Das Schaukastenhaus
Retroaffines Wohnhaus von Jesse Bennett im australischen Regenwald
Im australischen Regenwald hat der Architekt Jesse Bennett ein Wohnhaus für seine Familie gebaut. Sein Entwurf gleicht einem Schaukasten für die Natur, der modernistische Klarheit mit sinnlichen Materialien geschmeidig macht.
Mit eindrucksvollen Naturkulissen ist Australien reich gesegnet. Eine Attraktion sind die tropischen Regenwälder an der nördlichen Spitze des Bundesstaates Queensland, die 1988 zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt wurden. Für viele Besucher bildet die Küstenstadt Cairns den Anlaufpunkt in der Region. Im Stadtteil Edge Hill hat der Architekt und Bauentwickler Jesse Bennett ein Haus für sich und seine Familie errichtet. Umringt von dichter Vegetation, entstand ein modernistisches Refugium, das die Natur wie auf einer Bühne in Szene setzt.
In den Hang hinaus
Die Herausforderung lag weniger im feuchtwarmen Klima als im steilen Gefälle des Grundstücks. Um den Eingriff so gering wie möglich zu halten, platzierte Jesse Bennett das Gebäude auf Stelzen und ließ es weit in den Abhang hinaus kragen. Für den Kontakt mit der Natur sorgen bodentiefe Panoramafenster, die unverstellte Ausblicke in die Wipfel der tiefer stehenden Bäume öffnen. Das Gebäude übernimmt so die Rolle eines Schaukastens, der sämtliche Innenräume mit der Natur in Verbindung setzt. Die Materialität des Waldes wird mit hölzernen Rahmen aufgegriffen, welche die zu öffnenden Fenster- und Türen markieren und einen atmosphärischen Kontrapunkt zur Decke und zum Boden setzen. Wie ein riesiges Sandwich fassen die aus Beton gegossenen Ebenen die Innenräume ein, die in einem winkelförmigen Grundriss aneinandergereiht wurden.
Organischer Schwung
Während die Schlaf- und Funktionsräume an den äußeren Enden über klar definierte Wände verfügen, folgt der zentrale Wohn- und Essbereich am Scheitelpunkt des Winkels einem offenen Grundriss. Sowohl Dach als auch Boden scheren aus der rechtwinkligen Ordnung aus und erweitern den Wohnraum mit organisch geschwungenen Terrassen ins Freie hinaus. Jesse Bennett webt auf diese Weise Anklänge an die mäandernden Balkonbänder von Hans Scharouns Haus Schminke (1933) ebenso mit ein wie den dynamischen Schwung von Oscar Niemeyers Casa das Canoas (1953). Trotz dieser Ausflüge in die Architekturgeschichte wirkt das Ergebnis keineswegs bemüht, sondern locker-lässig aus dem Ärmel geschüttelt.
Aus einem Guss
Dass Exterieur und Interieur stimmig ineinandergreifen, ist kein Zufall. Schließlich fertigte Jesse Bennett den Großteil der Möblierung selbst von Hand an. Die stilistischen Fäden der Inneneinrichtung zog seine Frau Anne-Marie, die dem schroffen Grau des Sichtbetons eine weit gefächerte Palette an haptischen wie sinnlichen Materialien entgegenstellte. So treffen mit tropischen Hölzern verkleidete Wände auf rosa- oder petrolfarbene Sitzbänke, die auf filigranen Holzfüßen mit Messingabsätzen über dem Boden schweben.
Stilisierte Natur
Charmant wirken die konkav-runden Keramikfliesen, welche die Rückwände von Waschtisch und Dusche ebenso zieren wie die freistehende Badewanne. Auch das Motiv der Natur wird mehrfach aufgegriffen. Die von Arik Levy für Bernhardt Design entworfenen Barhocker lassen mit ihrem filigranen Untergestell an stilisierte Bambuswälder denken. Die Wand hinter dem Bett ist mit einer Stofftapete bezogen, die in sanften Aquarellfarben einen Dschungel darstellt. Dazwischen finden sich unzählige Zimmerpflanzen, die auf leichtfüßigen Hockern stehen, an Ketten von der Decke herabhängen oder gleich ganze Wände in Beschlag nehmen. Mit verlässlichen Griffen in die Retro-Kiste entstand ein Material- und Formenmix, der Sinnlichkeit und Klarheit vor tropischer Kulisse in Einklang bringt.
FOTOGRAFIE Sean Fennessy
Sean Fennessy
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