Betonskulptur mit Ausblick
Schwedisches Wochenendhaus von Tham & Videgård
Sich in der Natur aufzuhalten heißt, dem städtischen Trubel vorübergehend den Rücken zu kehren. Die Sehnsucht nach Einfachheit, Menschenleere und Weite ist oft die Ursache für einen solchen Ausbruch aus dem Alltag. Wie wilde Natur in einen spannenden Dialog mit anspruchsvoller Architektur treten kann, zeigt ein Wochenendhaus von Tham & Videgård Arkitekter auf einer Schäreninsel in Schweden.
Mit distanzierter Nüchternheit ragt die geometrische Betonskulptur aus den schroffen Felsen der Schäreninsel. In weniger als einer halben Stunde von Stockholm erreichbar, bietet das ungewöhnliche Ferienhaus einer Familie luxuriöse Erholungsräume inmitten einer nahezu unberührten Naturlandschaft. Die Grundform des House on a Hill ist ein Oktagon, das mit Flächen und Freiräumen spielt. Massive Betonwände wechseln sich mit Öffnungen ab und inszenieren damit die Ausblicke auf die eindrucksvolle Landschaft der Schärenküste Schwedens. „Wir haben uns das Haus als reine Struktur vorgestellt, bei der sich Innen- und Außenräume vermischen und der Fokus auf die Landschaft gerichtet bleibt“, so die beiden Gründungspartner Martin Videgård und Bolle Tham.
Rotation mit Ausblicken
Eine Zufahrtstraße führt entlang einer steilen Klippe zu dem dreigeschossigen Wohnhaus, dessen Form sich erst allmählich durch die räumliche Annäherung erschließt. Der Eingangsbereich mit Sauna, Stellplätzen und Lager ist im Hanggeschoss angesiedelt. Der Wohnraum im Stockwerk darüber – mit Küche und Esstisch sowie einem Schwimmbecken – öffnet sich im kreuzförmigen Grundriss mit großformatigen Glasflächen zum Außenbereich. Schlaf- und Rückzugsräume im Obergeschoss sind ebenfalls kreuzförmig angelegt, allerdings wurde der Grundriss um 45 Grad gedreht. „Durch die Rotation haben wir eine gewisse Labyrinth-Wirkung geschaffen, bei der die Landschaft zum Bezugspunkt wird und sich damit gleichzeitig auf die Bewegungen im Inneren auswirkt“, erläutern die beiden Architekten das Konzept. Durch den Versatz entsteht eine Faltung in der Fassade, die zugleich auf beiden Etagen windgeschützte Terrassen formt.
Wohnen in der Natur
Das Interior wird dominiert von Sichtbetonwänden, -decken und -böden, die durch raumhohe Verglasungen an den Innenseiten des kreuzförmigen Grundrisses abgelöst werden. An den Schnittstellen erweitern großzügige Terrassen den Innenraum nach außen. Mit hellen Grautönen ordnet sich die sparsam geplante Möblierung farblich dem Hauptakteur Beton unter. Im Bereich der offenen Küche bestehen die Möbel aus mattem Stahlblech und der Küchenblock wurde mit grauem Stein verkleidet. Lediglich die Türen und die Einbauschränke im Obergeschoss sind aus Holz gefertigt und bilden einen warmen Kontrast zu der ansonsten kühl inszenierten Wohnlandschaft. Das Bindeglied zwischen den Geschossen, zwischen Wohnen, Essen, Kochen, Schwimmen, Spielen und Schlafen, stellt eine filigrane, weiße Wendeltreppe im geometrischen Zentrum des Grundrisses dar. Sie bildet zusammen mit dem Oberlicht die gedachte Rotationsachse des Oktagons.
Dialog der Elemente
Der rhythmische Wechsel von geschlossenen und offenen Flächen ermöglicht einen Ausblick von 360 Grad. Dem eher massiven Gebäudekörper nimmt der rotierende Grundriss geschickt die Monumentalität. „Aus der Ferne bietet das origamiartig gefaltete und gedrehte Volumen alternative Lesarten von Masse und Leere, was dem Gebäude gleichzeitig eine massive und transparente Qualität verleiht“, sagen die Architekten. Das Wochenendhaus stillt die Sehnsucht nach dem Eintauchen in die Natur, ohne dass dabei auf Komfort verzichtet werden muss.
FOTOGRAFIE Åke E:son Lindman Åke E:son Lindman
| Chef-Architekten: | Bolle Tham und Martin Videgård |
| Bebaute Fläche: | 537 m² |
| Fläche des Standorts: | 19 380 m² |
| Bauzeit: | 2014 – 2022 |
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