Das Bauhaus-Büro
Umbau einer Londoner Lagerhalle von Henley Halebrown
Wenn aus einer alten Lagerhalle inmitten des Londoner Stadtteils Islington ein neues Bürogebäude wird, dann lässt das nicht nur spannende Innenräume vermuten. Mit The Laszlo gelang Henley Halebrown ein schönes Beispiel für adaptive Wiederverwendung: Innerhalb einer bestehenden Struktur schufen die Architekt*innen flexible Arbeitsbereiche, die das industrielle Erbe würdigen und – dank gestalterischen Feingefühls – nachhaltig erweitern.
Jahrzehntelang galt auch für Londons Bürobauten das „Shell and Core“-Prinzip: Die Bauträger erbrachten die Hauptleistungen, den Innenausbau mussten die Mieter*innen selbst finanzieren, konnten so aber auch ihre individuellen Wünsche realisieren. Was im ersten Moment plausibel klingt, erschwert bei genauerer Betrachtung eine nachhaltige Nachnutzung – schließlich ist die bauliche Lösung mit Branding, spezifischem Materialeinsatz und Mobiliar meist zu hundert Prozent auf die jeweiligen Nutzer*innen zugeschnitten. Um den Zyklus von Abriss und Wiederaufbau zu durchbrechen und den Fokus auf Erhalt und Verbesserung zu setzen, richtete das Büro Henley Halebrown bei der Gestaltung von The Laszlo ein besonderes Augenmerk auf die Arbeit mit der bestehenden Bausubstanz. Die Architekt*innen legten die inneren Strukturen des über hundert Jahre alten Fabrikgebäudes frei und exponierten Betonbodenplatte sowie Stahlträger und -stützen. Mit Hilfe der adaptiven Wiederverwendung schufen sie Räume, die direkt so genutzt werden können, wie sie sind.
Ökologische Vorteile
„Die Arbeit an adaptiv umgenutzten Gebäuden ist für uns mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Sie baut auf unserem Interesse auf, neue Lebensschichten in einer Stadt zu schaffen und dabei sowohl Vergangenheit als auch Zukunft der Bauten zu würdigen“, beschreibt Simon Henley, Mitbegründer des Londoner Architekturbüros, den konzeptionellen Ansatz. „Und natürlich ist es großartig zu sehen, dass die enormen ökologischen Vorteile, die sich aus der Wiederverwendung ergeben, in der Zwischenzeit viel mehr geschätzt werden als noch vor einigen Jahren.“ Die Vorteile für die Umwelt liegen auf der Hand: Die Nachnutzung des ehemaligen Batavia Mills-Gebäudes in dieser Form entspricht einer Einsparung von 80 Jahren betrieblicher Kohlenstoffemissionen, während die Ertüchtigungen der Bausubstanz zu einer geschätzten Verringerung der jährlichen betrieblichen Kohlenstoffemissionen um 47 Prozent führen werden.
Industrielles Erbe
Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Um 1900 erbaut, diente es zunächst als Fabrik- und später als Lagerhalle für Großhandelswaren. Mit seinen ausgeprägten Pfeilern und den großen, bogenförmig zurückgesetzten Fensteröffnungen definierte der Ziegelbau seit jeher das Stadtbild. Bei einer Renovierung in den Achtzigerjahren wurden die ursprünglichen vier Etagen um eine zusätzliche Etage erweitert, der Ostgiebel mit einem neuen Eingang versehen und dahinter ein neuer Erschließungskern mit Aufzug errichtet. Bis 2016 waren die Ebenen jedoch so aufgeteilt und belegt, dass die ursprünglichen Proportionen im Inneren des Gebäudes kaum noch erkennbar waren. Neben dem Tragwerk aus Stahl- und Betonstützen legten die Architekt*innen auch die Versorgungsleitungen frei. Sie ergänzten die so entstandenen großzügigen Flächen an wenigen strategischen Stellen durch Betonsteinmauerwerk, was den Innenräumen eine neue und spannende Textur verleiht.
Individuell bespielbare Raumstruktur
Dank der zurückhaltenden, hellgrauen Farbgebung von Böden, Wänden, Kabeltrassen und Deckeninstallationen ist eine klare Basis entstanden, die von künftigen Nutzer*innen nur noch bespielt werden muss. Diese müssen lediglich ihr Mobiliar hinzufügen und können sich dann ihrer Arbeit widmen – was die Abfallmenge beim Auszug der Mieter*innen erheblich reduziert. Den Planer*innen war es wichtig zu veranschaulichen, wie elementar der Bau eines Büros sein kann: „Innerhalb der ursprünglichen Struktur haben wir eine Reihe unkonventioneller Räume mit konventionellen Baumaterialien geschaffen“, erklärt Jack Hawthorne, Partner bei Henley Halebrown. „Ergänzt werden diese Räume durch einige Möbelstücke, die als überdimensionale Tragstrukturobjekte in einen spielerischen Dialog mit den vorhandenen Elementen treten.“ So stechen etwa Empfangstresen oder ein Bücherregal hervor und fungieren als „Structure as Furniture“, während andere Einrichtungsgegenstände als „Furniture as Structure“ den Raum neu strukturieren.
Ideengebendes Bauhaus
Der Bauhaus-Ethos, Materialien treu zu bleiben und handwerkliche Ästhetik zu schätzen, wird vor allem in den präzise gemauerten Wänden sichtbar. Zudem lieferte ein Gemälde des Künstlers und Bauhaus-Lehrers László Moholy-Nagy – nach dem das Gebäude benannt ist – die Idee für die Reparatur des Betonbodens: Lücken, die durch die Entfernung vorhandener Trennwände entstanden sind, wurden mit einem erdfarbenen Estrich geschlossen. Dieser hebt die Spuren der ehemaligen Nutzung hervor und bestimmt das charakteristische Raumbild. Farbstudien des Malers Josef Albers finden sich außerdem in einer Reihe von Türen wieder, deren Rahmen, Türblätter und Griffe in kräftigem Grün, Gelb, Blau und Grau gehalten sind und in jeder Etage deutliche Akzente setzen. Ihre Überzeichnung soll dabei an eine Galerie erinnern, deren Leinwände sich überlagern und so ein neues Kunstwerk ergeben.
Integrierte Außenräume
Nicht zuletzt soll The Laszlo eine einladende Arbeitsatmosphäre bieten, die das Wohlbefinden der Nutzer*innen in den Mittelpunkt stellt: Lichtdurchflutete Räume, ein Zugang zur Terrasse im vierten Stock und ein begrünter Außenbereich bilden den naturnahen Ausgleich zur konzentrierten Bildschirmarbeit. Auf 1.300 Quadratmetern stellt der von Jonathan Cook Landscape Architects entworfene Hinterhof dabei einen privaten Rückzugsort dar, der durch einen Birken- und Kirschbaumhain, üppiges Grün sowie Anzuchtbeete und ein Gewächshaus geprägt ist. Kletterpflanzen sollen das Gebäude im Laufe der Jahre buchstäblich mit seiner grünen Umgebung verwachsen lassen. Laut Henley Halebrown werden hochwertige Außenräume in Zukunft wichtiger denn je werden – vor allem wenn es darum geht, in postpandemischen Zeiten den Übergang zurück ins Büro sowie die persönliche Zusammenarbeit zu erleichtern: „Der Ausblick auf die Natur prägt auch den Innenraum, der trotz simpler Gestaltung damit dennoch ausdrucksstark sein kann: Material, Licht und Schatten sowie Gärten ergeben zusammen eine spürbar nachhaltige Architektur mit einer menschlichen, ethischen und kulturellen Dimension. So bilden im 21. Jahrhundert die physischen Eigenschaften von Gebäuden eine notwendige Ergänzung zur virtuellen Welt.“
FOTOGRAFIE David Grandorge / Nick Kane
David Grandorge / Nick Kane
Projektname | The Laszlo |
Konzept und Entwurf | Henley Halebrown |
Bauherr | Dorrington Plc |
Ort | Archway, London |
Fläche | 2.600 Quadratmeter |
Fertigstellung | 2021 |