Botanik trifft Brutalismus
Umbau eines Reihenhauses in London von Pricegore

In London hat das Architekturbüro Pricegore ein Reihenhaus aus den Sechzigerjahren umgebaut. Das Sichtbeton-Interieur bietet eine passende Kulisse für die Kunstsammlung der Bewohner*innen. Ein neuer Grundriss und ein Anbau schaffen Platz fürs Familienleben und ermöglichen den Ausblick ins Grüne.
Mit dem Townhouse aus den Sechzigerjahren von Morgan and Branch Architects liebäugelten die Bauherr*innen schon länger. Denn eigentlich ist der Londoner Stadtteil Chelsea geprägt durch Häuser aus der viktorianischen Ära. Da fällt der moderne Wohnblock aus der Reihe. Als sich 2020 die Gelegenheit ergab, das Reihenhaus zu kaufen, nutzten sie die Chance. Trotz ihrer Begeisterung für den Baustil war klar, dass es einer Sanierung und eines Umbaus bedurfte. Durchgeführt wurden diese vom Architekturbüro Pricegore.
Respekt vor dem Bestand
„Wenn wir mit einem bestehenden Gebäude arbeiten, ist es fast immer unser Ziel, die der ursprünglichen Architektur innewohnenden Qualitäten zu verstärken“, erklärt Dingle Price, Direktor der das Büro Pricegore gemeinsam mit Alex Gore gegründet hat. „Wir bewunderten das rationale Design dieses brutalistischen Reihenhauses und seinen formalen Ausdruck, aber die Innenräume mussten an das zeitgenössische Leben angepasst werden und natürlich bedurfte es einer vollständigen Renovierung im Hinblick auf die Wärmeleistung und Energieeffizienz.“
Folgenreiche Entdeckung
Statt fünf Zimmern sieht der neue Grundriss im Erdgeschoss nur drei vor. Dadurch erscheint das Haus deutlich luftiger und entspricht mit seinen großzügigen Gemeinschaftsräumen eher den heutigen Ansprüchen einer Familie. Unterstrichen wird diese offene Wirkung durch den Anbau an der Gartenseite. Bei der Begehung fiel den Architekt*innen ein großer Höhenunterschied zum Nachbargrundstück auf. Recherchen in Archiven ergaben, dass der Bau auf dem Fundament einer viktorianischen Häuserreihe errichtet wurde. Daher konnte der Garten knapp eineinhalb Meter tief ausgehoben und das Haus erweitert werden, ohne dass eine kostspielige Untermauerung notwendig war. An der höchsten Stelle ist das Wohn- und Esszimmer mit seinen sichtbaren Stützmauern aus Beton jetzt 3,6 Meter hoch – ein ganz neues Raumgefühl im Vergleich zum eher niedrigen Bestand. Unterstrichen wird die großzügige Anmutung durch die üppige Vegetation des Gartens. Die tropische Pflanzenauswahl erinnert an brasilianische Midcentury-Architektur.
Grünes Gewölbe
Durch den Höhenunterschied ergibt sich eine interessante Split-Level-Konstruktion mit dem Wohnzimmer, der offenen Küche und dem Esszimmer auf der untersten Ebene. Einige Stufen führen zum Flur, von dem der Hauswirtschaftsraum und das Treppenhaus abgehen. Im ersten Stock, wo sich ursprünglich das Wohnzimmer befand, richteten die Architekt*innen vor bodentiefen Fenstern eine Art Loggia ein. Die Verglasung lenkt den Blick auf die üppigen Pflanzen und Gräser auf dem Dach der Erdgeschosserweiterung. Die Vegetation wirkt wie eine grüne Schwelle, die Privatsphäre bietet. Durch eine Schiebetür abgetrennt, schließt sich ein kleiner, kabinettartiger Fernsehraum an, der auch als Gästezimmer genutzt werden kann.
Gut geruht
Im zweiten Stock befinden sich zwei Schlaf- und ein Badezimmer. Im obersten Stockwerk ist die atelierartige Master-Suite untergebracht. Das Team von Pricegore ließ Wände zugunsten großzügiger Räume weichen. Eine frei stehende Badewanne unter dem Fenster ermöglicht den Blick in die Baumwipfel. Der begehbare Kleiderschrank mit Tageslicht würde Carrie Bradshaw aus Sex and the City vor Neid erblassen lassen. Durch Trennsäulen oder abgesenkte Fensterbänke wurden die Proportionen subtil verändert, zugleich aber wurde der Charme des Bestands beibehalten – mithilfe von Details wie den zu den vorhandenen Rahmen passenden Aluminiumfenstern.
Pure Materialien
Um der Kunstsammlung der Bauherr*innen eine Bühne zu geben, nimmt sich der Umbau farblich zurück, abgesehen von der roséfarben verkleideten Küche und dem Treppenhaus mit grünen Wänden. Stattdessen setzte Pricegore auf rohe Materialien: Die gerippten Betonplatten ließen die Architekt*innen freilegen und kalken, vorhandene Betonbalken sandstrahlen. Sie verbesserten die Energiebilanz des Gebäudes durch eine zeitgemäße Dämmung und bauten eine Luftwärmepumpe ein.
Mit dem Umbau überführten die Planer*innen das Haus in die Gegenwart. „Wir betrachten das Projekt als eine Zusammenarbeit mit den ursprünglichen Architekten Morgan and Branch. Sie entwarfen ein Haus, das ihrer Zeit entsprach“, sagt Dingle Price. „Sechzig Jahre später haben wir es nach den spezifischen Anforderungen einer Familie umgestaltet und nach Standards renoviert, die hoffentlich auch die nächsten sechzig Jahre und darüber hinaus Bestand haben werden.“
FOTOGRAFIE Johan Dehlin Johan Dehlin
Projektname | Chelsea Brut |
Architektur & Innenarchitektur | Pricegore |
Architekten Bestand | Morgan and Branch Architects |
Landschaftsarchitektur | FFLO |
Ort | London, Großbritannien |
Fläche | 215 Quadratmeter |
Fertigstellung | Dezember 2022 |
Verglasung | Otiima |
Tischlerarbeiten | Laki |
Mikrozement & Kalkputz | CMG |
Beleuchtung | Astro, Ifö Electric, Zangra |
Schalter und Steckdosen | Wandsworth Electrical |
Beton in situ | Nida |
Betonfertigteile | Da Vinci Designer Concrete |
Betonboden | The Concrete Flooring Company |
Holzböden | Ted Todd |
Handlauf für Treppen | Handrail Creations |
Sanitärkeramik | GSI Classic, Gessi, Hurlingham |
Küchengeräte | Miele |
Eisenwaren | Pricegore, D line |
Gartenbepflanzung | Leahurst Nurseries |
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