Die Weisheit der Steine
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					Mit dem "Interpretation Center" im südafrikanischen Mapungubwe wurde weit mehr als das Ausstellungszentrums des gleichnamigen Nationalparks eröffnet. Das Gebäude des Johannesburger Architekten Peter Rich zeigt sich als zeitgenössischer Ziegelbau, der die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit zum Motor einer lokalen Entwicklung macht.
Um ein Gebäude mit seiner Umgebung in Einklang zu bringen, stehen dem Architekten mindestens zwei Mittel zur Verfügung: der Einsatz von lokalen Materialien auf der einen Seite sowie von Bauformen, die typisch für eine bestimmte Region oder den jeweiligen Kulturkreis sind, auf der anderen Seite. Dennoch liegt auch diesen Ansätzen zumeist eine Distanz zugrunde, die das Lokale lediglich als Zitat verwendet, anstatt als wirklichen Ausgangspunkt für den Entwurf zu begreifen.
Historische Siedlungsstätte
Inwieweit ein Gebäude auch konzeptionell aus seiner Umgebung heraus entwickelt werden kann, hat der Johannesburger Architekt Peter Rich mit dem Neubau des zentralen Ausstellungsgebäudes des Mapungubwe Nationalparks in Südafrika unter Beweis gestellt. Den Mittelpunkt der Ausgrabungsstätte unweit von Musina, der nördlichsten Stadt des Landes an der Grenze zu Zimbabwe, bildet der namensgebende Mapungubwe Hügel. Auf diesem wurden erstmals 1933 Überreste einer Siedlungsstätte aus dem 11. Jahrhundert geborgen, die als älteste erhaltene Wohnbebauung im südlichen Afrika gilt.
An diesem Ort, der 2003 zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde und mit „Ort des Steins der Weisheit“ übersetzt werden kann, galt es einen Neubau zu realisieren, der nicht nur Sensibilität gegenüber dem Ort bewahrt, sondern ebenso eine möglichst nachhaltige, kosteneffiziente sowie soziale Planung berücksichtigt. Denn noch immer zählt die Region zu den am schwächsten entwickelten des Landes, die von hoher Arbeitslosigkeit und einem geringen Bildungsniveau geprägt ist. Dieses Umfeld, in dem bis heute die Auswirkungen des früheren Apartheit-Regimes spürbar sind, nicht auszublenden, wurde zu einem entscheidenden Kriterium von Peter Richs Entwurf.
Architektur als Entwicklungsstrategie
Dieser greift mit seinen kuppelartigen Dächern, die von weitem an übergroße Termitenhaufen denken lassen, die wellenartige Struktur des Mapungubwe-Hügels auf und erklärt die Kreisform zum verbindenden Gestaltungsmoment. Die zentrale Frage beim Bau des Gebäudekomplexes – der mehrere Ausstellungsflächen, Lern- und Unterrichtsräume, ein Restaurant, ein Geschäft für Arbeiten lokaler Handwerksbetriebe sowie die Verwaltung des Nationalparks in mehreren, miteinander verbunden Baukörpern umfasst – lag in der richtigen Anwendung der Mittel. Denn das vorhandene Budget sollte unmittelbar der Region zugute kommen und nicht über eigens hinzugezogene Spezialisten wieder nach außen wandern.
Die Antwort hierauf lieferte ein Baustoff, der bereits seit über 8000 Jahren Verwendung findet: Lehmziegel. Diese sind nicht nur um ein Drittel günstiger als eine vergleichbare Konstruktion aus Beton, sondern erlauben eine unmittelbare Förderung der lokalen Wirtschaft. Die verwendeten Ziegel wurden hierfür von kleinen Betreiben vor Ort hergestellt, von denen nicht wenige erst durch dieses Projekt mithilfe von Mini-Krediten gegründet wurden. Das Wissen, das sich diese im Verlauf der Bauarbeiten angeeignet haben, dient ihnen nun als Grundlage für zukünftige Projekte, sodass die Wirkung weit über dieses Gebäude hinausreicht.
Natürliche Klimatisierung
Vorteile brachte der Einsatz von Lehmziegeln auch von bautechnsicher Seite. Denn im Gegensatz zu Tonziegeln, die erst mit hohem Energieaufwand gebrannt werden müssen, gelten Lehmziegel, die lediglich an der Luft getrocknet werden, in punkto Ökobilanz als vorbildlich. Zudem erlaubt die Konstruktion nach traditionellem Mauerwerk, wie es seit 600 Jahren im Mittelmeerraum für den Bau von Kuppeln verwendet wird, den Einsatz selbsttragender Ziegelschichten, bei denen auf eine verstärkende Stahlstruktur verzichtet werden kann. Das Ergebnis: Der Bauprozess ist erheblich einfacher, schneller und günstiger geworden als durch den Einsatz von Beton. Insgesamt konnten im Mapungubwe Interpretation Center Spannweiten von bis zu 14,5 Metern erzeugt werden – bei einer Deckenstärke von lediglich 30 Zentimetern. Während die Ziegelkonstruktion an ihrer Unterseite sichtbar blieb, wurde ihre Oberseite mit Steinen aus der unmittelbaren Umgebung bedeckt. Das Gebäude scheint auf diese Weise wie aus der Landschaft heraus gewachsen und bildet keinen Fremdkörper.
Reflektierende Wasserflächen
Der Einsatz lokaler Materialien setzt sich auch in den Innenräumen fort, deren Böden mit Sandstein ausgelegt wurden, während für die Sonnenblenden vor den Fensterflächen direkt vor Ort gewonnenes Holz zum Einsatz kam. Öffnungen unterhalb der Ziegelgewölbe lassen nicht nur Sonnenlicht in die Innenräume hineinfallen, sondern ermöglichen Ausblicke auf die umgebende Landschaft. Die thermische Masse der Ziegel wirkt zudem wie eine natürliche Klimaanlage, die während des Tages das Gebäude kühlt und in der Nacht die gespeicherte Wärme abgibt. Wasserbecken an den Außenwänden des Gebäudes unterstützen den Abkühlungsprozess und werfen über die Reflexionen des Sonnenlichtes flimmernde Muster an die Unterseite der Gewölbe, die bis in den Innenraum hinein wirken.
Internationale Beachtung
Was Peter Rich mit diesem Bau gelungen ist, ist weit mehr als nur ein Kleinod fernab der üblichen Architekturpfade. Er hat auch gezeigt, wie Ökologie und Nachhaltigkeit zur Initialzündung für die Entwicklung strukturschwacher Regionen werden können, die Unterstützung direkt bei denen ankommen lässt, die sie benötigen. Ein Umstand, der auch auf dem World Architecture Festival 2009 zu tragen kam, als das Mapungubwe Interpretation Center mit den „World Building of the year“-Award ausgezeichnet wurde. Für den 65-jährigen Peter Rich ein Grund mehr, den eingeschlagenen Weg weiter fortzusetzen.
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			FOTOGRAFIE Iwan Baan
			Iwan Baan
	
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