenen Architekturbüro selbständig gemacht hat, ist ein Meister der reduzierten Form auf kleinem Grund. Aus seiner Feder stammen das extrem schmale und lange Promenade House, das kubisch-weiße Ordinary House oder das extravagant geformte Café Cross. Allen Projekten gemein ist die überaus geschickte Nutzung des Innenraums durch Ebenen, Treppen, unterschiedliche Raumhöhen, Innenhöfe und Möbeleinbauten sowie – je nach Lage der Objekte – die Abgrenzung der Häuser nach außen hin. Kouichi Kimura reduziert bei seinen Entwürfen bewusst die Materialien. Neben der Farbe Weiß – einige seiner Bauten gleichen einem white cube – ist Sichtbeton einer seiner bevorzugten Baustoffe.
Kontemplativer Kubus
Auch beim House of Silence spielt Beton die tragende Rolle. Von außen kennzeichnen verschiedene Volumen und auffällige Vor- und Rücksprünge den Flachdachbau. Diese Gestaltung zieht sich bis in den Innenraum. Das Gebäude wirkt hermetisch abgeschirmt, nicht nur wegen der Fassade aus Sichtbeton und dunkel glänzender Keramik. Auch, weil es kaum Fenster oder andere sichtbare Öffnungen gibt. Doch wer glaubt, dass es im Inneren des Hauses deshalb dunkel sein müsste, irrt. Die wenigen, doch großen Fenster, Oberlichter sowie ein Innenhof sorgen für eine geschickte Beleuchtung der Räume. „In diesem Haus bewegt man sich durch verschiedene Sequenzen, fast so als ginge man durch lichtdurchflutete Kreuzgänge“ erklärt Kouichi Kimura seinen Entwurf. Bis in den Innenraum verlängert der Architekt auch das Thema der Fassade: Beton und Keramik. Die zwei miteinander harmonierenden Materialien ergänzt er hier um Edelstahl und Leder. Aus Edelstahl ist beispielsweise der monolithische Küchenblock gefertigt, der zusammen mit dem Wohn- und Essbereich das Zentrum des Hauses bildet. Von hier geht der Blick auf den Hof, der von außen nicht einsehbar ist und ein flaches Wasserbecken birgt.
Ritual Wasser
Die Badezimmer atmen – ebenso wie Küche, Schlaf- und Gästezimmer sowie Büro – einen beinahe klösterlichen Geist. Kouichi Kimura fokussiert sich im Interior auf geradlinige, sehr reduzierte Möbeleinbauten wie Bänke, Schränke und Regale. Den Materialien und der Farbpalette von Weiß-, Grau- und Schwarztönen wird viel Raum gelassen. Auf zwei Etagen findet sich neben mehreren Toiletten- und Waschräumen auch ein größeres Bad im ersten Stock. Von hier führt eine Tür in einen Raum mit Badewanne, während eine andere den Raum zu einem begehbaren Kleiderschrank öffnet. Dem Badezimmer räumlich vorgeschaltet ist eine Toilette samt Handwaschbecken.
Floating space
Der sorgsame Umgang mit den Materialien, die über sehr haptische Qualitäten verfügen, ist bis in das kleinste Detail durchgehalten. Ein Beispiel für diese Detailgenauigkeit sind die verschiedenen Ebenen, die sich auch bei den Möbeleinbauten wiederfinden. Die Basen der Waschbecken oder der Betonunterbau eines Glastisches beispielsweise springen vor und zurück und nehmen so das Motiv der Raumebenen auf. Der höchste Punkt des Hauses liegt übrigens an der Nord-West-Ecke des Grundstücks und es ist sicherlich kein Zufall, dass der Architekt als Vorbild für das turmartige Gebilde einen Campanile nennt. Dieser Glockenturm aus Beton steht im Mittelpunkt eines Gebäudes, das über hohe skulpturale Qualitäten verfügt. Die verbinden sich aufs Schönste mit einem monochromatischen Interieur.
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Takumi Ota und Kei Nakajima
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