Der Klimaklotz
Französisches Einfamilienhaus mit unbelastetem Umweltgewissen.
Eckig, grau und streng wirkt das vom französischen Architekturbüro Tectoniques konstruierte Haus am nördlichen Stadtrand von Lyon. Was auf den ersten Blick wie ein etwas liebloser, rein funktionaler Wohnwürfel wirkt, entpuppt sich als durchdachtes Konzept und wundervolle Symbiose zwischen Architektur und Natur.
Die drittgrößte Stadt Frankreichs liegt weder richtig im Norden noch im Süden des Landes, und dementsprechend durchwachsen ist auch das Wetter in dieser Region: Hitze, Kälte, Sonne, Regen und Wind. Als Projektstandort wählte Tectoniques ein unbebautes Grundstück, das sich aufgrund seiner Lage und allgemeinen Beschaffenheit dazu anbot, diesen unterschiedlichen und zeitweise auch extremen Klimafaktoren architektonisch gerecht zu werden.
Nord und Süd
Konstruiert wurde nach der Grundidee, sowohl Haus als auch Grundstück in eine nörd- und südliche Klimazone zu unterteilen. Dazu setzten die Architekten das Haus direkt in die Mitte des Grundstücks und rahmten es mit zwei unterschiedlichen Gartenlandschaften; auf der nach Süden exponierte Seite legten sie eine freistehende Terrasse an, während sich auf der Nordseite eine sonnen-und windgeschütze Terrasse sowie ein Schwimmbad befinden. Um eine optimale Lichtverwertung zu erreichen, wurde die südliche Außenfassade des zweigeschossigen Hauses fast vollständig verglast. Auf der Nordseite dagegen sind Fenster ausschließlich auf der Etage zu ebener Erde zu finden.
Tag und Nacht
Das Innere des Hause wurde nach dem Prinzip Tag und Nacht, öffentlich und privat unterteilt. So dient die untere Etage als Wohn- und die obere als Schlafbereich mit vier Zimmern und zwei Bädern. Gemäß dem Prinzip der optimalen Lichtverwertung wurden auf der oberen Etage alle Zimmer nach Süden und Osten orientiert und mit großzügigen Fenster ausgestattet. In den beiden Badezimmern gibt es Richtung Norden keine einzige Öffnung und Richtung Westen lediglich kleine Belüftungsschächte als Verbindung zur Außenwelt.
Räumliche Weitläufigkeit und polyvalente Raumnutzung
Den räumlichen Mittelpunkt der unteren Etage stellt die Küche dar, die kreisförmig vom restlichen Wohnbereich umgeben wird. Dieser Wohnbereich wurde von Tectoniques ohne jegliche Zwischenwände gestaltet, um seinen Nutzern, einer mehrköpfigen Familie, ein kommunikatives Miteinander auf größtmöglichem Raum zu ermöglichen. Die Idee der räumlichen Weitläufigkeit und Nähe zur Natur unterstrichen die Architekten durch zwei sich gegenüberliegende Fenster, die eine vollkommene visuelle Transparenz von einer Gartenlandschaft durch das Haus hindurch bis in die andere Gartenlandschaft herstellen. Allerdings lässt sich dieser kollektive, transparente Wohnraum auch in individuelle Bereiche unterteilen: Je nach Bedarf können durch mobile Raumteiler Arbeitsräume, Gästezimmer oder andere Orte der Rückzugsmöglichkeit geschaffen werden.
Funktion vor Form
Und wie bei allen von Tectoniques verantworteten Arbeiten bestimmt auch bei diesem Projekt die Funktion seine Form: Das Haus ist ein Klotz. Seine fast perfekte Würfelform mit elf Metern Länge und zehn Metern Höhe wird lediglich durch eine ebenfalls rechteckig konstruierte Garage an der westlichen Hausseite durchbrochen. Farblich wurde die äussere Hausfassade in dunklen Grautönen gehalten und steht damit im völligen Kontrast zum Interior in hellen und freundlichen Farben.
Holz ist Trumpf
Gemeinsam wiederum haben Innen und Aussen das Material: Holz. Während im Inneren der Großteil der Einrichtungsgegenstände aus diesem Material besteht, wurde die gesamte Hausfassade mit Holzlamellen verkleidet. Dabei hat diese Verkleidung nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ökologischen Sinn: Sie dient als Wärmedämmung. Die Verarbeitung von Holz gehört zu einem der Grundpfeilern der Unternehmensphilosophie von Tectoniques, die seit über 20 Jahren als Verfechter der umweltfreundlichen Architektur agieren. Ein weiteres Statement in Richtung Umweltbewusstsein setzten die Franzosen bei diesem Projekt, indem sie durch thermische Einrichtungen sowohl die solare Einstrahlung als auch Regenwasser in zusätzliche Energiequellen umwandeln.
Natur statt Design
Insgesamt beeindruckt das Projekt nicht in erster Linie mit seinem Design, der Ästhetik oder der Gemütlichkeit, sondern vor allem mit seiner Konstruktion, die von der Natur vorgegeben und gemäß den Bedürfnissen seiner Bewohner umgesetzt wurde. Bezeichnend ist auch der Name Villa B., den die französischen Architekten ihrem Projekt gaben. Was zunächst nicht sehr aussagekräftig klingt, erklärt sich bei näherem Betrachten der Materie fast wie von selbst: Der Buchstabe B steht für das Wort bioclimatique.
FOTOGRAFIE Studio Erick Saillet
Studio Erick Saillet