Das Schattenkabinett von Da Nang
24.000 Euro! So viel hat ein Haus in Vietnam gekostet, das schön aussieht und auch noch nachhaltig ist.

Durch das Lochmuster aus rotem Backstein fällt gebrochenes Licht ins Innere. Schatten wandern über den Boden, die Wände und die Decke. Ein kühler, angenehmer Lufthauch weht durch das minimalistische Interior. Das Architekturbüro Tropical Space hat im vietnamesischen Da Nang ein Haus gebaut, das gestalterisch anspruchsvoll und nachhaltig ist – bei Baukosten von 24.000 Euro.
Am Delta des Flusses Han in Zentralvietnam liegt Da Nang – eine Großstadt mit rund einer Million Einwohnern. Hier herrschen extreme klimatische Bedingungen: Auf eine lange Regenzeit, die von Mai bis Januar andauert und begleitet wird von schweren Monsunregen, folgt von Februar bis April eine kurze Trockenzeit. Gut, dass sich das in der vietnamesischen Metropole Ho Chi Minh City ansässige Architekturbüro Tropical Space mit den Herausforderungen des vietnamesischen Klimas auskennt und das Haus wetterfest gegen Sonne, Tropenstürme und Regen gemacht hat.
Gekonnt günstig
Die Aufgabe: Die Umwandlung des Vorgängerbaus in ein Haus mit zwei Ebenen, das gleichzeitig nachhaltig, zeitgenössisch gestaltet und kostensparend sein sollte. Diesen anspruchsvollen Plan haben Tropical Space mit einer Doppelstrategie umgesetzt: die Verwendung lokaler Materialien einerseits, die Wiederverwendung von Materialien des Vorgängerbaus andererseits. Viele der Einbaumöbel – Küchenzeile, Sitzecke, Regale und Stauraummöbel – sind beispielsweise aus Balken und Brettern vom ursprünglichen Dach gefertigt, was gleich mehrere Vorteile hat: Es werden Materialien und Kosten gespart, die entstandenen Möbel haben eine schöne Patina und wecken bei den Bewohnern Erinnerungen an das alte Haus. Deshalb haben die Architekten im 190 Quadratmeter großen Außenraum – zwischen Wegen aus Kieselsteinen – auch Blumen, Bäume und Büsche aus dem ursprünglichen Garten angepflanzt.
Das kubisch gestaltete Haus, in dem drei Personen auf einer Fläche von 80 Quadratmetern leben, ist zweigeteilt: Während das Erdgeschoss mit Küche, Wohn- und Esszimmer sowie Schlafraum als Open Space gestaltet ist und in der Höhe teilweise über zwei Etagen reicht, befindet sich darüber ein Mezzanin-Geschoss, das geschlossener gestaltet ist. Es wird über zwei schmale Treppen aus Holz erschlossen und beherbergt ein weiteres Schlafzimmer samt Bad, eine kleine Bibliothek und einen Raum für den Altar, der nicht fehlen darf in vietnamesischen Häusern. Die Dachterrasse dient als luftiger Rückzugsort mit kleinem Garten und lockt mit einer schönen Rundumsicht. Im Inneren bilden Decken aus Sichtbeton, Fußböden aus dunklem Terrazzo und die roten, wie durchlöchert wirkenden Backsteinwände ein minimalistisches Interior. Die wenigen, sehr roh erscheinenden Materialien stehen neben der virtuosen Lichtführung und der natürlichen Klimatisierung des Hauses im Mittelpunkt des Entwurfs.
Die Traditionsverwandler
Tropical Space ist ein Architekturbüro, das zwar modern baut, aber dabei immer lokal verortet bleibt. Die verwendeten roten Backsteine stehen nicht nur in der Tradition der vietnamesischen Champa-Kultur vom 4. bis 15. Jahrhundert, sondern sind dort auch heute noch ein beliebtes Baumaterial. Die Konstruktion des Hauses erinnert gleichzeitig an die Struktur von Termitenhügeln, die hier in der Gegend überall zu finden sind. Die Architekten haben sich diese Struktur genau angeschaut und herausgefunden, dass Termiten ihre turmartigen Behausungen so anlegen, dass sie auf Temperaturschwankungen reagieren und sie selbst regulieren können. Beim Neubau von Tropical Space ist es ebenso: Die durchlöcherten Backsteinwände sorgen für einen kontinuierlichen Luftdurchzug und klimatisieren die Räume auf natürliche Weise.
Das Dunkle wird zum Hellen
Zugegeben, durch die Verwendung des lokalen roten Backsteins und nur wenige, klassische Fensteröffnungen wirkt das Haus von außen wie ein schwerer, hermetisch abgeriegelter Kubus – der an der Vorderseite einzig durchbrochen wird durch eine massive Eingangstür aus Holz. Umso überraschender, dass das Interieur alles andere als düster ist, auch dank der raffiniert positionierten Oberlichter. Den Architekten gelingt ein faszinierendes Spiel mit dem Licht, das sich verändert über den Tag: Am Morgen glänzen die Backsteine in hellem Rot, das sich am Nachmittag in ein dunkles Rot und später in einen tiefen Lilaton verwandelt. Gehen abends die Lichter an im „Termitenhaus“, dann leuchtet es in der Dunkelheit wie eine übergroße Laterne. Das Haus, das rund 24.000 Euro gekostet hat, scheint jedenfalls ein voller Erfolg zu sein. Die Architektin Tran Thi Ngu Ngon von Tropical Space berichtet, dass bereits ein weiteres in Planung ist: in Senegal.
Mehr aus unserem Special „Transparenz“ lesen Sie hier...
FOTOGRAFIE Oki Hiroyuki
Oki Hiroyuki
Mehr Projekte
Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit
Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip
Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion
Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese
Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau
Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen
Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven
Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio
Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama
