Chromatische Wolkenreise
Ein irisierendes Apartment von Martín Peláez in Madrid
Die Stimmung erinnert an einen Sonnenaufgang über reinweißen Wolken, begleitet von blassen Farben und irisierenden Reflexen. Mitten in der ätherischen Stille der Räume ist kaum zu glauben, wo sich das von Martín Peláez gestaltete Apartment befindet: Nur einen Steinwurf entfernt liegen die belebte Plaza Mayor und das touristische Zentrum von Madrid.
Für den Beginn dieser Geschichte geht es zurück ins Jahr 1882. Damals wurde das Gebäude errichtet, in dem sich das kleine Apartment befindet. Einen Hinweis auf die Entstehungszeit geben die für diese Epoche typischen konstruktiven Elemente wie Holzpfeiler und Balken. Den visuellen Anschluss an die Stadt hat die Wohnung allerdings noch nie geboten: Die Fenster geben zwar den vollen Blick auf den Himmel frei, die Straße hingegen ist nicht Teil des Panoramas. Als Ainhoa Martín und Francisco Peláez, das Gründungsduo des Madrider Designstudios Martín Peláez, die Wohnung das erste Mal besichtigten, inspirierten sie das Layout und die Atmosphäre sofort für die Themenfindung und den Umbau. „Die fünf Fenster rahmen den Himmel ein und zeigen seine wechselnden Farben und Formen, Sonnenuntergänge und -aufgänge“, berichten sie von ihren Eindrücken. Gleichzeitig hatten sie beim Betreten der Räume das Gefühl, eine Höhle zu besuchen – ein sicheres Refugium vor dem urbanen Rummel und eine Enklave der Entschleunigung.
Helle Höhle
Peláez und Martín beschlossen, die beschützende Höhlenatmosphäre mit einer hellen und pastelligen Farbpalette zu verbinden und das Licht als besonderen Protagonisten zu inszenieren. Beides erschien ihnen auch die perfekte Entsprechung zum Charakter des Kunden zu sein, der in der spanischen Hauptstadt bei einem großen Tech-Unternehmen arbeitet. „Er ist ein freundlicher und fröhlicher Mensch, der davon träumt, einen positiven Raum für sich zu haben – er nennt sein Zuhause my happy place...“, resümieren die Planer*innen. Nach einem stressigen Arbeitstag soll die Wohnung ein Kraftort sein, an dem Energie getankt und Ruhe zelebriert werden kann. Das Interieur ist deshalb minimalistisch angelegt und in der Grundfarbe Weiß gehalten – farbliche Akzente werden nur punktuell gesetzt.
Der Himmel über Madrid
Vor dem Umbau wurde die 60 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung entkernt. Dadurch kamen die hölzernen Deckenbalken zum Vorschein und die Räume gewannen an Höhe. Außerdem wurden die beiden vorderen Räume zusammengelegt, sodass Küche und Wohnbereich fließend ineinander übergehen. Zuletzt wurde im gesamten Apartment ein spiegelgrauer Estrich gegossen und jede andere Fläche, von den Wänden über die Balken bis zur Decke, reinweiß gestrichen. Der neutrale Zustand wirkt jetzt wie eine Leinwand für die Einbauten. Das Team von Martín Peláez hat die Stauraumlösungen auf Maß fertigen lassen und eigens passendes Mobiliar entworfen. Farblich und thematisch wurde der Himmel zum Tonangeber. Vom abgestuften Garderobenspind, der mittig als Sideboard dient und als TV-Möbel im Wohnraum mündet, bis zum Küchenblock sind alle Schränke monochrom in Himmelblau furniert.
Solare Huldigung
Das Badezimmer – ein Raum, der vor allem morgens und abends frequentiert wird – thematisiert dazu passend die täglichen Dämmerungszustände der Natur. Mit hellorangefarbenen Fliesen und einem Wandanstrich in Apricot empfängt es seinen Nutzer mit einem sonnigen Farbbad, das bei geöffneter Tür in die angrenzenden Räume zu schwappen scheint. Dieses Spiel aus Licht, Farbe und Reflexion findet sich in den Räumen immer wieder: Irisierende Spiegelglasflächen werfen bunte Schemen an die Wände und schillernde Glasplatten filtern das Licht. In den reinweißen Räumen mit ihren verschwimmenden Raumgrenzen entsteht ein Spiel aus Ebenen und Geometrien: Blockschränke, Kegelleuchten und Zylinderhocker besiedeln die Fläche wie bunte Bauklötzchen. Einen besonderen Beitrag im himmlischen Themenkosmos leisten die beiden „Wolkentische“, die das Designduo speziell für das Projekt entworfen hat. Transparente Kunststoffrohre bringen die Tischplatten aus weiß beschichtetem Sperrholz in die Schwebe, die mit ihren bauchig ausgestülpten Silhouetten an wattige Kumulus-Formationen erinnern. Mit den Zutaten Sonne, Wolken, Licht und Luft transportieren die Designer*innen den Himmel mitten in die Wohnung – und schaffen einen meditativen Ort für ihren Auftraggeber.
FOTOGRAFIE Alberto Amores Alberto Amores
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