Das 11.000-Dollar-Haus
Einer für alle, alle für einen: Der Bau von Jesus Galvans Wohnhaus dauerte lange, kostete dafür wenig.
Am Rande von Mexikos drittgrößter Stadt Monterrey steht ein Gebäude, das auf den ersten Blick wie das Feriendomizil einer großbürgerlichen Familie oder das Atelier eines renommierten Künstlers aussieht. Die zweistöckige Betonkiste gehört allerdings dem Handwerker Jesus Galvan und seiner Frau Norma, die das Haus in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro S-AR und ihrer gemeinnützigen Initiative Comunidad Vivex geplant und errichtet haben.
Das Hauptanliegen von Comunidad Vivex ist es, Menschen mit niedrigem Einkommen den Zugang zu guter Architektur und eigenem Besitz zu ermöglichen. Ein Großteil der Bauarbeiter Mexikos lebt weder in einem eigenem Haus, noch könnten sie sich eines leisten – das will die Initiative ändern. Durch die Beteiligung von Sponsoren und die viel Eigenleistung sollen die Kosten für das Eigenheim niedrig gehalten werden. Gleichzeitig können die neuen Bauherren wertvolles Wissen erwerben, das ihnen in Zukunft bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschaffen könnte.
Guter Grundriss
Das Haus Casa Caja, was übersetzt „Boxhaus“ bedeutet, ist das Ergebnis dieses Engagements. Es steht auf einem Grundstück mit der Standardgröße von 7 mal 15 Metern und ist als Box in der Box konzipiert: Die erste Kiste definiert als umlaufende Mauer das Grundstück, die zweite das Wohnhaus. Das Gebäude füllt den vorhandenen Raum nicht vollends aus, sodass ein kleiner, seitlicher Hof entsteht, der in Zukunft noch bebaut werden könnte. Im Erdgeschoss befinden sich der Wohn- und Essbereich der Familie sowie das Schlafzimmer des ältesten Kindes. Unter dem Treppenaufgang, der dritten eingeschobenen Box, können bei Bedarf Möbel verstaut werden. Auch eine Nutzung als Ladengeschäft wurde von den Architekten angedacht und ist mit nur wenigen Umbauten möglich.
Frische Luft
Das Obergeschoss ist der eigentliche Privatbereich, in dem die Eltern und ihre zwei jüngsten Kinder schlafen. Ein zentraler Wohnraum kann über geschickt platzierte Türen komplett geöffnet oder geschlossen werden: Aus öffentlich wird in Sekundenschnelle privat. Außerdem ermöglicht die Konstellation eine gute Durchlüftung und Belichtung der Innenbereiche, die im Obergeschoss nur durch schmale Fenster mit dem Außenraum verbunden sind.
Poetischer Beton
Gebaut wurde das Haus aus vorgefertigten Zementblöcken, die auf vor Ort gegossenen Betonplatten übereinander gestapelt wurden. Das Material, seine modulare Form und die einfache Verarbeitungsweise sind ein wichtiger Grundstein für die erstaunlich niedrige Bausumme von 11.600 US-Dollar. Zusammen mit den großformatigen Glasflächen ergibt sich eine, auf den ersten Blick, rau und kühl wirkende Raumatmosphäre, die jedoch im Zusammenspiel mit den Holzmöbeln, bunten Stoffen und persönlichen Gegenständen der Bewohner ins Gegenteil umschwenkt. Dazu symbolisiert der Werkstoff eine gewisse (gebaute) Ehrlichkeit, die dem Projekt seine Poesie verleiht.
Drei Jahre Freizeit
Da das Haus ausschließlich von Jesus Galvan, seiner Familie und Freunden errichtet wurde, musste der Bau in der Freizeit aller Beteiligten vollzogen werden: Einen Tag pro Woche wurde an der Fertigstellung gearbeitet, was auch die lange Entstehungszeit von drei Jahren erklärt – von Anfang bis Ende. Doch das Ergebnis kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen und ist ein gutes Beispiel für soziale Architektur.
FOTOGRAFIE Alejandro Cartagena
Alejandro Cartagena