Projekte

Borgo auf Beton

Wiedergeburt einer mittelalterlichen Häuseransammlung von Gardini Gibertini in den Marken

Wie auf einem Tablett angerichtet ruhen zwei der drei Neubauten auf einer Betonplatte inmitten der sanften Hügellandschaft der Marken. Die Plattform aus mattrotem Zement dient als Trennlinie zwischen Alt und Neu: Unter ihr liegen die Überreste einer historischen Häuseransammlung, über ihr befindet sich deren Neuinterpretation. Das Ensemble markiert die Wiedergeburt einer mittelalterlichen, in Italien häufig zu findenden Gebäudetypologie: des Borgos.

von Tim Berge, 04.12.2017

Vom Massentourismus bisher verschont, sind die Marken eine der unterschätztesten Regionen Italiens. Neben seiner hügligen Landschaft, die an die benachbarte Toskana erinnert, und einer exzellenten Küche verfügt der Landstrich über eine Vielzahl sehenswerter mittelalterlicher Bebauungen. Nahe der Stadt Urbino hat das junge Architekturbüro Gardini Gibertini aus Rimini ein Ensemble aus drei Neubauten errichtet. Mit der Struktur knüpfen die Planer an die Idee des Borgos an, einer kleinen Ansiedlung von Häusern, die sich um einen Platz herum gruppieren. Während eins der Bauwerke etwas abseits auf einer künstlich geschaffenen Anhebung steht, befinden sich die anderen beiden Gebäude auf einer Sockelplatte aus rotem Beton, deren Ausmaße von 38 mal 20 Metern die Landschaft deutlich dominieren. Ein bewusster Eingriff der Architekten, um für eine klare Trennung zwischen Historie und Gegenwart zu sorgen.

Architektonische Bindeglieder
Neben der Zementplatte gibt es aber noch ein weiteres, für den Besucher unsichtbares architektonisches Bindeglied: ein unterirdischer Verbindungsgang. Dieser sorgt nicht nur für eine Verknüpfung der zwei Wohnhäuser, er erzeugt auch einen weiteren Bezug zur Historie, da er auf derselben Ebene wie die mittelalterlichen Überreste einer Grabkammer liegt. Aber auch die puristische Architektur der Neubauten versteht sich als eine Referenz an die Vergangenheit und die Bautraditionen der Region. Die Fassade aus lokalem Stein ergänzen Alice Gardini und ihr Partner Nicola Gibertini mit eingeschobenen Holzlamellen, die allerdings undurchsichtig bleiben. Als minimalistische Artefakte ruhen die Häuser in der Landschaft und generieren ihre Identität rein aus dem Zusammenspiel mit der sie umgebenden Natur. Weder Regenrinnen, außen liegende Rohre oder metallene Einfassungen stören die geometrische Strenge und formale Reduziertheit der drei Bauten.

Betreten wird das Hauptgebäude durch die in den Hügel integrierte Einfahrt und Garage: Herumstehende Autos sollen den aufgeräumten Anblick der Architektur nicht stören. Im Untergeschoss platzieren die Architekten ein kleines Kino, einen Ausstellungsraum und einen Spa- und Fitness-Bereich. Die labyrinthartige Grundrissorganisation löst sich in den darüber liegenden Etagen in puren Raum auf. Der großzügige und zum Teil doppelgeschossige Wohnbereich sowie die Schlafzimmer öffnen sich über bodentiefe Fenster zum Außenraum.

Während außen klassisch-traditionelle Werkstoffe verbaut wurden, legen die Architekten im Inneren die Konstruktion frei und sorgen damit für eine radikale Kehrtwende bei der Materialwahl. Wände und Decken bestehen aus rauem Sichtbeton. Einzig der rote Beton der Betonplatte zieht sich als Bodenbelag von außen nach innen. Die nachträglich eingefügten Zwischenwände sind in neutralem Weiß gehalten, sämtliche Einbauten wurden aus Walnussholz gefertigt. Die Neuinterpretation der traditionellen Typologie des Borgos gelingt Gardini Gibertini nicht nur durch das materielle Wechselspiel, sondern auch dank einer roten Betonplatte, die in Italien ihresgleichen sucht.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

