Der Charme der Bourgeoisie
Umbau von Marcante-Testa in Mailand
Die Turiner Architekten Andrea Marcante und Adelaide Testa sind spezialisiert auf den Umbau im Bestand. Dabei ist ihre Vorgehensweise ungewöhnlich philosophisch, jeder Entwurf eine poetische Symbiose aus Kontext und Geschichte. Bei einem ihrer Projekte in Mailand trifft die zweckmäßige Funktionalität der Sechzigerjahre auf bürgerliche Opulenz und einfaches Laminat auf exklusiven Marmor.
Das rund 160 Quadratmeter große Apartment am Corso Sempione befindet sich in einem Gebäude aus den späten Sechzigerjahren. Der Umbau sei als originelle Neuinterpretation einer typischen Wohnung der Mailänder Bourgeoisie zu verstehen, erläutern die Architekten Andrea Marcante und Adelaide Testa, die das Projekt entsprechend humorvoll Teorema Milanese betitelten.
Traditionelle Wohnstruktur
Der Grundriss teilt die Wohnung ganz klassisch in einen Tages- und Nachtbereich. Direkt am Eingang liegt das Wohn- und Esszimmer, während sich zwei Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer und zwei Badezimmer entlang eines langen Korridors erschließen. Anders als zumeist üblich, ersetzten Marcante-Testa die vorhandene Küche nicht durch einen offenen Koch-Essbereich. Der zweckmäßig kleine Raum befindet sich dem Esszimmer gegenüber und verfügt über eine Essnische sowie eine angrenzende Waschküche. Lediglich der Wohnbereich wurde zum Eingangsbereich hin geöffnet.
Leitmotiv Marmor
Besonders augenfällig ist die großzügige Nutzung von Marmor im gesamten Tagesbereich. Im Wohnzimmer wurden helle Marmorfliesen (Cipollino Tirreno) nicht nur auf dem Boden verlegt, sondern sie umrahmen auch das Fenster und die Aussicht auf das städtische Treiben. Im starken Kontrast dazu steht der Marmor in dunklem Grün (Verde Alpi), der im Esszimmer auf dem Boden sowie auf einer Wand zum Einsatz kommt, wo er die Basis für ein Regal bildet. Der helle Marmor des Wohnbereiches zieht sich durch den gesamten Flur bis in das Hauptbadezimmer. In der Küche trifft er auf leuchtend blau gemusterte Fliesen (entworfen von India Mahdavi für Bisazza), die den Retrolook der in dunklem Laminat gehaltenen Essnische unterstreichen.
Mit Liebe zum Detail
Die gesamte Wohnung wurde mit maßgefertigten Möbeln ausgestattet, die farblich und stilistisch eine Reminiszenz an das Baujahr des Gebäudes bilden: Einbauküche, -schränke und -regale nach Entwürfen der Architekten. Ein Blickfang ist der für Marcante-Testa charakteristische Raumteiler aus Messing und Glas, der wie ein sanfter Filter zwischen Eingang und Wohn-Essbereich wirkt. Ebenso auffällig: die strahlenförmige, geometrische Struktur an der Decke des Wohnzimmers, die „dem am meisten vernachlässigten Bereich der Innenarchitektur“ seine Wertigkeit zurückgegeben soll.
Augenzwinkernder Entwurf
Der kontrastreiche Stilmix des Projektes stehe für das Selbstbild eines repräsentativen Bürgertums, das die Errungenschaften der Moderne mit traditionellen Werten vereinen möchte, erklären Andrea Marcante und Adelaide Testa mit einem Augenzwinkern. Seit ihrer 2004 begonnenen Zusammenarbeit haben sich die Partner mit ihren innovativen und metaphorischen Entwürfen einen Namen machen können, der längst über die Grenzen Italiens hinausreicht.
FOTOGRAFIE Carola Ripamonti
Carola Ripamonti
Mehr Projekte
Ein-Euro-Haus
Modernisierung eines baufälligen Stadthauses in Sizilien von Studio Didea
Ein Haus für perfekte Gastgeber
Küchenanbau von Studio McW in London
Beton, Farbe und Licht
Wohnsiedlung Rötiboden von Buchner Bründler Architekten am Zürichsee
Goldener Schnitt
Einfamilienhaus von Raúl Sánchez Architects bei Barcelona
Der Flur als Bühne
Wohnungsumbau in Mailand von Kick.Office
Höhenflug in Madrid
Burr Studio verwandelt Gewerbefläche in eine loftartige Wohnung
Camouflage im Eichkamp
Berliner Familienresidenz von Atelier ST
Mid-Century im Stadthaus
Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona
Lautner, but make it Cape Town
In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas
Ein Zuhause aus Licht und Pflanzen
Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM
Wohnen in Blockfarben
Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects
Olympisches Raumspiel
Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects
Ganz der Kunst gewidmet
Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova
Heiter bis holzig
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS
Kreative Transformationen
Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG
Von der Enge zur Offenheit
Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects
Leben im Schweinestall
Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim
Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur
Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog
Faltbarer Transformer
Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger
Funktionale Fassaden
Verschattung im Bestand und Neubau
Wohnhaus in Kurvenlage
Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok
Palazzo mit Patina
Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari
Alte Scheune, neues Leben
Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum
Gebaut für Wind und Wetter
Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger
Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal
Ein offenes Haus
Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona
Harte Schale, weicher Kern
Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura
Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel
Offen für Neues
Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur