Betonpilz Reloaded
Großer Bruder, kleiner Bruder: Haus in Chile als architektonisches Experiment.
Es wirkt wie ein architektonisches Experiment: Kann man ein und dieselbe Gebäude-Geometrie an unterschiedlichen Orten platzieren, ohne dass sie an Kraft und Identität verliert? Dem jungen chilenischen Büro Pezo von Ellrichshausen ist genau das gelungen: Mit Guna House in Chile schufen sie eine spannende Variation ihrer Casa Pezo südlich von Barcelona.
„Ein steinernes Volumen in scheinbarem Schlafzustand!“ So beschreiben die Architekten ihr Guna House, das sich als Wohnskulptur aus Sichtbeton am Rande des kleinen Sees Laguna Chica in den Hang schmiegt. Der Neubau in Chiles zweitgrößter Stadt Concepción scheint sich allen topografischen Widrigkeiten entgegenzustellen und nach seinen eigenen Regeln spielen zu wollen.
Ungleiche Brüder
Der ältere Bruder des Hauses, die Casa Pezo, ist das erste realisierte Projekt der Architekturedition Solo Houses und könnte bei oberflächlicher Betrachtung ein Double des chilenischen Neubaus sein: Geometrie, Maße und Material stimmen exakt überein. Und doch gibt es genügend Unterschiede, die dem Guna House eine eigene Identität verleihen und die Architekten nicht als Wiederholungstäter wirken lassen. Vielmehr ist das Projekt in der Region Bío Bío als Fortsetzung eines architektonischen Experiments zu verstehen, das auch mit diesem Werk noch nicht zu Ende sein muss.
Der Unterschied zum Neubau in Chile liegt in der Lage und seiner Beziehung zum Innen- und Außenraum: Während sich das Gebäude in Spanien allein auf weiter Flur befindet und als schwebende Betonplattform über den Baumwipfeln eines Naturschutzgebietes thront, hat das Guna House deutlich weniger Platz, sich frei zu entfalten. Eingeengt zwischen Hang, Eukalyptusbäumen und See steht der Kubus in einer schmalen Schneise, die sich zum Wasser hin öffnet. Nach außen wirkt der Bau wesentlich verschlossener als sein europäischer Verwandter und tritt dadurch stärker als Volumen in Erscheinung. Dagegen öffnet er sich viel stärker nach innen und schafft eine Vielzahl von spannenden Sichtbezügen.
Streng nach Plan
20 mal 20 Meter sind die Außenmaße der oberen Wohnetage, die dank einer Konstruktion aus Vierendeel-Trägern – benannt nach seinem belgischen Erfinder – den Kern weit überragen kann. Auch dessen Seiten sind mit jeweils 8,5 Metern gleich lang. Darin befindet sich die Haustechnik, aber auch ein etwas zurückgezogen liegender Wohnbereich, dessen einzige Öffnung auf den See ausgerichtet ist. Ein besonderes Highlight der Betonarchitektur ist die Treppenanlage, die Erd- und Obergeschoss sowie See und Patio miteinander verbindet: Pezo von Ellrichshausen transformierten den Aufgang in eine fast Escherartige Skulptur.
In der Matrix
Die Grundfläche der unteren Etage entspricht der des darüberliegenden Hofs – und auch im Inneren des oberen Geschosses setzt sich das Spiel mit der Symmetrie fort. Ein umlaufender Flur seziert das Volumen in ein Raster aus Zimmern, die mit ihrem jeweiligen Gegenüber identisch sind. Gleichzeitig zeichnet er das Tragwerk des Baus nach: Willkommen in der Matrix!
Das Obergeschoss ist als Beletage ausgebildet und soll, wenn es nach den Architekten geht, für die Unannehmlichkeiten des abfallenden Geländes und der umständlichen Erschließung entschädigen. Das tut es auch: Mit Sichtbezügen in alle Richtungen schafft es die Architektur, die Spannung des äußeren Erscheinungsbilds auch im Inneren fortzusetzen. Verglaste Durchbrüche in Boden und Decke, die selbstverständlich streng dem Grundraster folgen, bieten neben den Ausblicken in die Landschaft zusätzlich Einblicke in die Räumlichkeiten. Mit Guna House haben Pezo von Ellrichshausen ein gelungenes Sequel zur Casa Pezo geschaffen und ihr Architekturexperiment fortgesetzt: Wir sind gespannt auf den nächsten Schritt der Versuchsreihe.
FOTOGRAFIE Pezo von Ellrichshausen
Pezo von Ellrichshausen
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