GGA gardini gibertini architetti

www.gardini-gibertini.it

Fotograf

Ezio Manciucca

www.eziomanciucca.it

Wohnensemble in Urbino

Neubau / 1.080 Quadratmeter / Italien / 2014–2017

Mehr Projekte

Chromatische Wolkenreise

Ein irisierendes Apartment von Martín Peláez in Madrid

Ein irisierendes Apartment von Martín Peláez in Madrid

Haus ohne Grenzen

Treppauf, treppab und hoch hinaus in Tokio

Treppauf, treppab und hoch hinaus in Tokio

Schön schlicht

Umbau eines Wohnhauses in Kutná Hora von BYRÓ Architekti

Umbau eines Wohnhauses in Kutná Hora von BYRÓ Architekti

Ästhetik und Funktionalität

Ausstattung einer Wohnung in Mailand von Zitturi

Ausstattung einer Wohnung in Mailand von Zitturi

Monolith mit einem Herz aus Neon

Ferienhaus im Nationalpark von one-aftr

Ferienhaus im Nationalpark von one-aftr

Viel Raum auf kleiner Fläche

Flexible Single-Wohnung in Madrid von Nula.Studio

Flexible Single-Wohnung in Madrid von Nula.Studio

Der Pionier von Palma

Ein nachhaltiges Wohnhaus von Feina Studio

Ein nachhaltiges Wohnhaus von Feina Studio

Alles Latte

Holzkonstruktion wird zum verbindenden Element

Holzkonstruktion wird zum verbindenden Element

Radikales Raffinement

Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Aus halb wird ganz

Umbau einer Altbauwohnung in Barcelona von Raúl Sánchez

Umbau einer Altbauwohnung in Barcelona von Raúl Sánchez

Es bleibt in der Familie

JanskyDundera gestaltet eine Wohnetage in Klatovy neu

JanskyDundera gestaltet eine Wohnetage in Klatovy neu

Schutzraum wird zum Wohnraum

Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Skandinavien im Unterallgäu

Umbau eines Bauernhofs in moderne Ferienwohnungen

Umbau eines Bauernhofs in moderne Ferienwohnungen

Eine Hütte fürs Handwerk

Transformation eines englischen Stalls von HUTCH Design

Transformation eines englischen Stalls von HUTCH Design

Rekonstruktion einer Landschaft

Ein energieeffizienter Stelzenbau in Spanien

Ein energieeffizienter Stelzenbau in Spanien

Farbe unterm Reetdach

Ein transformiertes Haus am See von Keßler Plescher Architekten

Ein transformiertes Haus am See von Keßler Plescher Architekten

Das große Schwarze

Massivholzhaus am See von Appels Architekten

Massivholzhaus am See von Appels Architekten

Einzug der Gegenwart

Wohnhaus-Umbau in den Niederlanden von Studio Modijefsky

Wohnhaus-Umbau in den Niederlanden von Studio Modijefsky

Urbanes Paradies

Apartment mit Pool-Anschluss von Studio Gameiro in Lissabon

Apartment mit Pool-Anschluss von Studio Gameiro in Lissabon

Kleines Raumwunder

Mikroapartment in Barcelona von LAMA Studio

Mikroapartment in Barcelona von LAMA Studio

Grün gerahmte Wohnfläche

Schmiedhof im Berliner Viktoria-Quartier von Christopher Sitzler

Schmiedhof im Berliner Viktoria-Quartier von Christopher Sitzler

Konservierte Schönheit

Sanierung eines Dreiseithofs im Taunus

Sanierung eines Dreiseithofs im Taunus

Spiel der Kontraste

Atelier ST entwirft ein Wohnhaus in Leipzig

Atelier ST entwirft ein Wohnhaus in Leipzig

Valencianischer Tanz

Zwei mediterrane Urlaubsapartments von Masquespacio

Zwei mediterrane Urlaubsapartments von Masquespacio

Botanik trifft Brutalismus

Umbau eines Reihenhauses in London von Pricegore

Umbau eines Reihenhauses in London von Pricegore

Licht, Luft und dreierlei Holz

Umbauprojekt von Declan Scullion in Dublin

Umbauprojekt von Declan Scullion in Dublin

Skulpturen im Raum

Künstlerapartment in Prag von Neuhäusl Hunal

Künstlerapartment in Prag von Neuhäusl Hunal

Aufwachen im Schnee

Ferienhaus bei Oslo von Fjord Arkitekter

Ferienhaus bei Oslo von Fjord Arkitekter

Schaukasten zwischen Kiefern

Wohnhaus in Massiv- und Modulbauweise von delavegacanolasso

Wohnhaus in Massiv- und Modulbauweise von delavegacanolasso

Das Wohnregal

Ein 45-Quadratmeter-Apartment von Atelier tao+c in Shanghai

Ein 45-Quadratmeter-Apartment von Atelier tao+c in Shanghai