Projekte

Bills Blaues Wunder

von Claudia Simone Hoff, 13.09.2012


Vor Kurzem bot sich ein überraschendes Bild: Bill Gates ließ sich in Seattle die Funktion einer Toilette erklären. Und zwar vom österreichischen Designer Harald Gründl, Mitbegründer des Wiener Büros EOOS. Dabei handelt es sich keineswegs um ein hochglänzendes Designerstück. Sondern um die Neuerfindung der Toilette, die ohne Kanalisation, Strom- und Wasseranschluss auskommt. Reinventing the toilet heißt das Projekt der Bill & Melinda Gates Foundation, das 2,5 Milliarden Menschen den Zugang zu sicheren und günstigen Sanitäranlagen ermöglichen soll.

 
So viele Menschen sind es nämlich, die über keine ausreichende Toiletten-Infrastruktur verfügen. Das Problem ist weitreichend, werden durch mangelnde Hygiene doch unzählige, teils tödliche Krankheiten wie Cholera oder Diarrhoe übertragen. Die Bill & Melinda Gates Foundation hat deshalb 22 Universitäten und Forschungseinrichtungen zu einem hoch dotierten Wettbewerb eingeladen, mit dem Ziel, eine nachhaltige Lösung des Problems zu finden. Ende 2011 waren noch acht Teilnehmer im Rennen, darunter so illustre Namen wie das California Institute of Technology, das am Ende für seine solarbetriebene Toilette mit dem ersten Preis bedacht wurde.

Eine etwas andere Designaufgabe

Die Toiletten-Idee des Designbüros EOOS – bekannt geworden mit Produktentwürfen für Bulthaup, Walter Knoll und Duravit  – unterscheidet sich von den anderen Entwürfen im Wettbewerb vor allem durch seine gelungene Gestaltung: abgerundete, leicht zu reinigende blaue Flächen, die sich dem Nutzer ohne Erklärung erschließen. Das einfach zu unterhaltene Toiletten-Modul namens Diversion ist ultrakompakt und kann dadurch gut in bereits bestehende Architekturen eingebaut werden, beispielsweise in Toiletten-Häuschen mit Plumpsklo. Zudem kann es vor Ort produziert und leicht transportiert werden.

Beim Entwurf der Wiener handelt sich um eine Stehtoilette mit raumhoher Rückwand. In die Wand integriert sind zudem ein rundes Waschbecken und ein Handschlauch zur weiteren Hygiene. Neben diesen Grundfunktionen hat sich EOOS auch Gedanken über den Komfort gemacht und das Sanitärmodul mit einem eingebauten Seifenhalter, einer integrierten Leuchte und einer Haltevorrichtung für ältere oder behinderte Menschen ausgestattet. „Wir haben die Toilette so entworfen, dass sie überall funktioniert, vom Slum in Kampala bis zum Wochenendhaus eines Millionärs mitten in der Wildnis“, so Harald Gründl. Der Prototyp von EOOS, der sowohl für Einzelhaushalte als auch für größere Nutzergruppen gedacht ist, wurde von der Bill & Melinda Gates Foundation für die Gestaltung mit einer „besonderen Anerkennung“ und einem Geldbetrag von 40.000 Dollar honoriert.

Design trifft auf Technik

Nun mag manch einer einwenden, dass das Design einer Toilette für den Einsatz in armen Ländern weniger wichtig ist, doch verfügt die Division-Toilette darüber hinaus über eine ausgeklügelte Technik, die EOOS während der einjährigen Projektphase in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Forschungsinstitut EAWAG (Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz) und der Verfahrensingenieurin Tove Larsen entwickelt hat. Vorgabe des Wettbewerbs der Bill & Meldinda Gates Foundation war nicht nur die eine Toilette, die ohne Kanalisation und Fremdenergie funktioniert. Die entstandenen Abfälle sollten zudem in den Stoffkreislauf eingebaut und der Betrieb der Toilette nicht mehr als fünf Cents pro Tag und Person betragen – ganz im Unterschied zu den kosten- und ressourcenintensiven Wasserklosetts in unseren Breitengeraden.

Obwohl kein Wasseranschluss vorhanden ist, steht bei der Diversion-Toilette pro Spülgang ein bis 1,5 Liter Wasser zur Verfügung. Denn das Klo verfügt über einen eigenen Wasserkreislauf mit eingebautem Reinigungssystem, das keimfreies Brauchwasser garantiert. Außerdem werden die flüssigen und festen Hinterlassenschaften geruchlos und getrennt voneinander in verschließbaren Behältern gesammelt, die sich im Sockel des Toilettenmoduls befinden. Sie ermöglichen den hygienischen Abtransport der Abfälle, die dann weiterverarbeitet werden können, enthalten sie doch wertvolle und recyclebare Ressourcen wie Wasser, Harnstoff, Salze und Mineralien.

Nachhaltiger Zyklus


EOOS führt die Idee noch weiter und hat zusätzlich zur eigentlichen Toilette ein einfaches Sammelfahrzeug sowie eine Aufbereitungsanlage für die Umwandlung von Exkrementen in Dünger und Biogas entworfen. Hinter dem Entwurf steckt die clevere Geschäftsidee eines kompletten Sanitärsystems, das in armen Ländern folgendermaßen funktionieren könnte: Ein einheimischer Unternehmer vermietet die Toiletten an die Nutzer, organisiert die Sammeltouren, betreibt die Aufbereitungsanlagen und verkauft anschließend die gewonnenen Produkte. 
 
Noch ist die Diversion-Toilette ein Prototyp, doch Forscher und Designer planen für nächstes Jahr Praxistests in den Slums von Kampala. Für die Menschen dort bleibt zu hoffen, dass es nicht bei den Tests bleiben wird.    

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Links

Projektdesigner

EOOS

www.eoos.com

EAWAG

Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz

www.eawag.ch

Bill & Melinda Gates Foundation

www.gatesfoundation.org

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