Dorf unterm Dach
Penthouse von Gisbert Pöppler in Berlin

Im Zentrum Berlins gab Gisbert Pöppler einem Penthouse einen offenen Grundriss. Würfelförmige Funktionsräume strukturieren die Wohnung und erinnern bei dem Projekt „The Village“ an ein Dorf.
Als „Klassiker des Expressionismus“ bezeichnete die Süddeutsche Zeitung das „Haus am Köllnischen Park“ in Berlin-Mitte. Den sechsgeschossigen Stahlskelettbau mit seiner blau-roten Klinkerfassade stellte der Architekt Albert Gottheiner 1933 als Zentralverwaltung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) fertig. Zu DDR-Zeiten war das Haus eine Bildungsstätte der SED. Nach der Wende ging es wieder in den Besitz der Krankenkasse über. 2016 verkaufte sie es an einen privaten Investor, der es denkmalgerecht in Eigentumswohnungen umbauen ließ.
Gisbert Pöppler erhielt den Auftrag, das 160 Quadratmeter große Penthouse für ein Paar umzubauen und einzurichten. Was er zu Beginn seiner Arbeit vorfand, war lediglich eine gläserne Hülle. Den Ursprungsplan – Flur, Zimmer, Zimmer, Zimmer – verwarf er schnell. „Wir haben daraus ein offenes Dorf gemacht, das heißt: Nur Schlafzimmer, Gästezimmer und Gästebad sind abschließbar“, sagt der Berliner Architekt über das Projekt, dem er auch den Namen The Village gab. Diese Zimmer wirken wie kleine Boxen, die den weitläufigen Raum unterteilen, wodurch viele spannungsreiche Perspektiven entstanden sind.
Leidenschaft für Oberflächen
Die Großzügigkeit könnte die Wohnung kalt und unbehaglich wirken lassen. Durch den Einsatz vielfältiger Materialien und Oberflächen mit unterschiedlicher Textur erreichte Gisbert Pöppler das Gegenteil. Den Eingangsbereich ließ er mit lackiertem, renaissancerotem Holz vertäfeln. Das matte Linoleum des seidenweißen Sideboards hebt den Glanz umso stärker hervor. „Im Büro und im Gästezimmer haben wir ein Teakholz gewählt, in der Küche und dem Wohn-Essbereich sind die Wände in hellem Kalksandstein-Relief verkleidet“, erzählt der Gestalter. „Den Stein haben sich die Bauherren bei einer Italienreise in den Steinbrüchen in der Nähe von Verona ausgesucht. Das Relief entwickelten wir anschließend gemeinsam.“
Gliederung durch Farben und Materialien
Ebenso wie das durchgehende Eichenparkett dient die in einem dunklen Lila-Blau gestrichene Decke als optische Klammer. Ein weiteres wichtiges gestalterisches Element sind die wiederkehrenden Fugen und Linien an den Wänden. Damit markiert Gisbert Pöppler den Deckenfries und die Sockelleiste, an denen sich alle Schrankhöhen und die Türen orientieren. Auf mittlerer Höhe ist die Arbeitsplatte des Küchenkubus das Maß der Dinge. Sogar das Sandsteinfries übernimmt diese Linien. Dieses Raster hilft, die Materialien miteinander zu verbinden und es führt den Blick durch die Wohnung.
Möbel nach Maß
Wie immer bei Gisbert Pöpplers Projekten sind viele der Möbel und Einbauten Maßarbeit, angefangen vom Kleiderschrank mit vielen schmalen Schubladen für die gefalteten Hemden des Bauherrn bis hin zur Küche, wo Töpfe, Pfannen und die große Kasserolle ausgemessen wurden, damit sie gut verstaut werden können. Da sich kein passender Tisch für die Frühstücksecke fand, entwarf der Architekt das fünfeckige Modell Louis aus weiß gewachster Eiche. Auch der Esstisch Otto ist eine Maßanfertigung. Für den schmalen Raum hat er die ideale Breite. Seine Unterseite ist aufwändig gestaltet, da der Bauherr gerne auf dem Teppich liegend Musik hört. Im Laufe des Projekts kamen weitere Entwürfe von Gisbert Pöppler hinzu wie die Chaiselongue Ambassador oder der Juniorchair, den ein Pariser Sesselmacher fertigte.
Spiegelnde Decken
Für das Bad ließ Gisbert Pöppler aus Lavast vom Ätna, der mit einer Craquelé-Glasur in Taubenei-weiß überzogen wurde, einen Waschtisch erstellen. Einen Kontrast dazu bilden Schranktüren aus dunkler Mooreiche. Die Badewannennische ist mit einem südamerikanischen Marmor ausgekleidet. Ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt hier die wie in einem Alkoven herunter gezogene Decke. Auch im Wohnzimmer wurde die Decke abgehängt und aus baulichen Gründen mit Edelstahl verkleidet. „Man könnte vermuten, dass Metall kühl wirkt, doch das Gegenteil ist der Fall“, betont Gisbert Pöppler. „Die Reflexionen im Stahl lassen den Raum höher erscheinen.“ Der Glastisch von Azucena verdoppelt noch einmal die Spiegelung.
Mit einer einfühlsamen Farb- und Materialauswahl sowie speziell für das Projekt kreierten Möbelentwürfen verlieh Gisbert Pöppler dem Projekt seine Handschrift. Er griff die Geschichte das Hauses auf und schuf eine moderne, warme Atmosphäre.
FOTOGRAFIE Robert Rieger Robert Rieger
Projektname | The Village |
Entwurf | Gisbert Pöppler, Berlin |
Projekt | 5. Etage, Dachpavillon, 160 Quadratmeter Wohnfläche, Terrasse auf zwei Ebenen |
Ort | Fischerinsel, Berlin-Mitte |
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