Projekte

Der Klimaklotz

Französisches Einfamilienhaus mit unbelastetem Umweltgewissen.

von Jana Herrmann, 12.09.2014

Eckig, grau und streng wirkt das vom französischen Architekturbüro Tectoniques konstruierte Haus am nördlichen Stadtrand von Lyon. Was auf den ersten Blick wie ein etwas liebloser, rein funktionaler Wohnwürfel wirkt, entpuppt sich als durchdachtes Konzept und wundervolle Symbiose zwischen Architektur und Natur.

Die drittgrößte Stadt Frankreichs liegt weder richtig im Norden noch im Süden des Landes, und dementsprechend durchwachsen ist auch das Wetter in dieser Region: Hitze, Kälte, Sonne, Regen und Wind. Als Projektstandort wählte Tectoniques ein unbebautes Grundstück, das sich aufgrund seiner Lage und allgemeinen Beschaffenheit dazu anbot, diesen unterschiedlichen und zeitweise auch extremen Klimafaktoren architektonisch gerecht zu werden.

Nord und Süd
Konstruiert wurde nach der Grundidee, sowohl Haus als auch Grundstück in eine nörd- und südliche Klimazone zu unterteilen. Dazu setzten die Architekten das Haus direkt in die Mitte des Grundstücks und rahmten es mit zwei unterschiedlichen Gartenlandschaften; auf der nach Süden exponierte Seite legten sie eine freistehende Terrasse an, während sich auf der Nordseite eine sonnen-und windgeschütze Terrasse sowie ein Schwimmbad befinden. Um eine optimale Lichtverwertung zu erreichen, wurde die südliche Außenfassade des zweigeschossigen Hauses fast vollständig verglast. Auf der Nordseite dagegen sind Fenster ausschließlich auf der Etage zu ebener Erde zu finden.

Tag und Nacht
Das Innere des Hause wurde nach dem Prinzip Tag und Nacht, öffentlich und privat unterteilt. So dient die untere Etage als Wohn- und die obere als Schlafbereich mit vier Zimmern und zwei Bädern. Gemäß dem Prinzip der optimalen Lichtverwertung wurden auf der oberen Etage alle Zimmer nach Süden und Osten orientiert und mit großzügigen Fenster ausgestattet. In den beiden Badezimmern gibt es Richtung Norden keine einzige Öffnung und Richtung Westen lediglich kleine Belüftungsschächte als Verbindung zur Außenwelt.

Räumliche Weitläufigkeit und polyvalente Raumnutzung
Den räumlichen Mittelpunkt der unteren Etage stellt die Küche dar, die kreisförmig vom restlichen Wohnbereich umgeben wird. Dieser Wohnbereich wurde von Tectoniques ohne jegliche Zwischenwände gestaltet, um seinen Nutzern, einer mehrköpfigen Familie, ein kommunikatives Miteinander auf größtmöglichem Raum zu ermöglichen. Die Idee der räumlichen Weitläufigkeit und Nähe zur Natur unterstrichen die Architekten durch zwei sich gegenüberliegende Fenster, die eine vollkommene visuelle Transparenz von einer Gartenlandschaft durch das Haus hindurch bis in die andere Gartenlandschaft herstellen. Allerdings lässt sich dieser kollektive, transparente Wohnraum auch in individuelle Bereiche unterteilen: Je nach Bedarf können durch mobile Raumteiler Arbeitsräume, Gästezimmer oder andere Orte der Rückzugsmöglichkeit geschaffen werden.

Funktion vor Form
Und wie bei allen von Tectoniques verantworteten Arbeiten bestimmt auch bei diesem Projekt die Funktion seine Form: Das Haus ist ein Klotz. Seine fast perfekte Würfelform mit elf Metern Länge und zehn Metern Höhe wird lediglich durch eine ebenfalls rechteckig konstruierte Garage an der westlichen Hausseite durchbrochen. Farblich wurde die äussere Hausfassade in dunklen Grautönen gehalten und steht damit im völligen Kontrast zum Interior in hellen und freundlichen Farben.

Holz ist Trumpf
Gemeinsam wiederum haben Innen und Aussen das Material: Holz. Während im Inneren der Großteil der Einrichtungsgegenstände aus diesem Material besteht, wurde die gesamte Hausfassade mit Holzlamellen verkleidet. Dabei hat diese Verkleidung nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ökologischen Sinn: Sie dient als Wärmedämmung. Die Verarbeitung von Holz gehört zu einem der Grundpfeilern der Unternehmensphilosophie von Tectoniques, die seit über 20 Jahren als Verfechter der umweltfreundlichen Architektur agieren. Ein weiteres Statement in Richtung Umweltbewusstsein setzten die Franzosen bei diesem Projekt, indem sie durch thermische Einrichtungen sowohl die solare Einstrahlung als auch Regenwasser in zusätzliche Energiequellen umwandeln.

Natur statt Design
Insgesamt beeindruckt das Projekt nicht in erster Linie mit seinem Design, der Ästhetik oder der Gemütlichkeit, sondern vor allem mit seiner Konstruktion, die von der Natur vorgegeben und gemäß den Bedürfnissen seiner Bewohner umgesetzt wurde. Bezeichnend ist auch der Name Villa B., den die französischen Architekten ihrem Projekt gaben. Was zunächst nicht sehr aussagekräftig klingt, erklärt sich bei näherem Betrachten der Materie fast wie von selbst: Der Buchstabe B steht für das Wort bioclimatique.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Tectoniques

http://tectoniques.com

Mehr Projekte

Leben im Schweinestall

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Surferträume im Reihenhaus

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Wabi-Sabi am Hochkönig

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Faltbarer Transformer

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Funktionale Fassaden

Verschattung im Bestand und Neubau

Verschattung im Bestand und Neubau

Wohnhaus in Kurvenlage

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Palazzo mit Patina

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Alte Scheune, neues Leben

Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Gebaut für Wind und Wetter

Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ein Dorfhaus als Landsitz

Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Ein offenes Haus

Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Harte Schale, weicher Kern

Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Zwischen Bestand und Zukunft

Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Offen für Neues

Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Baden unter Palmen

Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Maßgeschneidertes Refugium

Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Rückzugsort im Biosphärenreservat

MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

Im Dialog mit Le Corbusier

Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Warschauer Retrofuturimus

Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Trennung ohne Verluste

Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Architektur auf der Höhe

Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Architektur im Freien

Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool

Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit

Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort

Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu

Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte

Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Aus dem Schlaf erwacht

Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Archäologie in Beton

Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Geordnete Offenheit

Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien