Der Pionier von Palma
Ein nachhaltiges Wohnhaus von Feina Studio

In der Hauptstadt der balearischen Insel Mallorca hat das ortsansässige Studio Feina frischen Wind in eine alteingesessene Nachbarschaft gebracht. Das Split House wurde nachhaltig in Holzbauweise errichtet, mit einer Korkfassade ausgestattet und energieeffizient konstruiert. Wie ein Fremdkörper wirkt es aber nicht: Die in dieser Gegend üblichen Architekturelemente wie Säulen, Fliesen und ein vanillefarbener Anstrich wurden übernommen – und abstrahiert.
Wer von Mallorca erzählt, spricht meist vom Ballermann und den „auch schönen Ecken“. Die Hauptstadt Palma wird meist vergessen oder als Standort der Landebahn für den Urlaubsflieger wahrgenommen. Dabei hat Palma viel zu bieten: historische Bauten, ein extensives Kulturangebot, Meer und milde Wintertemperaturen. Kein Wunder, dass die Stadt zu einem beliebten Arbeitsort für digitale Nomad*innen wurde und heute von einem Publikum mit internationalen Wurzeln bewohnt wird. Nur 50 Prozent der Einwohner*innen kommen von der Insel, ein Fünftel stammt aus dem Ausland. Das Designbüro Feina, das seit 2007 in der mallorquinischen Hauptstadt ansässig ist, hat zuletzt ein progressives und an internationalen Vorbildern orientiertes Architekturprojekt im Stadtbild platziert. Mit dem Split House planten die Architekt*innen ein konsequent der Nachhaltigkeit verschriebenes Wohnhaus. In einem sandigen Vanilleton fügt sich der neue Nachbar harmonisch ins Milieu eines ehemaligen Arbeiterviertels ein. Das Interieur aus Holz und eine gut isolierte Fassade mit Kork machen das Haus aber zu einem Pionier in Bezug auf Gebäudeklima und Materialeinsatz.
Ein neuer Nachbar
Das Viertel rund um das Split House wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut. Es beherbergte einst Tausende von Arbeiter*innen, die in der örtlichen Industrie tätig waren. Ihre Behausungen waren günstig und funktional – und so ist das Stadtbild von einfachen Reihenhäusern geprägt, die sich geduckt aneinanderschmiegen und erst zu den Innenhöfen hin öffnen. Immer wieder gibt es Brüche in der Typologie. Dann stehen auch mal monumentale Prachtbauten mit verschnörkelten Fassaden inmitten der nüchternen Funktionalität. Bewohnt wurden diese Villen von Vorarbeiter*innen und Direktor*innen. Mit seinem Split House will das Team von Feina Studio beide Stile ästhetisch verbinden. Einerseits greifen die Planer*innen die einfachen Proportionen der Reihenhäuser auf, zum anderen orientieren sie sich an der prächtigen Gestaltung der Villen. Dabei berufen sie sich aber auf eine zeitgenössische und abstrahierte Formensprache, bei der Säulen und andere dekorative Fassadenelemente konsequent reduziert oder in alternative Geometrien überführt werden.
Architektur mit angepasstem Charakter
Eine Besonderheit ist die örtliche Topografie, die ebenfalls Einfluss auf die Architekturlösung nimmt. Das Gelände fällt zum Meer hin ab und sorgt auf dem Baugrund des Split House für ein Gefälle von 1,4 Metern. Das Volumen schmiegt sich in die Schräglage und geht darauf im Inneren mit in den Grundriss integrierten Plateaus ein. Die verschiedenen Höhenlagen innerhalb des Hauses geben ihm auch seinen Namen: Jeder Raum hat eine eigene Etage und durch den zum Hinterhof hin abfallenden Hang teilt („splittet“) sich das Haus in zwei versetzt hintereinander platzierte Blöcke, zwischen denen ein paar Dezimeter Höhenunterschied liegen. Im Querschnitt wirkt es so, als hätten die Architekt*innen zwei Volumen auf zwei Treppenabsätze gestellt. Im Haus geht es derweil für die Bewohner*innen zwischen den Räumen treppauf und treppab – und auf dem Dach wird die oberste Etage des rückwärtigen Volumens zu einer großzügigen Terrasse.
Voll Holz
Errichtet wurde das Haus in einer innovativen Holzbauweise, die einige aufgrund ihrer technischen Potenziale als „Beton der Zukunft“ bezeichnen. Cross Laminated Timber – kurz CLT – besteht aus mehreren Massivholzschichten, die kreuzweise miteinander verleimt und dann verpresst werden. Daraus ergibt sich ein besonders stabiles Material, das nicht nur im Bereich der Wände, sondern auch bei der Konstruktion von Geschossdecken eingesetzt werden kann. Außerdem ist die Montage schnell erledigt: Die Module für das Split House wurden vorgefertigt und dann an Ort und Stelle installiert. Das wichtigste Argument, um sich auf ein industrielles Holzsystem als Bauform einzulassen, sahen die Architekt*innen allerdings im Bereich des Umweltschutzes: „Für uns war das Split House ein intensiver Lernprozess, bei dem Umweltverträglichkeit und Ästhetik miteinander verwoben wurden. Der verkörperte Kohlenstoff wird auf ein Minimum reduziert: Die Holzstruktur ist für die Bindung von 52 Tonnen CO2 verantwortlich, was einer Fahrleistung von 300.000 Kilometern mit einem normalen Benzinauto entspricht.“ Außerdem wurde die Gebäudehülle mit einer Fassade aus Kork von dem Hersteller Armorin so luftdicht wie möglich errichtet und gut isoliert, um die Betriebsenergie zu minimieren.
Vanille und lokale Produkte
Bei der Gestaltung des Interieurs blieb der warme Charakter des Holzskeletts erhalten. An den Decken ist die Lattung unverkleidet sichtbar, die Wände sind in Absprache mit den Bewohner*innen in einer „Vanille-Eiscreme“-Farbe gestrichen worden, die außerdem die Struktur des Holzes noch erkennen lässt. Die sanfte Nuance der Terrakottafliesen greift den Holzton der Decken auf. Sie stammen aus der Nachbarschaft: von Huguet, einem 1933 auf der Insel gegründeten Hersteller, der auf handgefertigte Fliesen und Terrazzoprodukte spezialisiert und für seine Kooperationen mit bekannten Architekt*innen und Designer*innen bekannt ist. Im natürlichen und zurückhaltenden Ambiente des Split House hat das Team von Feina dann Akzente gesetzt. Ausgesuchte Einbaumöbel und einige Türen sind in kräftigen Farben gestrichen und die Fensterrahmen mit einem kanariengelben Finish versehen. Bestimmte Situationen und Bereiche des Interieurs werden so betont. Diese Akzente waren „extravagante Vorlieben der Kunden“, die aber auch gut zum subtil extravaganten Charakter der Architektur passen.
FOTOGRAFIE Luis Díaz Díaz Luis Díaz Díaz
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