Projekte

Das Schattenkabinett von Da Nang

24.000 Euro! So viel hat ein Haus in Vietnam gekostet, das schön aussieht und auch noch nachhaltig ist.

von Claudia Simone Hoff, 27.03.2015

Durch das Lochmuster aus rotem Backstein fällt gebrochenes Licht ins Innere. Schatten wandern über den Boden, die Wände und die Decke. Ein kühler, angenehmer Lufthauch weht durch das minimalistische Interior. Das Architekturbüro Tropical Space hat im vietnamesischen Da Nang ein Haus gebaut, das gestalterisch anspruchsvoll und nachhaltig ist – bei Baukosten von 24.000 Euro.

Am Delta des Flusses Han in Zentralvietnam liegt Da Nang – eine Großstadt mit rund einer Million Einwohnern. Hier herrschen extreme klimatische Bedingungen: Auf eine lange Regenzeit, die von Mai bis Januar andauert und begleitet wird von schweren Monsunregen, folgt von Februar bis April eine kurze Trockenzeit. Gut, dass sich das in der vietnamesischen Metropole Ho Chi Minh City ansässige Architekturbüro Tropical Space mit den Herausforderungen des vietnamesischen Klimas auskennt und das Haus wetterfest gegen Sonne, Tropenstürme und Regen gemacht hat.

Gekonnt günstig
Die Aufgabe: Die Umwandlung des Vorgängerbaus in ein Haus mit zwei Ebenen, das gleichzeitig nachhaltig, zeitgenössisch gestaltet und kostensparend sein sollte. Diesen anspruchsvollen Plan haben Tropical Space mit einer Doppelstrategie umgesetzt: die Verwendung lokaler Materialien einerseits, die Wiederverwendung von Materialien des Vorgängerbaus andererseits. Viele der Einbaumöbel – Küchenzeile, Sitzecke, Regale und Stauraummöbel – sind beispielsweise aus Balken und Brettern vom ursprünglichen Dach gefertigt, was gleich mehrere Vorteile hat: Es werden Materialien und Kosten gespart, die entstandenen Möbel haben eine schöne Patina und wecken bei den Bewohnern Erinnerungen an das alte Haus. Deshalb haben die Architekten im 190 Quadratmeter großen Außenraum – zwischen Wegen aus Kieselsteinen – auch Blumen, Bäume und Büsche aus dem ursprünglichen Garten angepflanzt.

Vorbild Termitenhügel
Das kubisch gestaltete Haus, in dem drei Personen auf einer Fläche von 80 Quadratmetern leben, ist zweigeteilt: Während das Erdgeschoss mit Küche, Wohn- und Esszimmer sowie Schlafraum als Open Space gestaltet ist und in der Höhe teilweise über zwei Etagen reicht, befindet sich darüber ein Mezzanin-Geschoss, das geschlossener gestaltet ist. Es wird über zwei schmale Treppen aus Holz erschlossen und beherbergt ein weiteres Schlafzimmer samt Bad, eine kleine Bibliothek und einen Raum für den Altar, der nicht fehlen darf in vietnamesischen Häusern. Die Dachterrasse dient als luftiger Rückzugsort mit kleinem Garten und lockt mit einer schönen Rundumsicht. Im Inneren bilden Decken aus Sichtbeton, Fußböden aus dunklem Terrazzo und die roten, wie durchlöchert wirkenden Backsteinwände ein minimalistisches Interior. Die wenigen, sehr roh erscheinenden Materialien stehen neben der virtuosen Lichtführung und der natürlichen Klimatisierung des Hauses im Mittelpunkt des Entwurfs.

Die Traditionsverwandler
Tropical Space ist ein Architekturbüro, das zwar modern baut, aber dabei immer lokal verortet bleibt. Die verwendeten roten Backsteine stehen nicht nur in der Tradition der vietnamesischen Champa-Kultur vom 4. bis 15. Jahrhundert, sondern sind dort auch heute noch ein beliebtes Baumaterial. Die Konstruktion des Hauses erinnert gleichzeitig an die Struktur von Termitenhügeln, die hier in der Gegend überall zu finden sind. Die Architekten haben sich diese Struktur genau angeschaut und herausgefunden, dass Termiten ihre turmartigen Behausungen so anlegen,  dass sie auf Temperaturschwankungen reagieren und sie selbst regulieren können. Beim Neubau von Tropical Space ist es ebenso: Die durchlöcherten Backsteinwände sorgen für einen kontinuierlichen Luftdurchzug und klimatisieren die Räume auf natürliche Weise.

Das Dunkle wird zum Hellen
Zugegeben, durch die Verwendung des lokalen roten Backsteins und nur wenige, klassische Fensteröffnungen wirkt das Haus von außen wie ein schwerer, hermetisch abgeriegelter Kubus – der an der Vorderseite einzig durchbrochen wird durch eine massive Eingangstür aus Holz. Umso überraschender, dass das Interieur alles andere als düster ist, auch dank der raffiniert positionierten Oberlichter. Den Architekten gelingt ein faszinierendes Spiel mit dem Licht, das sich verändert über den Tag: Am Morgen glänzen die Backsteine in hellem Rot, das sich am Nachmittag in ein dunkles Rot und später in einen tiefen Lilaton verwandelt. Gehen abends die Lichter an im „Termitenhaus“, dann leuchtet es in der Dunkelheit wie eine übergroße Laterne. Das Haus, das rund 24.000 Euro gekostet hat, scheint jedenfalls ein voller Erfolg zu sein. Die Architektin Tran Thi Ngu Ngon von Tropical Space berichtet, dass bereits ein weiteres in Planung ist: in Senegal.

Mehr aus unserem Special „Transparenz“ lesen Sie hier...

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Tropical Space

khonggiannhietdoi.com

Transparenz

Alle Beiträge aus unserem großen Special zum Thema Transparenz

www.designlines.de

Mehr Projekte

Heiter bis holzig

Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS

Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS

Kreative Transformationen

Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG

Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG

Von der Enge zur Offenheit

Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects

Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects

Leben im Schweinestall

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Surferträume im Reihenhaus

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Wabi-Sabi am Hochkönig

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Faltbarer Transformer

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Funktionale Fassaden

Verschattung im Bestand und Neubau

Verschattung im Bestand und Neubau

Wohnhaus in Kurvenlage

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Palazzo mit Patina

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Alte Scheune, neues Leben

Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Gebaut für Wind und Wetter

Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ein Dorfhaus als Landsitz

Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Ein offenes Haus

Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Harte Schale, weicher Kern

Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Zwischen Bestand und Zukunft

Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Offen für Neues

Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Baden unter Palmen

Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Maßgeschneidertes Refugium

Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Rückzugsort im Biosphärenreservat

MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

Im Dialog mit Le Corbusier

Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Warschauer Retrofuturimus

Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Trennung ohne Verluste

Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Architektur auf der Höhe

Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Architektur im Freien

Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool

Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit

Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort

Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu

Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte

Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava